Konstanze Wegmann
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Daniel Hajok/Konstanze Wegmann: Feind- und Selbstbilder rechtsextremistischer Musik
Ob auf der Straße oder in der Welt der Medien: Gewalt von rechts hat wieder zugenommen. Dabei hat das, was heute als Hass im Netz diskutiert wird, bereits früh seine mediale Repräsentation gefunden. Im Bereich der Musik etwa findet rechtsextremistisches Gedankengut seit etwa 30 Jahren Verbreitung, auch unter Jugendlichen. Wie eine Analyse indizierter Tonträger zeigt, werden dabei nicht nur die bekannten Feind- und Selbstbilder propagiert, sondern auch gezielt gesellschaftliche Entwicklungen aufgegriffen. Dr. Daniel Hajok ist Kommunikations- und Medienwissenschaftler und Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Kindheit, Jugend und neue Medien (AKJM). Konstanze Wegmann, M. A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Medienpädagogik der Universität Bremen
Literaturverzeichnis:
Bouse, Christina (2010). Sprache der Gewalt und der Fremdenfeindlichkeit in Texten rechtsextremer Musik. In: Schuppener, Georg (Hrsg.), Sprache des Rechtsextremismus. Spezifika der Sprache rechtsextremistischer Publikationen und rechter Musik. Leipzig: Edition Hamouda, S. 161-165.
Döhring, Kirsten/Feldmann, Renate (2002). Ich weiß genau was ich will, halt nicht die Schnauze und bin still…Frauen(bilder) in rechten Subkulturen. In: Dornbusch, Christian/Raabe, Jan (Hrsg.), RechtsRock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien. Münster: Unrast, S. 187-214.
Erb, Rainer (2001). Der ewige Jude. Die Bildersprache des Antisemitismus in der rechtsextremen Szene. In: Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.), Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland. Berlin: Tilsner, S. 131-156.
Erb, Rainer/Kohlstruck, Michael (2009). Die Funktionen von Antisemitismus und Fremdenfeindschaft für die rechtsextreme Bewegung. In: Braun, Stephan/Geisler, Alexander/Gerster, Martin (Hrsg.), Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten. Wiesbaden: Springer VS, S. 419-439.
Farin, Klaus (2001). Vorwort. In: Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.), ReaktionäreRebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland. Berlin: Tilsner, S. 7-8.
Farin, Klaus/Flad, Henning (2001). Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland. In: Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.), Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland. Berlin: Tilsner, S. 9-98.
Flad, Henning (2002). Trotz Verbot nicht tot. Ideologieproduktion in den Songs der extremen Rechten. In: Dornbusch, Christian/Raabe, Jan (Hrsg.), RechtsRock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien. Münster: Unrast, S. 91-124.
Friedemann, Sebastian/Hoffmann, Dagmar (2013). Musik im Kontext der Bearbeitung von Entwicklungsaufgaben des Jugendalters. In: Heyer, Robert/Wachs, Sebastian/Palentien, Christian (Hrsg.), Handbuch Jugend – Musik – Sozialisation. Wiesbaden: Springer VS, S. 371-394.
Grollmütz, Lisa/Chernykh, Sofya/Chekelova, Velina (2016). Selbstbilder und Feindbilder in rechtsextremer Musik. Seminararbeit. Seminar für Kommunikationswissenschaft. Universität Erfurt.
Hajok, Daniel (2017). Höchststände bei der Indizierung von Medien aus dem Bereich des politischen Extremismus. Eine aktuelle Entwicklung im Fokus. In: BPJM-Aktuell, 25 (1), S. 8-17.
Hajok, Daniel/Wegmann, Konstanze (2016a). Extremismus in der Musik. Eine deskriptiv-explorative Analyse der Tonträgerindizierungen. In: BPJM-Aktuell, 24 (2), S. 3-14.
Hajok, Daniel/Wegmann, Konstanze (2016b). Feind- und Heldenbilder rechtsextremistischer Musik. Ergebnisse einer explorativen Analyse von indizierten Tonträgern. In: JMS-Report, 39 (5), S. 2-6.
Hurrelmann, Klaus/Quenzel, Gudrun (2013). Lebensphase Jugend. Eine Einführung indie sozialwissenschaftliche Jugendforschung. 12., korr. Aufl. Weinheim/München: BeltzJuventa.
Jaschke, Hans-Gerd (2001). Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Begriffe – Positionen – Praxisfelder. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.Kaddor, Lamya (2015). Warum junge Deutsche zu Dschihadisten werden? In: BPJM-Aktuell, 23 (4), S. 18-19.
Ritter, Nadja (2010). Inhalte von rechtsextremistischem Liedgut. In: Schuppener, Georg (Hrsg.), Sprache des Rechtsextremismus. Spezifika der Sprache rechtsextremistischer Publikationen und rechter Musik. Leipzig: Edition Hamouda, S. 147-152.
Schellenberg, Britta (2011). Unterrichtspaket Demokratie und Rechtsextremismus. Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus anhand rechtsextremer Musik. Schwalbach: Wochenschau Verlag.
Scholz, Volker (2010). Rechtsextremismus und Mythologie aus Sicht des Verfassungsschutzes. In: Schuppener, Georg (Hrsg.), Sprache des Rechtsextremismus. Spezifika der Sprache rechtsextremistischer Publikationen und rechter Musik. Leipzig: Edition Hamouda, S. 17-24.
Schuppener, Georg (2010). Der Missbrauch germanischer Mythologie in der Sprache des Rechtsextremismus. In: Schuppener, Georg (Hrsg.), Sprache des Rechtsextremismus. Spezifika der Sprache rechtsextremistischer Publikationen und rechter Musik. Leipzig: Edition Hamouda, S. 25-52.
Wegmann, Konstanze (2016). Entwicklungen des mit Liedtexten seit den 1980er Jahren propagierten rechtsextremen Gedankenguts. Magisterarbeit. Universität Erfurt.
Konstanze Wegmann: Digitale Schule – Vernetztes Lernen
Der Studienbericht Digitale Schule – Vernetztes Lernen basiert auf zwei repräsentativen Befragungen, die im Auftrag des Digitalverbandes BITKOM durchgeführt wurden. Dafür wurden Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler zur Medienausstattung, dem Medieneinsatz und ihren Wünschen für eine ‚digitale Schule‘ befragt. Als Rahmenbedingung der Einbindung von Medien und medialen Inhalten in den Schulunterricht ist zunächst die Geräteausstattung der Schulen zu berücksichtigen. 65 Prozent der Schülerinnen und Schüler und 69 Prozent der Lehrkräfte halten die technischen Voraussetzungen an ihrer Schule für verbesserungswürdig. Stationäre PCs (99 %), Notebooks (89 %) sowie Beamer (98 %) können dabei als mediale Grundausstattung an Schulen bezeichnet werden, Smart- bzw. Whiteboards (62 %) sind in über der Hälfte der Schulen vorhanden, wohingegen Tablet-PCs (18 %) sowie E-Book-Reader (4 %) nur an wenigen Schulen zur Ausstattung gehören. Während 85 Prozent der Schülerinnen und Schüler von einem täglichen Einsatz von Fotokopien im Schulunterricht berichten, werden Smart- bzw. Whiteboards und Notebooks bzw. Laptops jeweils bei knapp über einem Drittel der Befragten täglich verwendet. Die meisten anderen Medien kommen – auch aufgrund des geringen Gerätebesitzes – nur im Unterricht sehr weniger Schülerinnen und Schüler täglich zum Einsatz. Zusätzlich beschränkt sich der Gebrauch der Geräte zumeist auf Präsentationen und Rechercheaufträge. Eine deutliche Veränderung zeigt sich in der Einstellung der Lehrkräfte gegenüber dem Einsatz von elektronischen Medien im Unterricht: Während 2011 nur 13 Prozent der Lehrenden diesen Einsatz als positiv bewerteten – 64 Prozent jedoch immerhin als eher positiv –, beurteilen ihn 2014 66 Prozent der Lehrkräfte als positiv und 29 Prozent als eher positiv und auch die Schülerinnen und Schüler bestätigen die Technikaffinität ihrer Lehrkräfte. 71 Prozent der Schülerinnen und Schüler wünschen sich den verstärkten Einsatz von Lernvideos im Schulkontext. Thematisch sollten dabei nach Ansicht der Lernenden primär rechtliche Grundlagen (68 %), die richtige Bedienung von Programmen (53 %) und das ‚richtige‘ Verhalten in Chats und sozialen Netzwerken (51 %) besprochen werden. Eine Einführung des verpflichtenden Schulfaches Informatik für die Klassen fünf bis zehn befürworten 75 Prozent der Lernenden und 73 Prozent der Lehrenden.
Die gesamten Studienergebnisse stehen online zum Download bereit.
www.bitkom.org/de/publikationen/38338_81533.aspx
Konstanze Wegmann: Entwicklungen in der Indizierungspraxis der BPjM
Seit dem 01. April 2013 führt der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Daniel Hajok in Kooperation mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) eine Studie zur Indizierungspraxis der Bundesprüfstelle durch. Für diese Studie werden alle Entscheide der BPjM seit Juli 1954 berücksichtigt, quantifizierbar gemacht und bezüglich der jeweils zugrunde liegenden Argumentation für bzw. gegen eine Indizierung betrachtet. Die quantitative Analyse soll noch im April 2015 – inklusive aller Entscheide bis zu diesem Zeitpunkt – abgeschlossen werden. Eine ausführliche Vorstellung der Ergebnisse wird im Mai 2015 in der Zeitschrift BPjM-Aktuell erfolgen. Die Durchführung und Veröffentlichung vertiefender qualitativer Analysen hingegen wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Begonnen werden soll dabei voraussichtlich mit den Bereichen Musikindizierung und Extremismusdarstellungen. Erste ausgewählte Ergebnisse wurden 2014 bzw. 2015 bereits in zwei Artikeln publiziert. Deutlich wird eine kontinuierliche Anpassung der Prüfkriterien an mediale Entwicklungen und (auch) damit einhergehende Veränderungen der gesellschaftlichen Moralvorstellungen, wie etwa Veränderungen in der Sexualmoral und der Einstellung gegenüber Homosexualität. So wurden durch die Prüfung einiger ‚Schlaglichter‘ fortwährend neue Kategorien als jugendschutzrelevant eingestuft und in die Prüfpraxis aufgenommen. Im Zeitraum von 60 Jahren wurden mehr als 20.000 Objekte geprüft und 16.000 davon schließlich auch indiziert.
Das erste – damals noch von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) – indizierte Medienprodukt, war das Comic-Heft Der kleine Sheriff Nr. 2 – Verwegene Nacht, das wegen seiner als jugendgefährdend eingestuften Darstellung von Gewalt in den Index aufgenommen wurde. Dennoch dominierte die Prüfung von Darstellungen von Sexualität in Erotikromanen und Magazinen die ersten Jahre der Arbeit der Bundesprüfstelle. In den folgenden Jahren wurde die Spruchpraxis um weitere als jugendgefährdend oder schwer jugendgefährdend eingestufte Inhalte erweitert und ausdifferenziert. Im Jahr 1996 wurden Unterseiten der Zuendelsite von Holocaust-Leugner Ernst Zündel als erstes Internetangebot geprüft und indiziert. Mit über 3.600 geprüften Angeboten aus dem Internet, wovon über 3.500 in den Index aufgenommen wurden, handelt es sich seitdem bei den meisten geprüften bzw. zu prüfenden Objekten um Online-Angebote. Knapp ein Viertel der geprüften Internetangebote der letzten zehn Jahre wurde nicht nur als jugendgefährdend, sondern auch als strafrechtlich relevant eingestuft.
Durch die schwere Kontrollier- und Verfolgbarkeit von jugendgefährdenden und strafrechtlich relevanten Inhalten im Internet, ist dort auch verstärkt die Prüfung zuvor selten vorliegender Inhalte, wie die von dokumentierten Verbrechen und Tötungsdelikten, gefordert.Ausführliche Darstellung der Ergebnisse in Hajok, Daniel (2015). Indizierungspraxis der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Zahlen, Fakten und Tendenzen aus über 60 Jahren. In: BPJM-Aktuell, 2 [in Vorbereitung]
Konstanze Wegmann: Ethik macht klick. Werte-Navi fürs digitale Leben
Die Aushandlung von Normen und Wertvorstellungen ist Teil der kindlichen und jugendlichen Entwicklung von Medienkompetenz. Durch die Förderung dieser Aushandlungs- bzw. Lernprozesse sollte eine Sensibilisierung für und Reflexion von interessengeleiteten Wert- und Handlungsangeboten angestoßen werden. Insbesondere digitale Entwicklungen bieten Kindern und Jugendlichen eine Vielzahl solcher Angebote, wodurch eine Orientierung zunehmend schwerfallen kann. Werden in diesem Zusammenhang ‚neue‘ bzw. ‚andere‘ moralische Normen benötigt? Welche unterschiedlichen Perspektiven sollten dabei Beachtung finden?
Basierend auf diesen Überlegungen ist es Ziel des im Februar 2015 erschienenen Werte-Navis von klicksafe und dem Institut für Digitale Ethik (IDE), Medienpädagogik und Medienethik zusammenzuführen und konkrete methodische Herangehensweisen und Projektideen für die medienpädagogische Praxis aufzuzeigen. Das Werte-Navi richtet sich an Lehrkräfte und Pädagoginnen sowie Pädagogen und fokussiert – nach einem Überblick zum Thema Ethik und Werte – thematisch die Bereiche ‚Privatsphäre und Big Data‘, ‚Verletzendes Online-Verhalten‘ und ‚Mediale Frauen- und Männerbilder‘. Inhaltlich bieten die jeweiligen Kapitel unter anderem Informationen, Beispiele, Reflexionsfragen sowie Video-Tipps. Das vollständige Dokument ist online kostenlos abrufbar.
Konstanze Wegmann: Von bleichgesichtigen Indianern und düsteren Angsthasen
Der zehnjährige Max (Lorenzo Germeno) ist blass, pummelig und ein Indianer-Häuptling! Was rein äußerlich betrachtet als Gegensatz erscheint, schließt sich für Max nicht aus. Denn es kommt schließlich darauf an, wer man im Herzen ist – das hat ihm sein Vater von klein auf beigebracht. Vor kurzem haben sich seine Eltern jedoch getrennt. Sein Vater Torsten (Christoph Letkowski), ein etwas chaotischer Musiker und ehemals großer Träumer, lässt sich nun gehen, spielt Konsolenspiele statt Musik, trinkt regelmäßig und kommt immer wieder zu spät, wenn er Max abholen soll. Seine Mutter Birte (Alice Dwyer) gibt Stadtführungen und bildet sich an einer Abendschule mit Englisch fort. Dass ihr Lehrer George (Tyron Ricketts) auch ihr neuer Freund ist, erfahren Max und Torsten erst später. Max, der die Geschichte auch als Ich-Erzähler aus dem Off nacherzählt, freut sich auf das Indianer-Camp auf Evis (Katharina Marie Schubert) Ranch, wo er – zumindest von den meisten – als Indianer-Häuptling anerkannt wird. Dort begegnet ihm der dunkel gekleidete Morten (Tristan Göbel), der eigentlich gar nicht ins Indianer-Camp möchte, es aber zumindest als Chance sieht, seinen Eltern (Kathi Angerer und Bernd Moss) – die hinter seinem Rücken, aber in Hörweite über ihn diskutieren – für ein paar Tage aus dem Weg zu gehen.
Max merkt sofort, dass Morten ein echter Indianer ist, auch wenn dieser nichts damit zu tun haben möchte. Max versucht immer wieder, sich Morten freundschaftlich anzunähern – dieser blockt jedoch ab. Zudem lässt er Max spüren, dass er ihn auch nicht für einen Indianer hält. Um sich besser in Morten hineinversetzen zu können, beschließt Max eines Nachts, in dessen Schuhen – oder Mokassins – einen Spaziergang zu machen und überrascht Morten dabei, als dieser sich heimlich seine Lieblings-Sendung Unfälle und Katastrophen im Radio anhört. Als die beiden in der darauffolgenden Nacht wieder einschalten, erfahren sie, dass der Junge, der bei den Karl-May-Festspielen Winnetous Sohn spielen sollte, bei den Proben vom Pferd gefallen ist. Sofort ist Max davon überzeugt, der Richtige für die Rolle zu sein. Die meisten anderen lassen ihn mehr oder weniger deutlich spüren, dass sie ihn nicht ernst nehmen und für einen Träumer halten, der die Augen vor dem optisch Offensichtlichen verschließt. Das bringt Max jedoch weder von seinem Glauben noch von seiner Motivation ab, Winnetous Sohn zu spielen und dadurch vielleicht sogar seine Eltern wieder zu vereinen. Auf dem Weg zu seinem Ziel stehen Max viele Hürden bevor, die er durch seinen unerschütterlichen Optimismus und die Hilfe seines neuen Freundes Morten jedoch meistern kann – Max ist eben doch ein echter Indianer. Die erste Szene zeigt Winnetou mit einem Strick um den Hals, eine Schussszene entwickelt sich.
Was in einem Kinderfilm vielleicht zunächst etwas deplatziert wirkt, wird durch plötzliche Rufe gebrochen – der Regisseur der Karl-May-Festspiele (Uwe Ochsenknecht) ist nicht zufrieden. Als dieser schließlich auch gezeigt wird und die Kamera aus der Theaterszene fährt, um das Western-Szenenbild sichtbar zu machen, dürfte auch den Kindern im Publikum klar sein, dass hier gerade eine fiktive Szene geprobt wird. Zusätzlich können Karl-May-Kennerinnen und -Kenner die Charaktere und Referenzen in den Dialogen wiedererkennen. Es wird also Action geboten, diese ist jedoch sinnvoll in den Kontext und die Narration eingebettet. Auch eine spätere Szene, in der Morten in seinem Zimmer einen Knallkörper zündet und dann von zu Hause loszieht, um seine Angst zu überwinden, steht symbolisch. Winnetous Sohn behandelt die Thematiken der Trennung der Eltern, der Freundschaft sowie des ‚Andersseins‘. Das zunächst etwas einfach gezeichnete Bild des dunkel gekleideten, dunkel- und langhaarigen Jungen mit den düsteren Interessen – passend zu seiner Lieblings-Radiosendung Unfälle und Katastrophen, schmückt er seine Zimmerwände mit seinen Lieblings-Katastrophen – wird ein Stück weit durch seine Angst vor dem Reiten und Fahrradfahren gebrochen.
Mortens Charakterzeichnung steht optisch sowie charakterlich im Kontrast zum ‚indianerlich‘ bunt gekleideten, blonden, pummeligen, lebensfrohen, optimistischen und mutigen ‚Indianer-Häuptling‘ Max. Die beiden werden dennoch Freunde und unterstützen sich gegenseitig beim Überwinden ihrer jeweiligen Schwächen und Ängste. Auch die dramaturgischen Muster Pessimismus versus Optimismus sowie Rationalität versus Träumerei ziehen sich durch den gesamten Film. Als Fazit des Films steht die ermunternde Botschaft, dass jede und jeder es schaffen kann, aus vermeintlich festgeschriebenen Kategorisierungen und den damit einhergehenden Zuordnungen auszubrechen. Wer mit dem Herzen dabei ist, an sich glaubt und für sein Ziel kämpft, kann Grenzen überschreiten, auch wenn es die Umstände und Mitmenschen noch so schwer machen. Um die Botschaft nicht allzu utopisch erscheinen zu lassen und dadurch nicht ihrer Glaubwürdigkeit zu schaden, lässt es Winnetous Sohn jedoch offen, ob Max‘ Eltern am Ende wieder zueinander finden. Indem beispielsweise gezeigt wird, wie es Torsten, Max‘ Vater, und George, der neue Freund seiner Mutter, gemeinsam schaffen, Max doch noch die Teilnahme am Casting zu ermöglichen, nähert sich der Film in kleinen Schritten auch an mögliche alternative Lösungen des Konflikts an.
Neben Western-Elementen, wie an das Genre angelehnten kleineren Action-Szenen und der Zitation von ‚Indianer-Weisheiten‘, verfügt der Film über eine interessante Erzählstruktur und ist gestalterisch liebevoll aufbereitet. Winnetous Sohn spielt mit Stereotypen und Kategorisierungen, indem er sich zwar auf diese – und die Kenntnis darüber – bezieht, jedoch bemüht ist, sie im Verlauf des Films in ihren starren Festschreibungen zu brechen. Die FSK-Freigabe ohne Altersbeschränkung ist zwar nachvollziehbar, die Referenzen zum Western-Genre in den Action-Elementen sowie die Symbolik der Zündung des Knallkörpers können jedoch von sehr jungen Kindern vermutlich noch nicht in ihrer kontextuellen Bedeutung und der damit einhergehenden ‚Entlastung‘ der Situation verstanden werden, weshalb eine gemeinsame Rezeption als Familienfilm sinnvoll erscheint. Zudem scheint Winnetous Sohn aufgrund des Alters seiner Protagonisten (zehn Jahre) und deren lebensweltlichen Problemen eher Kinder ab einem Alter von sechs Jahren anzusprechen. Winnetous Sohn ist der Gewinner der Förderinitiative
Der besondere Kinderfilm 2013/2014.
Winnetous SohnDeutschland 2015, 92 MinutenRegie: André ErkauDarsteller: Lorenzo Germeno, Tristan Göbel, UweOchsenknechtVerleih: WeltkinoFSK: Freigegeben ohne AltersbeschränkungFilmstart: 09.04.2015
Konstanze Wegmann: „Schließlich sehen doch alle Schwarzen irgendwie ziemlich gleich aus, findest du nicht?“
Boie, Kirsten (2014). Schwarze Lügen. Hörbuch, Goya Libre. 378 Min., 19,99 €.
Melody (15 Jahre) lebt mit ihren Geschwistern Amadeus (17 Jahre) und Soprano „Soppy“ (4 Jahre), ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in einer kleinen schäbigen Wohnung irgendwo im Norden Deutschlands unweit der Ostsee. Die Familie hat ihre afrikanische Heimat verlassen und ist nach Deutschland gekommen, als der leibliche Vater drohte festgenommen zu werden. Nach dieser Beschreibung dürfte in den Köpfen vieler schon ein Bild der Familie entstanden sein. Ist dies ein negatives Bild? Bestätigen sich darin gesellschaftlich verfestigte oder zumindest zirkulierende Vorurteile? Die hier selektierten und entkontextualisierten Informationen sind auch das, was viele Charaktere der Geschichte (zunächst) sehen und wissen. Diese Informationen und visuellen Eindrücke – mit einer ständigen Betonung des ‚Schwarzseins‘ – formen ihr Bild von Familie Kwakye. „Schließlich sehen doch alle Schwarzen irgendwie ziemlich gleich aus“, ist dabei eine wiederkehrende Äußerung.
Doch ein genauerer Blick lohnt sich: Herr Kwakye sollte festgenommen werden, als er sich als Universitätsdozent gegen die Regierung aussprach. Da die Eltern eine Vorliebe für deutsche Hochkultur in Literatur und Musik hatten und Deutschland daher für „das wunderbarste Land der Welt“ hielten, entschieden sie sich für Deutschland als Ziel ihrer Migration. Kurz nachdem Soppy geboren wurde, starb der Vater und die Mutter heiratete den Alkoholiker Herrn Schnappgans, den die Geschwister „der Arsch“ nennen. Da die ausländische Qualifikation der Mutter nicht anerkannt wird, geht sie putzen, verdient alleine jedoch nicht genügend Geld, um der Familie den Aufenthalt in Deutschland sichern zu können. Daher muss die Familie mit „dem Arsch“ zusammenleben, der nach einem Arbeitsunfall seine geringe Rente, den Lohn der Mutter und das Kindergeld in Alkohol investiert. Melody fühlt sich in Deutschland zu Hause, ist sehr gut in der Schule und spielt im Schulorchester. Trotzdem gehört sie in ihrer Schule in einer reichen Wohngegend, die Amadeus und Melody auf Wunsch der Eltern besuchen, um sich eine ‚sozial anerkannte‘ Basis zu ermöglichen, nicht richtig dazu und sieht sich im Alltag immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Einen Tag vor Melodys Soloauftritt bei einem großen Schulkonzert beschädigt der Stiefvater in einer Auseinandersetzung die von der Schule geliehene Klarinette und sie darf nicht am Konzert teilnehmen. Damit sich ihre Mutter wegen der Ehe mit „dem Arsch“ nicht noch mehr Vorwürfe macht, beschließt Melody, ihr nichts von dem geplatzten Auftritt zu erzählen und die Nacht nicht zu Hause zu verbringen. Vor sich selbst rechtfertigt sie dies als Notlüge oder „white lie“, wobei sie darüber nachdenkt, dass „black lie“ – daher der Titel des (Hör-)buches – aufgrund ihrer Hautfarbe passender wäre.
Durch diese Notlüge, einige Vorfälle und Missverständnisse landet Melody in der Nacht schließlich auf dem Grundstück von Herr Sönnichsen, einem reichen, nahezu blinden Rentner, der sie zunächst für seine Enkelin hält. Da Melody nicht nach Hause kommt, gehen ihre Mutter und ihr Bruder Amadeus zur Polizei, um sie als vermisst zu melden. Hier wird Amadeus aber für einen gesuchten Bankräuber gehalten und in Untersuchungshaft gebracht. Melody wird verdächtigt, seine Komplizin zu sein, die mit dem Geld auf der Flucht ist. Der wahre Täter ist jedoch Amadeus‘ Nachhilfeschüler Lukas, der erpresst wird und Geld für Drogen benötigt. Um den Verdacht auf seinen Nachhilfelehrer zu lenken, hat er am Tatort eine Voodoo-Puppe und einen Zettel mit Amadeus‘ Fingerabdrücken hinterlegt. Nach dem Überfall sind Lukas und Melody zufällig zusammengestoßen und haben versehentlich ihre Taschen vertauscht, weshalb Melody das Geld aus dem Überfall unwissentlich bei sich trägt. Bei Herrn Sönnichsen trifft Melody auf den rassistisch eingestellten Jugendlichen Kenneth, der zu Besuch bei seiner Großtante, Herrn Sönnichsens Haushälterin, ist. Als er die Fahndungsbilder im Fernsehen sieht, konfrontiert er sie mit den Vorwürfen. Melody kann ihn jedoch von ihrer Unschuld überzeugen und für sich gewinnen. Schließlich trifft Herr Sönnichsens echte Enkelin, Linda von Altenhagen, ein.
Diese lebt zwar in finanzieller und sozialer Sicherheit, hat aber unter ihrem gefühlskalten Politiker-Vater zu leiden. Als die drei ungleichen Jugendlichen erfahren, dass Lukas Soppy entführt hat, um von Melody das Geld aus dem Banküberfall zu erpressen, meistern die drei die gefährlichen Herausforderungen gemeinsam.Schwarze Lügen erzählt eine Geschichte des Bestehens, Reproduzierens und Hinterfragens von kulturellen und sozialen Stereotypen und Vorurteilen. Durch ihr gemeinsames Ziel und die ‚wirklichen‘ Erfahrungen und Eindrücke, legen die drei Jugendlichen aus unterschiedlichen kulturellen und sozialen Hintergründen ihre gegenseitigen Vorurteile immer weiter ab. Lukas‘ rassistische Vorstellung, eine Voodoo-Puppe am Tatort würde den Verdacht sofort auf einen Dunkelhäutigen lenken, wird anfangs scheinbar bestätigt, als die Polizei der Spur zunächst in diese Richtung folgt. Tatsächlich zeigt dies jedoch nur, dass Lukas und die Polizei den Voodoo-Puppen-Fund an einem Tatort gleich deuten (würden), die Voodoo-Puppe als Symbol bzw. Zeichen also entlang des gleichen Vorurteils dekodieren. Dass der Zusammenhang zwischen Amadeus und der Voodoo-Puppe konstruiert sein muss, fällt dem Polizisten erst auf, als er seine scheinbar unbewusst rassistische Denkweise kritisch hinterfragt: „Das einzige, was zusammenpasste, waren seine afrikanische Herkunft und die Puppe. Der Junge selbst und die Puppe aber ganz sicher nicht.“ Es wird deutlich, dass die nationale bzw. kulturelle Herkunft nicht der nationalen bzw. kulturellen Identität entsprechen muss. Vielmehr handelt Amadeus – wie auch Melody – seine Identität mit einer Summe an verschiedenen nationalen, kulturellen und sozialen Einflüssen aus.
Die durch den Vorfall erlangte Erkenntnis des Polizisten kann auch als eine zentrale Botschaft der Geschichte bezeichnet werden: „Im tiefsten Inneren, tief unter ihren bewussten Überzeugungen, hatten sie alle ein Bild davon, wie Afrikaner eben waren. Auch wenn sie alles dafür taten, keine Vorurteile zu haben, waren sie nicht wirklich dagegen gefeit.“ Zudem wird – wie eingangs bereits angedeutet – gezeigt, dass ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital zwar in wechselseitiger Beeinflussung stehen, jedoch immer unter den jeweils spezifischen Bedingungen betrachtet werden sollten. Familie Kwakye hatte in ihrem Heimatland einen hohen sozialen Status und besitzt viel kulturelles Kapital, das eigentlich auch in Deutschland als solches anerkannt ist. Ihre beruflichen Qualifikationen sind jedoch wertlos, weshalb ihnen der Zugang zu ökonomischem und damit verbundenem sozialen Kapital an der ‚besseren‘ Schule verwehrt bleibt. Was als Eindruck nach außen bleibt, ist der einer immigrierten Familie, die mit einem deutschen Alkoholiker in einer schäbigen Wohnung zusammenlebt, um in Deutschland bleiben zu dürfen.
Dass Amadeus und Melody begabt und fleißig sind, wird wegen ihres Hintergrundes und ihres niedrigen finanziellen Status‘ – Melody bezeichnet ihre Familie als „Familie Werbung“, weil sie fast ausschließlich mit Werbegeschenken ausgestattet ist – von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern kaum anerkannt.Schwarze Lügen spielt mit kulturell konnotierten Gegensätzen, die immer wieder für Konfliktpotenzial innerhalb der Geschichte sorgen. Der Konflikt wird jeweils gelöst, wenn die subjektive Perspektive überwunden wird, beide ‚Seiten‘ als Team arbeiten und so die Kategorisierungen und Vorurteile durchlässig machen bzw. abbauen. Daneben greift das Hörbuch die Themen Geschlecht, Drogen, Familie, den Tod eines Elternteils bzw. die Vernachlässigung durch ein Elternteil, Freundschaft, Liebe, die Kommunikation zwischen verschiedenen Generationen und die mediale Inszenierung in der Politik auf. Durch die Vielzahl an verschiedenen Konfliktbereichen und die Darstellung von Jugendlichen aus verschiedenen Kontexten, kann die Geschichte potenziell auch viele verschiedene Jugendliche erreichen. Hans Löw schafft es als Sprecher, den unterschiedlichen Charakteren Leben einzuhauchen und so ihre jeweilige Persönlichkeit herauszustellen. Ohne gewollt ‚lehrreich‘ zu wirken, setzt sich Schwarze Lügen mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinander und kann so potenziell eine Selbstreflexion der eigenen Denk- und Handlungsweisen anstoßen.
Aufgrund des Alters der beiden Protagonistinnen und des Protagonisten, der durchaus komplexen Narration und der spannenden Geschichte um die Folgen von Drogenkonsum, Erpressung und Entführung ist das Hörbuch für Jugendliche ab etwa 14 Jahren geeignet.Schwarze Lügen belegte auf der hr2 Hörbuchbestenliste im Juli 2014 den ersten Platz im Bereich Kinder- und Jugendhörbücher und erhielt das AUDITORIX Hörbuchsiegel.
Konstanze Wegmann: KIM-Studie 2014
Im Februar 2015 ist die aktuelle KIM-Studie 2014 (Kinder + Medien, Computer + Internet) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) erschienen. Für die repräsentative Studie, die seit 1999 regelmäßig das Medienverhalten der Sechs- bis 13-Jährigen in Deutschland untersucht, wurden 2014 rund 1.200 Kinder und deren Haupterziehende befragt. Neben den Basisthemen und -fragen, die zum Zwecke der Vergleichbarkeit der Ergebnisse bei jeder KIM-Studie berücksichtigt werden, wurde der variierende Fokus im Jahr 2014 auf die Nutzung von Tablet-PCs gelegt. Während nur zwei Prozent der Kinder über ein eigenes Tablet verfügen, befinden sich in 19 Prozent der befragten Haushalte Tablet-PCs. 54 Prozent der Kinder, die Zugriff auf ein Tablet haben, nutzen dieses täglich oder zumindest regelmäßig, wobei die tägliche und regelmäßige Nutzung mit zunehmendem Alter steigen. Die Hälfte der Kinder mit Tablet-Zugang spielt damit regelmäßig, 36 Prozent sehen sich Bilder oder Videos an und 35 Prozent surfen im Internet. Auch 2014 ist das Fernsehen mit 61 Prozent (2012: 57 %) immer noch das Medium, auf das die Kinder am wenigsten verzichten könnten, gefolgt von Computer/Laptop/Internet mit 24 Prozent (2012: 25 %). Nutzen Kinder das Internet, so sind 40 Prozent (2012: 36 %) (fast) täglich online. Zudem ist der Anteil der Wenig-Nutzenden (bis 30 Minuten) auf 23 Prozent (2012: 29 %) gesunken und der Anteil der Intensiv-Nutzenden (mehr als 60 Minuten) auf 33 Prozent (2012: 24 %) gestiegen. Dabei greifen 87 Prozent der Kinder regelmäßig über einen Computer oder Laptop und 32 Prozent über ein Handy oder Smartphone auf das Internet zu. 43 Prozent (2012: 44 %) sind bei einem sozialen Netzwerk angemeldet, 72 Prozent (2012: 55 %) davon bei Facebook. Der Großteil der Eltern (80 %), deren Kinder das Internet nutzen, stellt Regeln bezüglich der erlaubten Internetseiten und -angebote auf. Ähnlich verhält es sich bei Computer- und Konsolenspielen sowie der Fernsehrezeption. Zur Nutzung des Handys oder Smartphones werden anteilig am wenigsten Absprachen getroffen. Medienübergreifend werden insbesondere Regeln bezüglich der erlaubten Angebote und Inhalte gesetzt. Von zeitlichen Reglementierungen hingegen berichtet nicht einmal die Hälfte der befragten Haupterziehenden. Die gesamten Studienergebnisse stehen online zum Download bereit. www.mpfs.de/index.php?id=646