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Gedenken an die Novemberpogrome: Gemeinsam gegen Antisemitismus – auch im Netz!

Die Novemberpogrome markieren eine der dunkelsten Episoden in der deutschen Geschichte. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 verübten die Nationalsozialisten systematische Gewaltakte gegen jüdische Menschen im gesamten Deutschen Reich. Etwa 400 Menschen wurden ermordet oder zum Suizid getrieben; über 1.400 Synagogen und Betstuben sowie über 7.500 Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört. Jüdische Friedhöfe und andere Gemeindeeinrichtungen wurden verwüstet. In den Tagen danach verhaftete die Geheime Staatspolizei etwa 30.000 jüdische Männer, von denen Hunderte in Konzentrationslager gebracht und ermordet wurden. 

Mit Blick auf die Gegenwart zeigt der Angriff der Hamas auf Israel deutlich, wie wichtig es ist, sich aktiv gegen Antisemitismus, Extremismus und Intoleranz einzusetzen. Zur Sichtbarmachung dieses Handlungsbedarfes hat die Bildungsstätte  Anne Frank  in der vergangenen Woche zu einer Pressekonferenz zum Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 aufgerufen.  Dort erinnerte Direktorin Deborah Schnabel daran, dass seit Beginn des Nahost-Konflikts antisemitisches Gedankengut nicht nur im Privaten verbreitet werde, sondern sich immer mehr in öffentliche Räume verlagere. Statt Solidarität lasse sich eine Verharmlosung des historischen Erbes und eine Abwehr der Verantwortung, Instrumentalisierungen nicht zuzulassen, beobachten. Gerade da antisemitische Angriffe immer mehr auch in digitalen Räumen ausgetragen werden würden, sei eine entschiedene Positionierung gegen jegliche antisemitische Botschaften und Handlungen unerlässlich, um der fortschreitenden Verbreitung von Hass und Hetze im Netz etwas entgegenzusetzen.  

Die Notwendigkeit, auch die fortschreitende Informations- und Bilderflut in den Sozialen Medien zu berücksichtigen, mit denen Nutzer*innen täglich konfrontiert werden, betont auch Eva Berendsen, Leiterin des Bereich Kommunikation und Politische Bildung im Netz bei der Bildungsstätte Anne Frank. Sie richtete in Ihrem Input den Blick auf die konkreten Herausforderungen, die mit dem Anstieg von Antisemitismus und Extremismus in Instagram-Stories, Kommentarspalten und Chatverläufen einhergehen. So sei nicht nur eine wachsende Verbreitung von judenfeindlichen Äußerungen im Netz wahrzunehmen, sondern auch die gezielte Platzierung von Falschinformationen, Propaganda und Verschwörungstheorien.  

Als besonders problematisch erweist sich dabei nach Berendsen die beliebte Unterhaltungsplattform TikTok, die sich besonders bei jungen Menschen großer Beliebtheit erfreut. Insbesondere die starke Fokussierung der App auf kurzlebige, personalisierte und emotional bewegende Video- und Audio-Inhalte sorge dafür, dass Antisemitismus und andere Formen von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit besonders schnell und ungehindert an Nutzer*innen herangetragen werden können. Darunter fallen Beiträge, in denen Israel mit dem NS-Regime verglichen und der Krieg als zweiter Holocaust dargestellt wird, um den Staat zu dämonisieren und ein verfälschtes Bild der Geschichte zu verbreiten. Welche Gefahr von solchen Verschwörungsnarrativen ausgeht, lasse sich nach Berendsen auch daran festmachen, dass sich mittlerweile auch scheinbar unpolitische Influencer*innen im Netz stark politisieren und in ihren Postings antisemitische Codes und Symbole verwenden, die besonders von jungen Nutzer*innen nur schwer erkannt und entschlüsselt werden können. Dabei kommen auch kreative Wort- und Emoji-Kombinationen zum Einsatz, um Filter- und Löschfunktionen zu umgehen und Fakten entsprechend ihrem Weltbild zu verdrehen und zu ihren Gunsten auszulegen.  

Vor diesem Hintergrund spricht sich Berendsen für eine Ausweitung der Anstrengungen aus, um Israelhass und Antisemitismus im Netz etwas entgegenzusetzen. Gefragt sind Plattformen, aber auch Politik und Zivilgesellschaft. Vor allem mithilfe von Gegenrede müsse ein lebensweltorientiertes Angebot für Nutzer*innen und Creator*innen geschaffen werden. Eine Möglichkeit sei dabei der Ausbau von Digital Streetwork¹, um niedrigschwellige Anlaufstellen zu schaffen, Heranwachsenden Raum für ihre Anliegen und Sorgen zu geben und sie dabei zu unterstützen, sich medienkompetent und verantwortungsbewusst durch das Netz zu navigieren. Dafür sei allerdings eine verbesserte Ressourcenausstattung vonnöten, die es Fachkräften ermöglicht, sich in diesem Bereich weiterzubilden und sich mit den Anforderungen einer angemessenen Aufklärungs- und Vermittlungsarbeit vertraut zu machen.  

 

Mehr Informationen über die Arbeit der Bildungsstätte Anne Frank und ihre Angebote sind hier zu finden.

 

Lisa Melzer


¹ „Digital Streetwork” ist ein zusätzliches Zugangs- und Kontaktangebot, das sich als Ergänzung des bisherigen Spektrums aufsuchender Arbeit versteht. Es soll Streetworker*innen ermöglichen auch in stark mediatisierten Lebenswelten zu agieren“ (JFF – Institut für Medienpädagogik 2021). 


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