Mediengestützte sozialprofessionelle Beratung im Allgemeinen und sozialpädagogische Beratung im Speziellen haben durch die Covid-19-Pandemie neue Aufmerksamkeit erlangt. Beratungsangebote wie das Krisentelefon und die Telefonseelsorge sowie seit den 1990er-Jahren die Onlineberatung, die in der Regel per Chat oder E-Mail erfolgt, waren und sind stark nachgefragt. Um den Zugang zu Beratungsangeboten niedrigschwellig zu halten, werden zunehmend auch Soziale Medien und Messenger-Dienste in die sozialprofessionelle Beratung eingebunden. Dass das Wissen aus dem Feld der Telefon- und Onlineberatung aber nur bedingt auf die Nutzung Sozialer Medien in der Beratung übertragen werden kann, zeigen die Beiträge des Themenschwerpunkts dieser merz-Ausgabe.
2023/02: Social Media in der Beratung
aktuell
- Luisa Giebler: Sprachliche Bildung mit Digitalen Bilderbüchern
Luisa Giebler: Sprachliche Bildung mit Digitalen Bilderbüchern
Digitale Bilderbücher eignen sich ebenso zur sprachlichen Bildung in der frühkindlichen Erziehung wie analoge. Das zeigt die aktuelle Studie ‚Digitale Bilderbücher in der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung‘ des Deutschen Jugendinstituts (DJI). Im Projekt wurde untersucht, wie digitale Bilderbücher im Kitaalltag integriert werden können. Dabei stellte sich heraus, dass verschiedene Sprachförderungsmöglichkeiten, wie Vorlesefunktionen oder mehrsprachige Optionen, intensiv anregende sprachliche Interaktionsmöglichkeiten bieten. Außerdem ermöglichen digitale Bilderbücher im Gegensatz zu analogen Büchern mehr Kindern die Teilnahme. Die Studie zeigt, dass die teilnehmenden pädagogischen Einrichtungen jeweils unterschiedliche Einstellungen gegenüber der Integration digitaler Medien in den Kitaalltag haben. Alle Einrichtungen sind sich jedoch einig im Hinblick auf den gesenkten Kostenfaktor durch digitale Bilderbücher und deren vielfältige Teilnahme- und Interaktionsmöglichkeiten.
Ziel der Studie war es, mögliche Berührungsängste mit digitalen Medien auf Seiten der pädagogischen Fachkräfte zu minimieren und den Prozess der Digitalisierung im Kitaalltag zu begleiten. Die Studie soll Einblick in die Praxis ge-währen und Chancen sowie Potenziale einer frühkindlichen digitalen Medienbildung aufzeigen. Zur Erfassung der Daten wurden leitfadengestützte Interviews mit pädagogischen Fachkräften, Gruppendiskussionen und video-gestützte Beobachtungen durchgeführt.
Das Forschungsprojekt wurde von Mai bis Dezember 2022 in Zusammenarbeit mit vier pädagogischen Einrichtungen durchgeführt. Es wurde qualitativ untersucht, welche Chancen und Herausforderungen der Einsatz digitaler Bilder- bücher in Kitas mit sich bringt. Das Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
www.dji.de/digitalebilderbuecher
- Swenja Wütscher: Stichwort: ChatGPT
Swenja Wütscher: Stichwort: ChatGPT
Ein ironisches Gedicht über Verkehrsregeln, die Erklärung des Satz des Pythagoras in einfacher Sprache oder die Berichtigung eines Programmiercodes – der kostenfreie Chatbot ChatGPT hat für (fast) alle, auch komplexe Fragen oder Probleme eine Lösung. Das Sprachmodell GPT-3 von OpenAI ist die Grundlage des Multitalents, welches auf der Deep-Learning-Technologie basiert. Dabei werden Algorithmen aus mehrschichtigen Netzwerken mithilfe riesiger Datenmengen trainiert, im Fall von ChatGPT mit Textmassen aus dem Internet. Und so kann die KI, wie gewünscht, menschenähnliche Konversationen führen und eine breite Palette an Wissen und Fähigkeiten anbieten. Mit erstaunlichen, teils hochgradig kreativen Ergebnissen.1 Wohlgemerkt, mit Fehlern. Zum einen wurde der Chatbot bisher nur mit Informationen bis Ende 2021 gefüttert, dann endet sein Wissensstand. Zum anderen kann die KI beispielsweise nicht hinterfragen, kritisch denken oder auf unvorhergesehene Situationen reagieren. Antworten liefert ChatGPT dennoch immer stolz.
Als virtueller Assistent hat die KI ein hohes Potenzial, nicht nur für die Bildung. Unter anderem als kreativer Ideengeber, als Textgenerator, als echte Konkurrenz zu Suchmaschinen, für automatisierte Antworten oder Übersetzungen ... aber auch als Manipulator oder Verbreiter von Fake-News mit Datenschutzlücken und Big-Brother-Manier.
- Luisa Giebler: Jugendmedienschutzindex 2022
Luisa Giebler: Jugendmedienschutzindex 2022
77 Prozent der Eltern sind über Risiken im Internet besorgt, wie der Jugendmedienschutzindex 2022 zeigt. Damit sind die Sorgen über Online-Risiken im Vergleich zu 2017 größer geworden. Am meisten sind Eltern hinsichtlich der Kon-
taktrisiken im Internet sowie belastender Inhalte besorgt (je 33 % und 32 %, die mindestens eine Sorge nennen). Bei den befragten Kindern und Jugendlichen, die mindestens eine Sorge nennen, bezieht sich die größte Sorge auf das Verhalten anderer Heranwachsender; meist explizit mit dem Begriff „Mobbing“ benannt (34 %). Außerdem zeigen sich Unterschiede in den Sorgen der Eltern von Mädchen und Jungen: Die Sorge im Hinblick auf Kontakte mit Unbekannten im Internet ist bei Eltern von Mädchen deutlich höher (48 %) als bei denen von Jungen (11 %). Die zeitliche Onlinenutzung hingegen bereitet Eltern von Jungen mehr Sorgen als Eltern von Mädchen (je 28 % und 8 %). 45 Prozent der Heranwachsenden wurden selbst schon einmal online belästigt, doch nur 26 Prozent schätzen dies auch als Risiko bei Gleichaltrigen ein. Im Vergleich zu 2017 geben weniger Kinder und Jugendliche an, dass sie wissen, an wen sie sich bei negativen Erfahrungen im Internet wenden können. Der Wert ist von 79 auf 60 Prozent gesunken.Für die Studie wurde die Befragung zum Jugendmedienschutzindex 2017 wiederholt. Die Studie lief im Auftrag der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM e. V.), durchgeführt vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und dem Leibnitz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI). Im Frühjahr 2022 wurden 805 Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 16 Jahren und je ein Elternteil befragt, der sich für die Onlinenutzung des Kindes zuständig fühlt.
www.jugendmedienschutzindex.de
- Lisa Melzer: ARD/ZDF–Onlinestudie 2022
Lisa Melzer: ARD/ZDF–Onlinestudie 2022
95 Prozent der Gesamtbevölkerung nutzen inzwischen das Internet, 80 Prozent sogar täglich. Annähernd alle 14- bis 29-Jährigen sind täglich online, bei den Über-70-Jährigen sind es erstmals mehr als die Hälfte (51 %). Zu diesen und
weiteren Ergebnissen kommt die ARD/ZDF-Onlinestudie 2022.Durch den erheblichen Zuwachs bei der Internetnutzung liegt es nahe, dass auch die Nutzungsintensität entsprechend gestiegen ist. So zeigt sich, dass Medieninhalte oder Streams im Internet mit durchschnittlich 160 Minuten pro Tag intensiver genutzt werden (+ 24 Minuten). Über die Altersgruppen hinweg liegt die Online-Bewegtbildnutzung (inklusive YouTube, Mediatheken und Streamingdiensten) besonders weit vorn: 51 Prozent der Bevölkerung nutzen mindestens monatlich ein entsprechendes Angebot (+ 15 %). Der Konsum von Audio- (42 %) oder Textinhalten (45 %) lag 2022 etwa gleich auf, mit einer Steigerung zum Vorjahr (+ 10 %).
Neue Entwicklungen lassen sich mit Blick auf die Nutzung Sozialer Medien feststellen. Hier wuchs die Zahl derjenigen, die mindestens wöchentlich Soziale Netzwerke nutzen, von 47 auf 50 Prozent. Bei mindestens wöchentlicher Nutzung liegt Facebook (35 %) vor Instagram (31 %), mit Abstand folgen TikTok (14 %) und Snapchat (13 %). Mit Blick auf Messenger-Dienste wird Whatsapp weiterhin altersgruppenübergreifend am meisten genutzt (68 %), Telegram und Signal können einen leichten Zuwachs von drei auf fünf Prozent verzeichnen.
Überraschende Ergebnisse liefert die Studie im Hinblick auf die Frage, wie verbreitet digitale Auszeiten bei den Befragten sind. So geben 15 Prozent an, die Nutzung ihrer digitalen Geräte oder Medien regelmäßig einzuschränken,
17 Prozent haben es immerhin schon mehrmals ausprobiert. Vor allem bei den Unter-30-Jährigen ist die digitale Auszeit verbreitet: Zwei Drittel haben bisher mindestens einmal ihre Medienzeit bewusst eingeschränkt.Die Grundlagenstudie wurde im Auftrag der ARD/ZDF-Forschungskommission durchgeführt und bildet jährlich die Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland ab. Im Jahr 2022 wurden 1.500 repräsentativ ausgewählte deutschsprachige Personen ab 14 Jahren telefonisch sowie über ein Onlinepanel befragt.
www.ard-zdf-onlinestudie.de
- Kati Struckmeyer: Kinderrechtliche Potenziale der Digitalisierung
Kati Struckmeyer: Kinderrechtliche Potenziale der Digitalisierung
Wenn es um die Risiken der Mediennutzung Heranwachsender geht, wird in Diskussionen oft einseitig eine Schutzperspektive eingenommen. Zu wenig benannt und diskutiert werden die Bedeutung digitaler Technologien für Chancengerechtigkeit, (Demokratie-)Bildung, Mitbestimmung, Inklusion, Zugehörigkeit und Wohlbefinden, sowie für die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und die Stärkung von Resilienz. Das Deutsche Kinderhilfswerk (DHKW) hat daher im Februar ein Positionspapier veröffentlicht, das auf den Fachbeiträgen des Online-Dossiers ‚Teilhaben! Kinderrechtliche Potenziale der Digitalisierung‘ basiert.
Im Papier wird in elf Handlungsempfehlungen beschrieben, welche Potenziale durch das digitale Umfeld für die Umsetzung von Kinderrechten entstehen und welche Maßnahmen notwendig sind, damit diese umgesetzt werden können. Zuerst wird geklärt, was (digitale) Teilhabe von Kindern und Jugendlichen überhaupt ist. In den folgenden Handlungsempfehlungen geht es zum Beispiel um die partizipative Weiterentwicklung der digitalen Medien- und Spielelandschaft, um Meinungsäußerung im digitalen Umfeld, Kinder- und Jugendmedienschutz sowie inklusive Zu-gänge und altersgerechte Teilhabeoptionen. Die Empfehlungen sollen – analog zum Dossier – laufend erweitert und überarbeitet werden.
thema
- Daniela Cornelia Stix/Susanne Eggert: Editorial: Wo guter Rat nicht teuer ist
Daniela Cornelia Stix/Susanne Eggert: Editorial: Wo guter Rat nicht teuer ist
Menschen suchen in der Regel Rat, wenn sie in einer herausfordernden Situation oder Problemlage selbst keine geeigneten Lösungsmöglichkeiten sehen:
„Also betrifft das Überlegen die Dinge, die zumeist begegnen, die ungewiss sind, wie sie herauskommen, und bei denen unbestimmt ist, wie man handeln soll. Bei den großen Sachen nehmen wir Berater dazu, da wir uns selbst misstrauen und uns nicht für fähig halten, allein zu entscheiden.“ (Aristoteles, Eth. Nic 1112b, zit. n. DBSH 2002, S. 6)
Die hinzugezogenen Berater*innen sind dabei in ihrer Form so alt wie vielfältig. Neben der besten Freundin und dem guten Nachbarn im Privaten gibt es spezifische sozialprofessionelle und therapeutische Angebote. Auch die Medien bieten zahlreiche Möglichkeiten, sich in herausfordernden Situationen Rat einzuholen. Ratgeberliteratur, Rollenvorbilder in Serien und YouTube-Tutorials stellen hier unzählige massenmediale Angebotsformen dar. Nicht zuletzt werden (Massen-)Medien genutzt, um den Zugang zu individueller Beratung zu erleichtern. Insofern erscheint es konsequent, in dieser Ausgabe die Chancen von Social Media und Messengern für die Beratung aufzugreifen. Doch zuvor soll das Spektrum von (medialen) Ratgebern und Beratung differenziert werden.
Der Rat aus den Massenmedien
Der sicherlich bekannteste mediale Ratgeber ist das 1788 erschienene Buch Über den Umgang mit Menschen von Adolph Knigge. Wenngleich Knigge damals eine eher soziologische Aufklärungsschrift im Sinn hatte (Quelle Wikipedia), gilt uns das Buch heute vor allem als Benimm-Ratgeber. Das erste explizite Ratgeberbuch veröffentlichte der Schotte Samuel Smiles 1859. Mit seinem Titel Self-Help brachte er einen bis heute andauernden Prozess der boomenden Ratgeberliteratur ins Rollen, der sich unter anderem darin zeigt, dass der Spiegel eine eigene Bestsellerliste für die Kategorie ‚Ratgeber Leben & Gesundheit‘ führt. Die aktuell größte Bekanntheit dürften die Aufräum-Ratgeber von Marie Kondō erlangt haben. Wem Bücher zu teuer und zu dick sind, die*der findet auch in Zeitschriften Rat. Ein Beispiel zum Thema Gesundheit und Sexualität ist Dr. Sommer aus der Jugendzeitschrift BRAVO.
Der Zeitschriftenmarkt ist thematisch breit gestreut und wenngleich die Zeitschriften nicht als Ratgeber per se gelten, bieten doch die meisten ihren Leser*innen eine gewisse Orientierung und umfassen darüber hinaus in der Regel eine Kategorie, in der Fragen der Leser*innen beantwortet werden. Rat findet sich also nicht nur in Medien, die als solche deklariert sind. Ein weiteres Beispiel dafür sind Filme und Serien. Viele Menschen nehmen Schauspieler*innen bzw. von ihnen verkörperte Rollen als Vorbilder für bestimmte Lebenssituationen. Vorausgesetzt, dass diese lebensnah sind und ein diverses Rollenangebot umfassen. In der Serie GZSZ beispielsweise sind immer wieder queere Handlungsstränge integriert und im Sommer 2020 konnten die Zuschauer*innen den Outing-Prozess von Moritz Bode erleben. Jay Shetty formuliert dies sehr treffend: „So we’re often thrown into relationships with nothing but romantic movies and pop culture to help us muddle through“. Shatty ist der Autor des Ratgebers 8 Rules of Love, mit dem er im Jahr 2023 auf World Tour ist. Den Zuschauer*innen verspricht er im Rahmen seiner Show „a journey of finding, keeping, and even letting go of love. Including live meditations, experiments, and demonstrations“. Hier bekommt das Ratgeben also nochmal eine ganz neue interaktive massenmediale Form. Wer es audiovisuell etwas passiver mag, schaut sich Videos auf Tiktok, Instagram oder YouTube an. Dass sowohl Marie Kondō als auch Dr. Sommer inzwischen im Internet vertreten sind, ist keine Frage. Nicht nur auf YouTube hat Marie Kondō mit @MarieKondoTV einen eigenen Kanal und wer „aufräumen + kondo“ bei YouTube eingibt, findet nahezu unendliche viele weitere Videos, in denen erklärt wird, warum Ordnung für die Psyche wichtig ist, wie man ausmistet und wie Dinge richtig verstaut werden. Dr. Sommer ist natürlich ebenfalls mit @DrSommerTV auf YouTube vertreten und beantwortet auf der Webseite www.bravo.de gesundheit in klassischer Manier ‚Spannende Sex-Fragen‘. Die Selbstbeschreibung lautet hier: „Das Team ist beratend tätig und unterstützt bei Themen wie Pubertät, sexuelle Identität, Beziehungen, physische und psychische Gesundheit, Liebe, Sexualität und Entwicklung. Dennoch ersetzt unsere Beratung nicht den Besuch bei Facharzt, Anwalt oder Psychologen [sic!]. Hast du eine Frage an unser Team? Schreib uns unter: drsommerteam@bravo-family.de“.
Hinter dem massenmedialen Rat stehen einerseits Lai*innen mit entsprechender Erfahrung oder solche, die sich ihr Wissen autodidaktisch angeeignet haben und dieses weitergeben wollen. Andererseits finden sich hier auch Professionelle, also Praktiker*innen, die ihre Praxiserfahrungen weitergeben wollen oder Wissenschaftler*innen, die ihre Erkenntnisse einer breiten Gruppe zukommen lassen wollen und daher auf populärwissenschaftlicher Ebene öffentlich agieren.
Individuelle Beratung
Individuelle Beratung kann ebenfalls als Lai*innen- oder professionelle Beratung stattfinden und bietet auf unterschiedlichen Ebenen der Kommunikation und mittels unterschiedlicher Techniken (z. B. zuhören, Verständnis zeigen, Perspektiven darlegen, Ratschläge erteilen, pragmatische Tipps geben, Sachverhalte erklären, Informationen bereitstellen, psychotherapeutisch intervenieren) Erkenntnispotenzial, Orientierungsangebot und Hilfestellung für die persönlichen Herausforderungen. Laut Nando Belardi haben jedoch gesellschaftliche Veränderungen sowie ansteigende Komplexität und Unsicherheit eine Zunahme des professionellen Beratungsbedarfs bewirkt (vgl. Belardi 2011, S. 41). Zugleich stellt Belardi eine „Therapeutisierung der Gesellschaft“ fest (ebd., S. 43), weshalb im Folgenden zunächst eine Abgrenzung von Lai*innen- und professioneller Beratung bedeutsam erscheint, bevor auf die Merkmale sozialprofessioneller Beratung eingegangen wird.
Individuelle Beratung in Form der Lai*innen-beratung findet nahezu überall in Gesprächen zwischen Freund*innen, Kolleg*innen oder Familienmitgliedern statt. Außerdem nehmen häufig Menschen in Dienstleistungsberufen wie Taxifahrer*innen, Friseur*innen, Physiotherapeut*innen oder Bartender*innen beratende Rollen für Menschen ein. Lai*innen-beratung ist somit eine alltägliche zwischenmenschliche und lebensweltlich eingebettete Kommunikationsform und umfasst das Erteilen von Ratschlägen, die Klärung von Problemen oder Anregungen zur Auflösung von Krisensituationen. Insbesondere in den zuvor genannten Dienstleistungsberufen erstreckt sich die Beratungshandlung meist nur auf Aspekte wie das Zuhören, Verständnis zeigen und Mut geben (ebd., S. 36). Die Beratenden können, müssen aber nicht, Erfahrung mit ähnlichen oder gleichen Problemlagen haben. Durch die Verbalisierung und den Austausch wer- den ein Problem oder eine herausfordernde Situation erhellt, die eigenen Ressourcen erkannt und möglicherweise neue Handlungsoptionen aufgedeckt. An ihre Grenzen kommt die Lai*innenberatung bei komplexen Situationen, denn die erteilten Handlungsvorschläge sind subjektiv und von den Sichtweisen und Interessen der Beratenden geprägt und nicht zwangsläufig zum Besten der Ratsuchenden. Mediale Formen der Lai*innenberatung finden beispielsweise in Internetforen und Chats statt. Hier treffen sich Gleichgesinnte, um miteinander Probleme oder Fragen zu erörtern. Unter Apfeltalk treffen sich beispielsweise Mac-Nutzer*innen und unter Ubuntuusers beraten und unterstützen sich Nutzer*innen des entsprechenden Linux-Betriebssystems. Durch Nachrichtenmeldungen haben einige spezifische Foren wie Suizid- oder Abnehm-Foren traurige Bekanntheit erlangt. In diesen Foren haben sich die Teilnehmer*innen gegenseitig hinsichtlich der effizientesten Selbstmord- oder Abnehmmethoden beraten.
Die professionelle individuelle Beratung muss in die psychotherapeutische und die sozialprofessionelle Beratung unterteilt werden. Im psychotherapeutischen Setting kann statt von Beratung auch von einer (Heil-)Behandlung ge- sprochen werden. Sie findet in psychotherapeutischen Praxen oder Kliniken statt. Die Ratsuchenden sind dementsprechend Patient*innen und die Beratenden sind ausgebildete psychologische oder medizinische Psychotherapeut*innen oder Kinder- und Jugendpsychotherapeut*innen. Der Zugang für die Patient*innen ist relativ hochschwellig und erfolgt über Ärzt*innen, Beratungsstellen oder durch eigenes Bemühen um einen Therapieplatz. Abhängig vom Vorliegen eines ärztlichen Gutachtens erfolgt die Finanzierung über Krankenkassen. Die Behandlung umfasst meist einen längeren, vielfach Jahre dauernden Zeitraum. Während in der Sozialen Arbeit auch Kontakte zu anderen Einrichtungen hergestellt und gegebenenfalls verschiedene Maßnahmen koordiniert werden, ist der*die Psychotherapeut*in die einzige professionell mit der*dem Patient*in arbeitende Person und die Form der Hilfeleistung besteht ausschließlich im Gespräch.
Hier soll es um die sozialprofessionelle Beratung im Kontext Sozialer Arbeit gehen. Sie stützt sich auf fundiertes fachliches Wissen, auf spezifische Theorien sowie auf Methoden der Kommunikation und Interaktion. Damit zielt sie auf einen aktiven Verständigungsprozess, der sich durch Nachfragen auszeichnet und oberflächliche Interpretationen und eine vorschnelle subjektive Sicht auf die Situation vermeidet (vgl. DBSH 2002, S. 6). Die sozialprofessionelle Beratung ist folglich gekennzeichnet „durch ihre systematische, kontrollierte Erkenntnisgewinnung und ein erlerntes, strukturiertes Vorgehen“ (Straumann 2001, S. 81). Der Umgang mit den vielfältigen Beratungsinhalten und -situationen setzt bei den Sozialarbeiter*innen folglich eine hohe fachliche Kompetenz sowie professionelle Flexibilität voraus, denn jede Beratungssituation erfordert die gleiche professionelle und sowohl in die Breite als auch in die Tiefe gehende Vorgehensweise, um den in der Regel komplexen Gegenstandsbereich adäquat im Sinne einer „ganzheitlichen Hilfe“ (DBSH 2002, S. 5) zu erfassen. Das Ziel sozialprofessioneller Beratung ist „eine situationsadäquate, kommunikativ vermittelte und vereinbarte Unterstützungshandlung zur Verbesserung der Einsichts-, Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit von Einzelnen, Gruppen und Institutionen“ (vgl. DBSH 2002, S. 3). Die sozialprofessionelle Beratung umfasst mit der Leistungsberatung, der organisatorischen Beratung und der sozialpädagogischen Fallberatung, drei Beratungsformen. Die Leistungsberatung wird meist von Verwaltungsfachangestellten oder Sozialfachwirt*innen ausgeübt und umfasst vorwiegend das Informieren, das Auskunft geben sowie gegebenenfalls eine Wegweiserfunktion. Bei der organisatorischen Beratung handelt es sich genau genommen nicht um individuelle Beratung, sondern tendenziell eher um gruppenbezogene Beratungsgespräche, wie sie bei der Supervision, in Teamsitzungen, in Gremien, bei Hilfeplankonferenzen oder in Stadtteilkonferenzen. stattfinden. Unter sozialpädagogischer Beratung wird die fallspezifische Beratung verstanden, bei welcher sich Einzelne oder mehrere mit einem sozialpädagogischen Anliegen an die Sozialarbeiter*innen wenden. Sozialpädagogische Beratung sollte laut Belardi „den Betroffenen helfen, unerwünschte, aber eigentlich normale und manchmal sogar notwendige Probleme menschlicher Existenz zu meistern“ (Belardi 2011, S. 39). Häufig findet eine Beratung auf zwei Ebenen statt: Zum einen auf der Ebene, in der es um die Bearbeitung und Bewältigung einer akuten Aufgabe oder herausfordernden Situation geht. Zum anderen soll die*der Rat-suchende auf der zweiten, der pädagogischen Ebene befähigt werden, zukünftige herausfordernde Situationen weitgehend selbst lösen zu können. Daher bewegen sich Sozialarbeiter*innen bei der sozialpädagogischen Beratung auf einem Grat zwischen ‚systematische Lösung/Entscheidung vorgeben‘ und ‚Lösung selbst finden‘ bzw. ‚Entscheidung selbst treffen‘ lassen. Bei der Lösungs- und Entscheidungsfindung gilt es zu unterstützen, indem Handlungsalternativen aufgezeigt, Wissen vermittelt, Orientierung gegeben und Alternativen aufgezeigt werden. Unterstützung ist auch wichtig, wenn es darum geht, die Ursachen und Hintergründe zu erforschen und einzuordnen. Belardi weist dabei mit Nachdruck darauf hin, dass grundsätzlich eine Defizitorientierung zu vermeiden ist: „Die Ratsuchenden haben bis jetzt ihr Leben ohne fremde Hilfe gemeistert. Diese Fähigkeiten heißt es zu verstärken und nicht erst einmal in Frage zu stellen.“ (Belardi 2011, S. 45).
Im Vordergrund sollten daher die Eigenbemühungen, Kompetenzen und Ressourcen der*des Ratsuchenden stehen, die unterstützt, gefördert und erweitert werden können, indem kleine realisierbare Teilschritte gemeinsam mit dem*der Ratsuchenden erarbeitet werden (vgl. Belardi 2011, S. 45) oder Informationen gegeben und Kontakt zu anderen Hilfestellen vermittelt werden. Basis sind in jeder Hinsicht eine kooperative und vertrauensvolle Beziehung und ein offenes Gespräch, das die*den Ratsuchenden zu einer bewussten Wahrnehmung der Situation bringt und die dazu führt, dass er*sie seine*ihre Verhaltensmuster, Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken, Einstellungen verändert. Die sozialpädagogische Beratung zeichnet sich dadurch aus, dass sie viele unterschiedliche und sich ergänzende Aspekte umfasst und keinen ausschließenden Charakter hat, sich also inhaltlich nicht nur auf einen Aspekt konzentriert (vgl. Belardi 2011, S. 34). Mediengestützte sozialprofessionelle Beratung im Allgemeinen und sozialpädagogische Beratung im Speziellen hat durch Corona neue Aufmerksamkeit erlangt. Beratungsangebote wie das Krisentelefon und die Telefonseelsorge sowie seit den 1990er-Jahren die Onlineberatung, die in der Regel per Chat oder E-Mail erfolgt, waren und sind stark nachgefragt. Um den Zugang zu Beratungsangeboten niedrigschwellig zu halten, werden zunehmend auch Social Media und Messenger in die sozialprofessionelle Beratung eingebunden. Dass das Wissen aus dem Feld der Telefon- und Onlineberatung aber nur bedingt auf die Nutzung von Social Media in der Beratung übertragen werden kann, zeigen die Beiträge des Themenschwerpunkts dieser Ausgabe.
Nichtmenschliche AI-Based Beratung
In aller Munde ist derzeit die auf künstlicher Intelligenz basierende Software ChatGPT (siehe Wütscher 2023 in dieser Ausgabe, S. 5) des US-Unternehmens OpenAI. Ein der Software implizierter Chatbot erzeugt in kürzester Zeit Texte unterschiedlicher Textsorten (u. a. Text- zusammenfassungen, Dankschreiben, Reden, Bewerbungen, Seminararbeiten, Projektkonzepte). Darüber hinaus soll ChatGPT in der Lage sein, nahezu menschliche Antworten auf Fragen aller Art zu verfassen und komplexe Sachverhalte einfach zu erklären. Allerdings zeigte der erste Test (eine Zusam-menfassung eines von mir selbstverfassten Buches zu erstellen) noch deutliche Schwächen. Es scheint plausibel, dass diese darin begründet liegen, dass der Inhalt des Buchs zwecks Analyse zunächst ins Englische übersetzt und dann für die Antwort/Zusammenfassung rückübersetzt wurde, weshalb beispielsweise statt des in sozialarbeiterischen Kontexten gebräuchlichen Begriffs „Einrichtungen“ nun „Unternehmen“ genutzt wird. Ein zweiter und dritter eigens für dieses Editorial gemachter Versuch, löste zunächst eine Warnmeldung aus. Die Antwort auf die Aussage, „mein Freund hat Schluss gemacht“, umfasste vier Sätze, die einem bestimmten Schema folgten: (1) verstehendes Verständnis inklusive Zusammenfassung der Anfrage, (2) Empathiebekundung, (3) Ratschlag, (4) Verabschiedung. Die ChatGPT-Antwort auf meine dritte Anfrage stellt sich ähnlich dar (siehe Abb.). Dass der Chatbot damit an seine Grenzen stößt bzw. die dahinterstehenden Verantwortlichen damit bewusst möglichen Schadenspflichtansprüchen vorbeugen wollen, ist nachvollziehbar. Positiv ist dennoch, dass ChatGPT den Ratsuchenden zunächst durch die Empathiebekundungen das Gefühl vermittelt, wahr-und ernstgenommen zu werden. Und es stellt sich die Frage, ob dies Sozialprofessionellen in ihrem stressigen Alltag auch immer so gut gelingt ... Im Hinblick auf die technologischen Entwicklungen daher als Schlusssatz ein altes Sprichwort leicht abgewandelt: „Kommt Zeit, kommen neue Beratungsformen.“
Die Themenbeiträge
Die Nutzung von Messengern ist vermutlich für die meisten Leser*innen ein alltägliches Phänomen und Teil ihrer medialen Alltagspraktiken, insofern eröffnet Petra Riesau, die sich in ihrem Beitrag mit den Besonderheiten und Herausforderungen der Messengerberatung beschäftigt, einen alltagsnahen Einstieg in das Thema. Anschließend analysiert Marc Witzel in Form einer theoretischen Annäherung Social Media als Räume für Beratung. Im Fokus steht die Gestaltung digitaler sozialpädagogischer Orte als professionelle Herausforderung. Wie sich das konkret in der Praxis gestaltet, beschreibt Julian Erdmann am Beispiel der Digital Streetwork. Wobei er den Blick auf die Grenzen/-losigkeit und die damit einhergehenden Entgrenzungen lenkt. Nachdem mit den ersten Beiträgen die besonderen Rahmenbedingungen für Beratungssettings mit Social Media beleuchtet werden, gehen die beiden folgenden Beiträge auf die Perspektiven der am Beratungsprozess direkt involvierten Personen ein: Laura Best hat die Akzeptanz der Videoberatung aus der Kli-ent*innen-Perspektive untersucht und stellt ihre Erkenntnisse zusammengefasst vor. Inse Böhmig und Jessica Ranitzsch beschreiben, warum es eine Kunst ist, digitale*r Berater*in zu sein und welche Fähigkeiten und Kompetenzen es dazu braucht. Den Abschluss der Themenbeiträge bildet ein Interview mit Warc Weinhardt, in dem er die zukünftigen Möglichkeiten und Perspektiven der (digitalen) Beratung diskutiert.
Abgerundet wird das Thema durch die Vorstellung des Instituts für E-Beratung an der TH Nürnberg und ein themenorientiertes Glossar. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und hoffen, mit dem Themenschwerpunkt einige Denkanstöße liefern zu können.
Literatur
Belardi, Nando (2011). Beratung. Eine sozialpädagogische Einführung. Weinheim/München: Beltz Juventa.
Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e. V. (DBSH) (2002). Qualitätsbeschreibung Sozialprofessionelle Beratung. Berlin. www.dbsh.de/media/dbsh-www/downloads [Zugriff: 15.03.2023]
Straumann, Ursula (2001). Professionelle Beratung: Bausteine zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. Kröning: Asanger.
1Der Beitrag bezieht sich auf die Publikation: Stix, Daniela C. (2021). Praxishandbuch. Beraten mit Social Media.
Digitale Soziale Arbeit mit Jugendlichen. Weinheim: Beltz Juventa.Beitrag aus Heft »2023/02: Social Media in der Beratung«
Autor: Daniela Cornelia Stix, Susanne Eggert
Beitrag als PDF - Petra Risau: Messenger – das Beratungsformat der Zukunft? Besonderheiten und Herausforderungen
Petra Risau: Messenger – das Beratungsformat der Zukunft? Besonderheiten und Herausforderungen
Durch die Digitalisierung haben sich die Kommunikationskanäle in den letzten Jahren zunehmend ausdifferenziert. Dabei hat sich die Nutzung von Messengerdiensten im Alltag zu einer der beliebtesten Kommunikationsformen entwickelt und damit auch ihren Einzug in die Beratung gefunden. Doch was macht den Messenger so besonders, für wen ist dieser geeignet und was sollten Beratungsfachkräfte beim Einsatz berücksichtigen?
Literatur
Beißwenger, Michael (2020). Internetbasierte Kommunikation als Textformen-basierte Interaktion: ein neuer Vorschlag zu einem alten Problem. In: Marx, Konstanze/Lobin, Henning/Schmidt, Axel (Hrsg.), Deutsch in Sozialen Medien. Interaktiv – multimodal – vielfältig. Berlin/München/Boston: de Gruyter,
S. 291–318. DOI: 10.1515/9783110679885-015 [Zugriff: 07.01.2023].Engelhardt, Emily M. Engelhardt/Piekorz, Katharina (2022): Einführung in die Onlineberatung per Messenger. In: e-Beratungsjournal. Zeitschrift für Onlineberatung & computervermittelte Kommunikation, 18 (1), S. 18–33. DOI: 10.48341/3xv3-8186.
Engels, Sylvia/Risau, Petra (im Erscheinen): Wie mit Messenger beraten? Ein Überblick über Rahmenbedingungen für Interventionen in der Messengerberatung.
Gahleitner, Sike, Brigitta/Preschl, Bettina (2016). Professionelle Beziehungsgestaltung über das Internet: Geht denn das überhaupt? Überlegungen zu einem methodenübergreifenden Wirkfaktor. In: Resonanzen – E-Journal für biopsychosoziale Dialoge in Psychosomatischer Medizin, Psychotherapie, Supervision und Beratung, 4 (2), S. 108–129.
Hintenberger, Gerhard (2021). „Kannst du hören, was ich geschrieben habe?“ Interaktionsorientiertes Schreiben als Intervention in der Onlineberatung. Präsentation des Vortrags beim 15. Fachforum Onlineberatung am 20.09.2021. fachforum-onlineberatung.de [Zugriff: 18.02.2023]
Knatz, Birgit/Schumacher, Stefan (2019). Mediale Dialogkompetenz: Umgang mit schwierigen Gesprächssituationen am Telefon und im Chat. Wiesbaden: Springer VS.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2022). JIM 2022. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart. www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2022/JIM_2022_Web_final.pdf [Zugriff: 09.01.2023]
Stix, Daniela Cornelia (2021). Praxishandbuch Beraten mit Social Media. Digitale Soziale Arbeit mit Jugendlichen. Weinheim/Basel: Beltz.
- Sarah Lorenz: Glossar
Sarah Lorenz: Glossar
BLENDED COUNSELING Das Blended Counseling beschreibt eine hybride Beratungsform von Online- und Offline-Angeboten (Stix 2022, S. 23). Vereinfacht gesagt, wird die digitale Beratung mit der klassischen Face-To-Face-Beratung verknüpft bzw. kombiniert.
DIGITALE BERATUNG Die digitale Beratung – häufig auch als Online-Beratung oder Internetberatung betitelt – bezeichnet die interaktive, internetbasierte psychosoziale Beratung zwischen einem*r Ratsuchenden und dem*r Online-Berater*in. Das heißt, die Beratung geschieht online. Zentrales Medium ist das Internet (Gehrmann 2014, S. 66). Erfolgen kann dies mithilfe verschiedener digitaler Tools, wie zum Beispiel per E-Mail, Chat oder über Foren.
DIGITALE TRANSFORMATION Die digitale Transformation beschreibt den technologischen Wandel (Beranek/Hammerschmidt et al. 2018, S. 9). Vereinfacht gesagt, bezeichnet es den Prozess des Einzugs digitaler Medien in den Alltag von Menschen, der nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche beeinflusst bzw. tangiert.
DIGITALES BERATUNGSSETTING Unter dem digitalen Beratungssetting werden allgemein die Rahmenmerkmale der Umgebung, Atmosphäre und ‚Räumlichkeit‘, in der die digitale Beratung stattfindet, verstanden.
FACE-TO-FACE-BERATUNG Unter der Face-to-Face-Beratung wird die klassische Methode der psychosozialen Beratung in Präsenz, das heißt, in direkter Interaktion vor Ort auch ‚Angesicht-zu-Angesicht‘ (Stix 2022, S. 23), verstanden. Sie bezeichnet allgemein eine soziale Interaktion zwischen einem*r ratsuchenden Klient*in und Berater*in, die gekennzeichnet ist durch Freiwilligkeit, zeitliche Begrenztheit und Situativität. Ziel dabei ist die Vermittlung von Wissen, Orientierung und Lösungskompetenz, sowie das gemeinsame Erarbeiten von Fertigkeiten, um letztlich aktuelle Probleme und Fragen zu bewältigen (vgl. Brem-Gräser 1993, S. 15)
IMMERSION bezeichnet das Eintauchen in und Erleben von einer virtuellen Realität (VR). Das heißt, der Fokus ist voll und ganz auf die VR gerichtet, wobei die eigene Person und die reale Umgebung ‚verloren gehen‘. Für die Beratung und Begleitung von Klient*innen in der Sozialen Arbeit kann die Herstellung einer immersiven Umgebung von potenziellem Mehrwert sein, da der Fokus nicht nur auf das Medium der virtuellen Realität gelenkt wird. Vielmehr können komplexe Wirkungszusammenhänge und Prozesse verstanden werden. Es geht also auch darum, was mit und in der virtuellen Realität gemacht wird bzw. welcher zusätzliche sinn- und gewinnbringende Beitrag entsteht.
REPLIKA, WYSA, DEPREXIS Die vollmediale, algorithmische Beratung, welche ohne menschliche Fachkraft und mithilfe von (Gesundheits-)Apps durchgeführt wird, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Replika, Wysa und Deprexis sind erste Beispiele, die bereits in der Praxis eingesetzt werden.
VIDEOBERATUNG ist eine Form der digitalen Beratung. Die Kommunikation zwischen räumlich getrennte*r Berater*in und Ratsuchenden findet dabei synchron über ein Videoübertragungssystem statt, welches bei Bedarf um textbasierte Kommunikation ergänzt werden kann (Engelhardt/Gerner 2017)
VIRTUAL-REALITY-/AUGMENTED-REALITY-TECHNOLOGIEN (VR/AR) Mithilfe von VR-Technologien wird versucht, eine virtuelle Welt zu kreieren, die möglichst echt und intensiv erlebt wird. Häufig werden dafür spezielle Brillen und Helme mit Displays eingesetzt (Stix 2022, S. 154). Die AR-Technologie wird oftmals für die Erweiterung der Realität genutzt, das heißt, Gegenstände werden lebensecht eingeblendet. Besonders VR-Technologien weisen ein großes Potenzial für Beratung und Begleitung von Klient*innen der Sozialen Arbeit auf.
Literatur
Beranek, Angelika/Hammerschmidt, Peter/Hill, Burkhard/Sagebiel, Juliane (2018). Einführung: Big Data, Facebook, Twitter & Co. Soziale Arbeit und digitale Transformation. In: Hammerschmidt, Peter/Sagebiel, Juliane/Hill, Burkhard/Beranek, Angelika (Hrsg.), Big Data, Facebook, Twitter & Co. und Soziale Arbeit. Weinheim/Basel: Beltz, S. 9–32.
Brem-Gräser, Luitgard (1993). Handbuch der Beratung für helfende Berufe. München/Basel: Ernst Reinhardt.
Engelhardt, Emily M./Gerner, Verena (2017). Einführung in die Onlineberatung per Video. In: e-beratungsjournal.net – Fachzeitschrift für Onlineberatung und computervermittelte Kommunikation, 13 (1), S. 18–29.
Gehrmann, Hans-Joachim (2014). Onlineberatung – zwischen Wachstum und Ernüchterung. In: Bauer, Petra/Weinhardt, Marc (Hrsg.), Perspektiven sozialpädagogischer Beratung. Empirische Befunde und aktuelle Entwicklungen. Weinheim/Basel: Beltz, S. 65–81.
Stix, Daniela Cornelia (2022). Praxishandbuch Beraten mit Social Media. Digitale Soziale Arbeit mit Jugendlichen. Weinheim/Basel: Beltz.
- Marc Witzel: Die Gestaltung sozialpädagogischer Orte im virtuellen Raum. Fragen aus einer sozialpädagogischen Perspektive
Marc Witzel: Die Gestaltung sozialpädagogischer Orte im virtuellen Raum. Fragen aus einer sozialpädagogischen Perspektive
Sozialpädagogische Orte stellen eine spezifische Art dar, den Raumbezug Sozialer Arbeit zu denken. Sie weisen über die materielle Dimension von lokalen Orten hinaus und sind anschlussfähig an Konzepte des relationalen Raums. In diesem Beitrag frage ich nach den spezifischen Gestaltungsaspekten, die für die Gestaltung digitaler sozialpädagogischer Orte im Allgemeinen und für die Beratung im Besonderen bedeutsam sind.
Literatur
Beranek, Angelika (2018). Zwischen Algorithmen und Wertediskurs. In: Beranek, Angelika/Hammerschmidt, Peter/Sagebiel,Juliane/Hill, Burkhard (Hrsg.), Big Data, Facebook, Twitter & Co. und Soziale Arbeit. Weinheim/Basel: Beltz, S. 155–177.
Boyd, Danah (2011). White Flight in Networked Publics: How Race and Class Shaped American Teen Engagement with MySpace and Facebook. In: Nakamura, Lisa/Chow-White, Peter A. (Hrsg.), Race after the Internet. New York: Routledge, S. 203–222.
Klein, Alexandra (2007). Soziales Kapital Online: Soziale Unterstützung im Internet. Eine Rekonstruktion virtualisierter Formen sozialer Ungleichheit. Dissertation. Bielefeld: Universität Bielefeld.
Löw, Martina (2020). In welchen Räumen leben wir? Eine raumsoziologisch und kommunikativ konstruktivistische Bestimmung der Raumfiguren Territorialraum, Bahnenraum, Netzwerkraum und Ort. In: Reichertz, Jo (Hrsg.), Grenzen der Kommunikation – Kommunikation an den Grenzen. Weilerswist: Velbrück, S. 149–164.
Löw, Martina/Sturm, Gabriele (2019). Raumsoziologie: Eine disziplinäre Positionierung zum Sozialraum (Sozialraumforschung und Sozialraumarbeit). In: Kessl, Fabian/Reutlinger, Christian (Hrsg.), Handbuch Sozialraum. Wiesbaden: Springer VS, S. 3–21.
Sander, Tobias (2014). Soziale Ungleichheit und Habitus als Bezugsgrößen professionellen Handelns: Berufliches Wissen, Inszenierung und Rezeption von Professionalität. In: Sander, Tobias (Hrsg.), Habitussensibilität. Wiesbaden: Springer VS, S. 9–36.
Stix, Daniela Cornelia (2021). Praxishandbuch Beraten mit Social Media. Digitale Soziale Arbeit mit Jugendlichen. Weinheim/Basel: Beltz.
Tillmann, Angela (2010). Medienwelt (Lehrbuch). In: Reutlinger, Christian/Fritsche, Caroline/Lingg, Eva (Hrsg.), Raumwissenschaftliche Basics. Wiesbaden: VS-Verlag, S. 149–157.
Unger, Alexander (2010). Virtuelle Räume und die Hybridisierung der Alltagswelt. In: Grell, Petra/Marotzki, Winfried/Schelhowe, Heidi (Hrsg.), Neue digitale Kultur- und Bildungsräume. Wiesbaden: Springer VS, S. 99–117.
Winkler, Michael (1988). Eine Theorie der Sozialpädagogik. Stuttgart: Klett.
Winkler, Michael (2013). Kritische Soziale Arbeit – Anmerkungen zu Möglichkeiten und Grenzen einer Idee. In: Hünersdorf, Bettina/Hartmann, Jutta (Hrsg.), Was ist und wozu betreiben wir Kritik in der Sozialen Arbeit? Wiesbaden: Springer VS, S. 145–164.
Zillien, Nicole (2009). Digitale Ungleichheit: Neue Technologien und alte Ungleichheiten in der Informations- und Wissensgesellschaft. Wiesbaden: Springer VS.
- Julian Erdmann: Digital Streetwork: Grenzenlose Jugend(Sozial-)Arbeit im grenzenlosen Raum des Internets?
Julian Erdmann: Digital Streetwork: Grenzenlose Jugend(Sozial-)Arbeit im grenzenlosen Raum des Internets?
Im Rahmen von Digital Streetwork werden Jugendliche und junge Erwachsene auf verschiedenen Online-Plattformen aufgesucht, beraten und begleitet. Die Fachkräfte, die in diesem Arbeitsfeld tätig sind, bewegen sich bei ihrer Arbeit innerhalb von drei zentralen Spannungsfeldern. Dabei werden Ansätze zur Bearbeitung der damit verbundenen neuartigen Herausforderungen deutlich.
Literatur
Bollig, Christiane/Keppeler Sigi (2015). Virtuell-aufsuchende Arbeit in der Jugendsozialarbeit. In: Kutscher, Nadia et al. (Hrsg.), Mediatisierung (in) der Sozialen Arbeit. Baltmannsweiler: Schneider, S. 93–114.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)/Bundesministerium für Gesundheit (BGM) (2021). Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“. Berlin. www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/IMA_Kindergesundheit_Abschlussbericht_BMG-BMFSFJ.pdf [Zugriff: 20.01.2023]
Diebäcker, Marc (2020). Städtewachstum und Gentrifizierung: Die Verräumlichung sozialer Ungleichheit und die Transformation öffentlicher Räume. In: Diebäcker, Marc/Wild, Gabriele (Hrsg.), Streetwork und Aufsuchende Soziale Arbeit im öffentlichen Raum. Wiesbaden: Springer VS, S. 23–38.
Dinar, Christina/Heyken, Cornelia (2017). Digital Streetwork. Pädagogische Interventionen im Web 2.0. Berlin. www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/digital_streetwork_web.pdf [Zugriff: 20.01.2023]
Erdmann, Julian/Brüggen, Niels (2023). Digital Streetwork. Bericht der wissenschaftlichen Begleitung des Modellprojekts in Bayern im Jahr 2022. München: JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. www.jff.de/veroeffentlichungen/detail/digital-streetwork-bericht-der-wissenschaftlichen-begleitung [Zugriff: 09.03.2023]
Hagemeier, André/Stuiber, Adrian (2020). Ein erweiterter Ansatz der aufsuchenden Jugendarbeit und Radikalisierungsprävention. Berlin. www.streetwork.online/_files/ugd/28792d_75efd1c027d24fb79ecbb21483f8a2c9.pdf [Zugriff: 20.01.2023]
Kato, Takahiro A./Tateno, Masaru/Shinfuku, Naotaka/Fujisawa, Daisuke/ Teo, Alan R./Sartorius, Norman/Akiyama, Tsuyoshi Ishida, Tetsuya/Choi, Tae Young/Singh Balhara, Yatan Pal/Matsumoto, Ryohei/Umene-Nakano, Wakako/Fujimura, Yota/ Wand, Anne/Chang, Jane Pei-Chen/Chang, Rita Yuan-Feng/Shadloo, Behrang/Ahmed, Helal Uddin/Lerthattasilp, Tiraya/Kanba, Shigenobu (Hrsg.) (2012). Does the ‘hikikomori’ syndrome of social withdrawal exist outside Japan? A preliminary international investigation. In: Soc Psychiatry Psychiatric Epidemiology, 47, S. 1061–1075. DOI: 10.1007/s00127-011-0411-7.
Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e. V. (Hrsg.) (2019). Digital.Total?! Handreichung. Zum Umgang mit Social Media in der Mobilen Jugendarbeit. Stuttgart. www.lag-mobil.de/wp-content/uploads/2020/01/digital.total_handreichung_2019l_online.pdf
[Zugriff: 20.01.2023]Lippke, Sonia/Keller, Franziska/Derksen, Christina/Kötting, Lukas/Ratz, Tiara/Fleig, Lena (2022). Einsam(er) seit der Coronapandemie: Wer ist besonders betroffen? – psychologische Befunde aus Deutschland. In: Prävention und Gesundheitsförderung, 17 (1), S. 84–95. DOI: 10.1007/
s11553-021-00837-w.Neuburg, Florian/Kühne, Stefan/Reicher, Fabian (2020). Soziale Netzwerke und Virtuelle Räume: Aufsuchendes Arbeiten zwischen analogen und digitalen Welten. In: Diebäcker, Marc/Wild, Gabriele (Hrsg.), Streetwork und Aufsuchende Soziale Arbeit im öffentlichen Raum. Wien: Springer VS, S. 167–184.
Stieler, Mara/Zauter, Sigrid (2022). Digital Streetwork. Aufsuchende Arbeit mit und in Sozialen Medien. In: Forum Sozialarbeit + Gesundheit, 4, S. 28–31.
Sturzenhecker, Benedikt/Deinet, Ulrich/Icking Maria (2022). Projekt Neustart der offenen Kinder- und Jugendarbeit in der Corona-Zeit. Köln. www.lvr.de/media/wwwlvrde/jugend/jugendfrderung/kinderundjugendarbeit/dokumente_70/Broschre_Jugendarbeit_in_Corona-Zeiten.pdf [Zugriff:
20.02.2023 - Laura Best: Videoberatung aus Klient*innen-Perspektive
Laura Best: Videoberatung aus Klient*innen-Perspektive
Neben vielen Vorteilen der Videoberatung als Format der Onlineberatung gibt es kritische Aspekte, die in der Entscheidung für oder gegen diese Beratungsform sowie in der konkreten Ausgestaltung der Beratung Beachtung finden sollten. Der Artikel stellt Herausforderungen und Vorteile der Videoberatung aus der Sicht der Inanspruchnehmenden anhand qualitativer Interviews vor.
Literatur
Benke, Karlheinz (2021). Praxishandbuch Digitale Beratung. Methoden, Interventionen und Standards der psychosozialen Beratung online. Karlheinz Benke.
Buschle, Christina/Meyer, Nikolaus (2020). Soziale Arbeit im Ausnahmezustand?! Professionstheoretische Forschungsnotizen zur Corona-Pandemie. In: Soziale Passagen 12, S. 155–170.
Emanuel, Markus/Weinhardt, Marc (2019). Professionalisierung von Fachkräften im Kontext von Digitalisierung. In: Rietmann, Stephan/Sawatzki, Maik/ Berg, Mathias (Hrsg.), Beratung und Digitalisierung. Zwischen Euphorie und Skepsis. Wiesbaden: Springer, S. 205–216.
Engelhardt, Emily M. (2018). Lehrbuch Onlineberatung. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.
Engelhardt, Emily M. (2021). Onlineberatung – Beratungskompetenzen in einer digitalen Welt. In: Erbring, Saskia/Fischer, Jörg (Hrsg.), Zukunft der Beratung. 5. Sonderband Sozialmagazin. Weinheim und Basel: Beltz Juventa, S. 165–174.
Engelhardt, Emily M./Engels, Sylvia (2021). Einführung in die Methoden der Videoberatung. In: E-Beratungsjournal, 17 (1), S. 9–27.
Engelhardt, Emily M./Gerner, Verena (2017). Einführung in die Onlineberatung per Video. In: E-Beratungsjournal, 13 (1), S. 18–29.
Kasten, Anne/Lampert, Andreas (2021). Blickpunkt Online-Beratung. Erwartungen, Themen und Zugänge aus der Sicht von Berater_innen. In: Erbring, Saskia/Fischer, Jörg (Hrsg.), Zukunft der Beratung. 5. Sonderband Sozialmagazin. Weinheim und Basel: Beltz Juventa, S. 175–186.
Knatz, Birgit/ Dodier, Bernard (2021). Mailen, chatten, zoomen. Digitale Beratungsformen in der Praxis. Stuttgard: Klett Cotta.
Römer, Cindy/Mundelsee, Lukas (2021). Einstellung gegenüber Online-Beratung. Eine Umfrage unter Berater:innen, Coaches und Therapeut:innen. In: Coaching Theorie und Praxis, 7(1), S. 173–184.
- Steckbrief: Institut für E-Beratung | Sigrid Zauter und Robert Lehmann
Steckbrief: Institut für E-Beratung | Sigrid Zauter und Robert Lehmann
Seit über zehn Jahren beforscht und entwickelt das Institut für E-Beratung die Onlineberatung zu Themen der psychosozialen, Bildungs- oder auch Gesundheitsberatung. Im Rahmen der Digitalisierung bildet Onlineberatung einen wichtigen Baustein für ein niedrigschwelliges und zukunftsorientiertes Beratungsangebot für Menschen in besonderen Lebenslagen. Gegründet wurde das Institut an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm von Prof. Richard Reindl. Die methodische Fundierung der Onlineberatung war das erste Anliegen des neuen Instituts. So wurde zunächst eine erste studentische Zusatzausbildung begründet und wenig später das erste Hochschulzertifikat Onlineberatung. Beide Kurse sind bis heute sehr gut nachgefragt.
Die technischen Formen der Beratung haben sich im Laufe der Zeit verändert. Heute haben ein reflektiver, längerer Mailaustausch und ein lebendiges Forum Konkurrenz bekommen von schnelleren Kurztexten über Messenger. Vor allem in der Coronakrise ist der Videochat beliebt geworden. Jede Beratungsmethode verlangt Zusatzwissen und besondere Kompetenzen. Das Feld der Onlineberatung ist inzwischen von einer großen Vielfalt an wissenschaftlichen Publikationen und Weiterbildungsangeboten geprägt. Sowohl in der Forschung als auch bei der Entwicklung hochwertiger Weiterbildungsangebote setzt das Institut für E-Beratung bis heute Maßstäbe in der deutschsprachigen Fachcommunity. Mit der Vielfältigkeit der Beratungsmethoden sind die Übergänge zwischen den Methoden wichtiger geworden. So passen viele Beratungsstellen ihre Beratungskonzepte an und integrieren digitale Angebote in den Beratungsalltag. Diese neue Entwicklung wird am Institut in einer verstärkten Nachfrage nach Workshops zum Aufbau ‚technischer Beratungskonzepte‘ deutlich. Zwar entwickelte das Institut mit der EBS – E-Beratungssoftware eine umfassende und datensichere Softwarelösung, die solche fachlichen Transformationsprozesse ermöglichen kann, mindestens ebenso wichtig ist jedoch, dass aus der fachlichen Perspektive der Sozialen Arbeit ein stimmiges Konzept zur Integration digitaler und analoger Unterstützungsangebote und -methoden entwickelt wird.
Hinzu kommt die digitale aufsuchende Arbeit als neuer Forschungsschwerpunkt. Streetwork im Netz ist aufsuchende Soziale Arbeit in Internetforen und über Social Media Kanäle, ergänzt durch geschützte Online-Kanäle für datensichere Beratung. Empirisch fundierte Erkenntnisse zu wirksamen Methoden
und sinnvollen Haltungen der Fachkräfte in diesem neuen Bereich sind ein wichtiges Ziel der Forschungstätigkeit des Instituts. Um den gewinnbringenden Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis sicherzustellen, fließen die Forschungsergebnisse zeitnah in Fort- und Weiterbildungsangebote ein.Professor Robert Lehmann hat als neuer akademischer Leiter einen weiteren Schwerpunkt in die Institutsarbeit eingebracht: Künstliche Intelligenz (KI) in der Sozialen Arbeit. KI verändert in den nächsten Jahren alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, auch die Praxis der Sozialen Arbeit. In der Lebenswelt der Klient*innen ist sie bereits voll angekommen. Um hier handlungsfähig zu bleiben, ist es notwendig gerade auch aus der Perspektive der Sozialen Arbeit belastbare Wissensbestände aufzubauen. Die Aktivitäten des Instituts zielen darauf, die Chancen und Risiken von KI in Feldern der Sozialen Arbeit zu verstehen (z. B. KAIMo [1]) und außerhalb kommerzieller Interessen selbst zu gestalten (z. B. CASoTex [2] und E-Beratungsdatensatz [3]). Weiterhin werden die experimentellen Prototypen als Entlastungsangebote (Chatboterstellung [4], Empowering Learning [5], Smart Hospital [6]) in die psychosoziale Arbeit integriert. Ein umfangreiches KI Gutachten über die Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher-Intelligenz-Software in aufsuchenden, digitalen Angeboten der Migrationsberatung liefert einen Überblick über die Entwicklungstendenzen und die Möglichkeiten zur Förderung des verantwortungsvollen Einsatzes von KI im Bereich der Migrationsberatung in Deutschland.
Kostenfrei zugänglich für die Fachwelt der Sozialen Arbeit stellt das Institut über die virtuelle Hochschule Bayern ein umfangreiches Bildungsangebot im Kurs ‚KI und Soziale Arbeit‘ bereit, um schnell und hochwertig über den Stand der Forschung zu diesem Thema zu informieren und eine profunde Einschätzung der Potenziale aus der Perspektive der Sozialen Arbeit zu ermöglichen. Das Institut forscht auch in den kommenden Jahren weiter zu Trends, Wirkung und Qualität von Onlineberatung und technischen Innovationen, die die Praxis der Sozialen Arbeit unterstützen können, coacht soziale Träger bei der Implementierung von Onlineberatung und unterhält einen breiten Qualifizierungsbereich. Jeden September veranstaltet das Institut das Fachforum Onlineberatung, in der sich Fachkräfte zu aktuellen Entwicklungen in der Branche austauschen.
• [1] FORSCHUNGSPROJEKT: Kann ein Algorithmus im Konflikt moralisch kalkulieren?
• [2] FORSCHUNGSMETHODE: Computergestützte Analyse Sozialwissenschaftlicher Texte mit Hilfe maschineller Lernverfahren
• [3] FORSCHUNGSPROJEKT: Erstellung eines öffentlichen Datensatzes für die Untersuchung maschineller Lernverfahren in der psychosozialen Online-Beratung
• [4] DREI FORSCHUNGSPROJEKTE: Der virtuelle Klient, Digitale Assistenz in der psychosozialen Beratung, Interactive Artificial Intelligence
• [5] FORSCHUNGSPROJEKT: Empowering Learning – Ermöglichung adaptiven Lernens in der beruflichen Weiterbildung
• [6] FORSCHUNGSPROJEKT: Smart Hospital: Ambulante Onlinebegleitung bei Harnleitersteinen
Beitrag aus Heft »2023/02: Social Media in der Beratung«
Autor: Sigrid Zauter, Robert Lehmann
Beitrag als PDF - Jessica Ranitzsch/Inse Böhmig: Von der Kunst, digitale*r Berater*in zu sein
Jessica Ranitzsch/Inse Böhmig: Von der Kunst, digitale*r Berater*in zu sein
Was braucht es, um in Zeiten der digitalen Transformation zukunftsfähig zu beraten? Der Artikel gibt theoretische und beratungspraktische Impulse zur Kunst, digitale*r Berater*in zu sein. Dabei geht es um neue Anforderungen an Beratende und an die organisationale Ebene. Denn neben eigenen Kompetenzen sind digitale Berater*innen auf gute Rahmenbedingungen angewiesen, um ihr Potenzial voll entfalten und der veränderten Lebenswelt der Ratsuchenden gerecht werden zu können.
Literatur
Camenzind, Gina/Hörmann, Martina (2021). Systemisch, flexibel, nahe an der Lebenswelt. Blended Counseling. In: ausgesucht.bs. – Magazin des Gesundheitsdepartements Basel Stadt, S. 10–14.
Carstensen, Tanja (2016). Social Media in der Arbeitswelt: Herausforderungen für Beschäftigte und Mitbestimmung. Bielefeld: transcript.
Deutschsprachige Gesellschaft für psychosoziale Online-Beratung (2020). Standards zur Anerkennung von Online-Berater*in, Online-Supervisor*in, Online-Coach. Berlin. www.dg-onlineberatung.de/anerkennungs-standards [Zugriff: 06.01.2023]
Engelhardt, Emily M. (2018). Lehrbuch Onlineberatung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Engelhardt, Emily M./Hörmann, Martina (2022). Blended Counseling – Grundlagen, Aktuelles und Diskurslinien. In: Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung, 40 (2), S. 72–78.
Engelhardt, Emily M./Reindl, Richard (2016). Blended Counseling – Beratungsform der Zukunft? In: Resonanzen – E-Journal für biopsychosoziale Dialoge in Psychosomatischer Medizin, Psychotherapie, Supervision und Beratung, 4 (2), S. 130–144.
Beitrag aus Heft »2023/02: Social Media in der Beratung«
Autor: Jessica Ranitzsch, Inse Böhmig
Beitrag als PDF - Gespräch mit Marc Weinhardt, Professor für Sozialpädagogik an der Universität Trier: Zukunft der Beratung
Gespräch mit Marc Weinhardt, Professor für Sozialpädagogik an der Universität Trier: Zukunft der Beratung
Welche Kriterien sind für die Auswahl von Tools zur Online Beratung ausschlaggebend? Welchen Stellenwert hat die Suchtproblematik bei der Nutzung von Sozialen Medien in der Beratung? Und mit Blick in die Zukunft: Sind Beratungssituationen auch mit Unterstützung von AR, VR und KI denkbar? Diesen und anderen Fragen gehen Daniela Stix und Marc Weinhardt in ihrem Gespräch nach.
spektrum
- Christina Schachtner: Transnationale Räume und mediale synthetische Praktiken
Christina Schachtner: Transnationale Räume und mediale synthetische Praktiken
Mit dem Konzept skopische Medien, das um akustische Medien erweitert wird, widmet sich der Text den globalen medialen Praktiken von Migrant*innen. In deren grenzüberschreitender Kommunikation wird unter anderem Distantes hör- und sichtbar gemacht, es zeigen sich neue Formen von Präsenz, es werden verschiedene Zeit- und Raumzonen miteinander verknüpft, kurz, es entstehen synthetische Wirklichkeiten. Im Kontext dieser Wirklichkeiten bilden sich neue Sozialformen wie ein neuer Typus von Familie: die Weltfamilie. Die digitale Durchdringung neuer Sozialformen sorgt dafür, dass diese gesamtgesellschaftliche Brisanz gewinnen.
Literatur
Appadurai, Arjun (2013). The Future as Cultural Fact. Essays on the Global Condition. London/New York: Verso.
Beck, Ulrich/Elisabeth Beck-Gernsheim (2011). Fernliebe. Lebensformen im globalen Zeitalter. Berlin: Suhrkamp.
Knorr Cetina, Karin/Reichmann, Werner/Woermann, Niklas (2017). Dimensionen und Dynamiken synthetischer Gesellschaften. In: Krotz, Friedrich/ Despotović, Cathrin/Kruse, Merle-Marie (Hrsg.), Mediatisierung als Metaprozess. Transformationen, Formen der Entwicklung und die Generierung von Neuem. Wiesbaden: Springer VS, S. 35–57.
Knorr Cetina, Karin (2012). Skopische Medien: Am Beispiel der Architektur von Finanzmärkten. In: Krotz, Friedrich/Hepp, Andreas (Hrsg.), Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze. Wiesbaden: Springer VS, S. 167–195.
Mleihi, Rania (2018). Die Gefühle eines Tages. In: Huber, Katja/Kleemann, Silke/Schley, Fridolin (Hrsg.), Wir sind hier. Geschichten über das Ankommen. München: Allitera Verlag, S. 52–55.
Pries, Ludger (1998). Transnationale Soziale Räume. Theoretisch-empirische Skizze am Beispiel der Arbeitswanderungen Mexiko-USA. In: Beck, Ulrich (Hrsg.), Perspektiven der Weltgesellschaft. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 55–86.
Römhild, Regina (2011). Globale Heimat. Der Alltag junger Migranten in den Widersprüchen der Einwanderungsgesellschaft. In: Bukow, Wolf Dietrich/ Heck, Gerda/Schulze, Erika/Yildiz, Erol (Hrsg.), Neue Vielfalt in der urbanen Stadtgesellschaft. Wiesbaden: Springer VS, S. 21–32.
Tschernokoshewa, Elka (2015). Die Hybridität von Minderheiten. Vorm Störfaktor zum Trendsetter. In: Yildiz, Erol/Hill, Marc (Hrsg.), Nach der Migration. Postmigrantische Perspektiven jenseits der Parallelgesellschaft. Bielefeld: transcript, S. 65–87.
Tschernokoshewa, Elka (2005). Geschichten vom hybriden Leben. Begriffe und Erfahrungswege. In: Tschernokoshewa, Elka/Pahor, Marija Jurić (Hrsg.), Auf der Suche nach hybriden Lebensgeschichten. Theorie, Feldforschung, Praxis. Münster: Waxmann, S. 9–42.
Wulf, Christoph (2006). Anthropologie kultureller Vielfalt. Interkulturelle Bildung in Zeiten der Globalisierung. Bielefeld: transcript.
Beitrag aus Heft »2023/02: Social Media in der Beratung«
Autor: Christina Schachtner
Beitrag als PDF - Anke Hildebrandt/Friederike Siller: Qualität in digitalen Kindermedien – Das Seitenstark-Gütesiegel
Anke Hildebrandt/Friederike Siller: Qualität in digitalen Kindermedien – Das Seitenstark-Gütesiegel
Mit einem neuen Gütesiegel setzt Seitenstark ein Zeichen für qualitativ hochwertige digitale Inhalte und damit auch für eine sichere Onlinewelt für Kinder. Angebote, die Kinder fördern und stärken und damit einen Beitrag zu einem guten Aufwachsen mit Medien leisten, sollen mit einer Auszeichnung gewürdigt und sichtbar gemacht werden.
Beitrag aus Heft »2023/02: Social Media in der Beratung«
Autor: Anke Hildebrandt, Friederike Siller
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medienreport
- Nicole Lohfink/Markus Achatz: Filmfestival inmitten gesellschaftlicher Krisen - Berlinale 2023 (Verfügbar ab 15.06.2023)
- Lisa Melzer: Exit the Fake (Verfügbar ab 15.06.2023)
publikationen
- Claus Tully: Lehren aus der Pandemie (Verfügbar ab 15.06.2023)
- Eric van der Beek: Die Mandate medienpädagogischer Professionalität (Verfügbar ab 15.06.2023)
- Kati Struckmeyer: Betz, Joachim/Schluchter, Jan-René (Hrsg.) (2023). Schulische Medienbildung und Digitalisierung im Kontext von Behinderung und Benachteiligung. Weinheim/ Basel: Beltz Juventa. 414 S., 48,00 € (Verfügbar ab 15.06.2023)
- Heinrike Paulus: Noppenberger, Anke/Bohnstedt, Antje (2023): Henry: Handy gut, alles gut? Bilderbuchgeschichten. München: Don Bosco Medien. Bildkarten und Begleitheft, 18,00 €. (Verfügbar ab 15.06.2023)
- Katharina Stengl: Schwelgengräber, Wiebke (2022). Wer sehen will, muss spüren. Wiesbaden: Springer VS. 162 S., 22,99 € (Verfügbar ab 15.06.2023)
kolumne
- Sina Stecher: Kennt jemand bindungstheoretische Ansätze zu Technik? – Ich frag’ für ’ne Freundin... (Verfügbar ab 15.06.2023)
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