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SWIPE DES MONATS: Per Mausklick zum Großgrundbesitzer

In meiner Jugend wurde mir bewusst, dass ich (theoretisch) alles werden kann – Fußballprofi, Astronaut, Jockey, Medienpädagoge ... Aber eines schien einfach nicht möglich zu sein: Bauer zu werden. Um echter Bauer zu werden (nicht angestellter Landarbeiter) braucht man Landbesitz, an welchen man eigentlich nur durch eine Heirat, nicht aber durch harte Arbeit kommt. Also musste ich erkennen, dass sich mein Wunsch, einen großen Bauernhof mit einer angeschlossen Pferdezucht zu betreiben, leider nicht verwirklichen lässt.

Dankenswerterweise haben mir die Medien – spät, aber nicht zu spät – dabei geholfen, meinen Traum wenigstens ansatzweise zu verwirklichen. Um nicht aus der Übung als künftiger Landwirt zu kommen und die neusten Entwicklungen zu verfolgen, habe ich mich mit Computerspielen zum Thema Landwirtschaft auf dem Laufenden gehalten. Davon gibt es einige für alle Altersstufen. Das kostenlose Lernspiel Bauernhofinsel vermittelt bereits Kindern ab acht Jahren die Zusammenhänge von Ackerbau und Tierhaltung, Herkunft und Produktion unserer Lebensmittel und dem Leben auf dem Land. Oder das Indie-Game: Atomicrops - Landwirtschaft in der Postapokalypse. In dieser actiongeladenen Farm-Simulation geht es zur Sache. Der letzte Bauernhof nach einer atomaren Katastrophe leidet: Bunte Schnecken, Hasen mit Kanonen, Blumen-Maulwürfe, Skorpione und andere mutierte Kreaturen haben es auf die magere Ernte und auf die Bäuerin abgesehen. Samenkapseln müssen erst einmal erbeutet werden und nachts verteidigt man das angepflanzte Gemüse mit einer kleinen Erbsenkanone. 

Das ultimative Computerspiel zum Thema ist aber der Landwirtschaftssimulator: Auf ähnlichem Niveau wie bei einem Flugsimulator erlernt man hier alles, was ein moderner Landwirt braucht: Das Pflügen von Feldern, das Säen und Ernten von Getreide, das Füttern von Tieren sowie den Verkauf von Produkten auf dem Markt; die Maschinen und Fahrzeuge, die man dazu steuern muss, werden auch in der realen Landwirtschaft verwendet. Aber eines kann die Simulation nicht: Die Kartoffeln, die ich anbaue, die Äpfel, die ich ernte und die Tiere, die ich schlachte, kann ich nicht essen.

Nachdem ich es deshalb eine Weile mit Züchten von Tomaten auf dem Balkon und Mitgliedschaft in einer Solawi versucht habe, bin ich jetzt dazu übergegangen, mir per Mausklick einen Großgrundbesitz zusammenzustellen. Mittlerweile besitze ich als ‚Crowdfarmer‘ Olivenbäume in Italien, Mangos in Spanien, Äpfel in Österreich, Orangenplantagen in Sizilien, Schalottenfelder in Frankreich und vieles mehr. Die Produkte werden in stabilen Paketen an mein Büro geliefert: Große Kanister mit Olivenöl, Kisten mit Äpfeln und Orangen oder palettenweise Kartoffeln. Ich überlege gerade, mir einen Anhänger anzuschaffen, um meine Ernten besser nach Hause bringen zu können. Wir wohnen im vierten Stock, haben aber zum Glück einen Aufzug. Das ehemalige Kinderzimmer unseres Sohnes ist längst zur Vorratskammer geworden und jeden Montagabend verkaufen wir das Zuviel an Lebensmitteln an unsere Mitbewohner*innen im Haus.

Ich besitze im Übrigen auch Kühe oder besser gesagt: Teile davon. Auf der Webseite des Anbieters, der die Kühe versorgt, kann man angeben, welche Teile man z. B. von Erna nach dem Schlachten gerne haben möchte. Wenn alle verwertbaren Teile der Kuh verkauft sind, bekommt man eine Mail, dass Erna jetzt geschlachtet wird und die gewünschten Teile in den nächsten Tagen geliefert werden. Jedes Mal, wenn ich so eine Mail erhalte, bekomme ich ein schlechtes Gewissen, logge mich sofort ein und klicke wieder einige Teile frei.  Das verlängert das Leben von Erna aber nur für Tage, denn irgendjemand nimmt das schon, was ich freigeben habe. Ich glaube, da steige ich demnächst aus.

Gerade habe ich für mich etwas Neues entdeckt, das mir bisher verborgen geblieben war. Myacker.com. Funktioniert wie ein Computerspiel. User*innen wählen online Saatgut und Fläche aus und bepflanzen und pflegen fleißig ihre Gemüsebeete – alles was sie anordnen, setzen Menschen vor Ort auf dem Acker um. Ist das Gemüse reif, wird geerntet. Der Unterschied zum Online-Game? Am Ende liegt tatsächlich echtes Gemüse auf dem Küchentisch – natürlich nur, wenn die User*innen nicht zu viele falsche Entscheidungen getroffen haben.

P.S. Noch ein Buchtipp für Eltern mit Kindern ab 2 Jahren: Möchte man früh beginnen die Kinder – vor allem in der Stadt – für das Landleben zu begeistern, empfehle ich das Kinderbuch Bauer Beck fährt weg. Was für ein großartiger Bauer.

Klaus Lutz


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