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SWIPE DES MONATS: Das Handy im Halfter

Die treuen Leser*innen meiner Glossen wissen es längst: Ich bin ein Fan von Western! Denn: Ich bin großer Pferdefan und in allen Western sind immer auch Pferde zu sehen. Leider ist das Genre aus der Mode gekommen und nur in großen zeitlichen Abständen schaffen es noch „moderne“ Western auf die Leinwand - und wenn ich Pech habe, geht der Pistolero zu Fuß oder die Heldin muss mit einem uralten Esel Vorlieb nehmen. Im TV-Programm sieht es etwas besser aus: Da stolpere ich beim nächtlichen Zappen - wenn die beste Ehefrau von allen schon ins Bett gegangen ist, denn sie mag weder Western noch Pferde - immer wieder über John Wayne und andere Helden aus längst vergangener Zeit, die sich im 4:3-Format durch die gefühlt 200. Wiederholung von Rio Bravo oder High Noon quälen und mittlerweile ein bisschen angestrengt wirken.

Neben den Pferden spielen natürlich die Revolver in jedem Western eine wichtige Rolle und dies nicht nur wenn sie rauchen, sondern auch wie sie von den Besitzer*innen (meistens Besitzern) getragen werden: Locker mit einem Lederriemen, der durch eine Öse am Pistolengriff gefädelt ist, über der Schulter, ganz locker im Halfter am Gürtel, lässig im Hosenbund oder der Gesäßtasche oder verdeckt unter der Jacke. All diese Trageweisen kennen wir auch von Handybesitzer*innen. Da gibt es modische Kordeln, die an der Hülle befestigt sind und ein offenes Tragen über der Schulter ermöglichen; es gibt Ledertaschen, die sich an einem Gürtel befestigen lassen und auch das verdeckte Tragen in der Innentasche des Sakkos ist noch nicht ganz aus der Mode gekommen.

Wie im Western der Revolver ist auch das Handy in manchen Situationen nicht wirklich erwünscht. So mancher Sheriff versuchte, die Todesrate in seiner Stadt zum Leidwesen des Bestatters, der in vielen Western eine nicht unwesentliche Nebenrolle spielt, zu senken, in dem er den Cowboys am Eingang der Stadt die Revolvergürtel abnahm: Denn beim Pokern legten üblicherweise die Cowboys ihre Schießeisen als Drohgebärde demonstrativ auf den Tisch, um sie dann ungeniert zu verwenden, sobald ihre Glückssträhne zu Ende war.

An all diese Szenarien fühle ich mich auch im heutigen Alltag im Umgang mit dem Handy erinnert. So gibt es in manchen Schulen immer noch die Pflicht, vor dem Unterricht das Handy (oder auch die Smartwatch) abzugeben. Im Internet gibt es viele lustige Clips, in welchen Kinder erst was zu essen auf ihren Teller bekommen, wenn sie ihr Handy in eine große dafür vorgesehene Plastikwanne legen; und Handyfasten ist inzwischen fast so beliebt wie Intervallfasten.

Treffe ich mich –ausnahmsweise einmal nicht digital–mit Kolleg*innen zu einer Besprechung, werden erst einmal die Handys „gezogen“ und auf den Tisch gelegt. Nur die Praktikant*innen trauen sich das manchmal noch nicht und halten das Handy verstohlen unter dem Tisch in der Hand. Begründungen dafür, warum das Handy in Sicht- und Griffweite bleiben muss, gibt es viele: Man muss für die Schule oder die Kita oder den Hundesitter erreichbar sein. Man erwartet einen dringenden Rückruf vom Arzt, eine Nachricht vom Paketlieferdienst oder die sehnsüchtig erwartete Auftragsbestätigung des Installateurs für die Beseitigung der Abflussverstopfung. Die originellste Begründung erhielt ich aber neulich bei einem Elternabend von einer Erzieherin: Sie könne ihr Handy nicht weglegen, denn sie habe ja schließlich ein Pferd, mit dem etwas sein könnte - und vielleicht ruft es ja an. Ich als großer Pferdefan hatte natürlich sehr großes Verständnis für die Begründung. Neu war mir allerdings, dass die KI schon so weit fortgeschritten ist, dass es jetzt auch schon möglich ist, mit Pferden zu telefonieren. Da kann man mal wieder sehen, wie schwierig es ist, als Medienpädagog*in*e auf dem neusten Stand zu sein.

 

P.S. Ein Hinweis in eigener Sache

Liebe Fangemeinde (ich hoffe, es gibt zumindest eine kleine Fangemeinde). Der nächste Swipe des Monats wird im Oktober erscheinen. Im August und September nehme ich mir etwas Zeit, um Menschen unauffällig bei ihrer Mediennutzung zu beobachten und neuen Stoff für meine Glossen zu sammeln.

Wer noch einen leichten Lesestoff für den Strand oder die Hängematte sucht, sei völlig uneigennützig - alles für den kopaedVerlag! - auf mein Buch „Mein Alltag, die Medien und ich“ hingewiesen.

Ich wünsche allen einen schönen Sommer und viel Entspannung bei der Mediennutzung.

 

Klaus Lutz

 


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Herausgeber*in

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