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Niels Brüggen: "eine Puppe, die spricht"

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    Die Digitalisierung hält ja auch wirklich überall Einzug. So auch im Wunschzettel von Kindern in Form von digitalen Spielwaren. Bei uns war es konkret „eine Puppe, die spricht“. Nun gut, hier könnte eingewendet werden, die gibt es ja schon lange. Also Puppen, die nach einem Druck auf Bauch oder Rücken freundlich rufen „Spiel mit mir!“. Aber eine derart mechanische Dialogsteuerung mutet Kindern heute ähnlich antik an wie ein Wählscheibentelefon. Zumal, wenn heute schon ein auf dem Flohmarkt erstandener Plastikvogel mit verzerrter Zwitscherstimme diktierte Sätze nachzwitschert.Die Erwartung, die mit „eine Puppe, die spricht“ ausgedrückt wird, umfasst vielmehr vollwertige Dialoge.

    Also genau genommen eine Puppe, die nicht nur spricht, sondern auch versteht. Und dann wieder sinnvoll reagiert. Dank Digitalisierung und künstlicher Intelligenz heute doch eigentlich kein Problem mehr. Und irgendwie muss ich unweigerlich an den Turing-Test denken. Jenen Test, den sich Alan Turing 1950 ausdachte, um abzuschätzen, ob ein Computersystem ein dem Menschen gleichwertiges Denkvermögen erreicht hat. Ganz kurz geschildert ist die Idee, dass man so recht ja nicht weiß, wie Intelligenz gefasst werden kann. So gilt beim Turing-Test eine Maschine als intelligent, wenn ein Mensch nicht mehr erkennt, ob er mit einer Maschine, einem Computer oder einem anderen Menschen interagiert.

    Plötzlich stand sie da, auf meinem Schreibtisch. Die Puppe, die sprechen und verstehen ‚kann‘. Mit digitaler Spracherkennung. Echtes Hightech-Spielzeug. Wir hatten es als Testprodukt bekommen. Das Kind war zunächst im Glück – und zugleich etwas enttäuscht, dass wir sie wieder zurückgeben müssten. Vielleicht wäre ich ja auch noch zu überzeugen gewesen, das Testprodukt nicht zurückzugeben.Und dann kam der Turing-Test. Nicht ganz unbekannt war mir die Aufforderung der Puppe, das eben Gesagte doch bitte noch einmal zu wiederholen. Ich musste an schwerhörige Großeltern denken. Interessant, dass es doch durchaus etwas Mut kostet, richtig laut mit so einer sprechenden Puppe zu sprechen. Mit gefestigter Stimme war die Puppe dann auch eher der Meinung, verstanden zu haben. Nur was?

    Hätten Kinder etwas mehr Sinn für Dada, wäre die Puppe der Renner. Es hat schon semantischen Charme, wenn die Frage, was im Bild zu sehen ist, mit „Eine Fliege“ beantwortet wird und die Puppe dann freudig ruft „Richtig. Eine Spinne!“. Das war aber schon zu dem Zeitpunkt, als das Kind begonnen hatte, bewusst zu probieren, wie falsch es antworten kann, um trotzdem ein jubelndes „Richtig!“ auf die Rate- und Reimspiele zu erhalten. Das war nach der Phase der Verzweiflung, in der zunächst doch die eigene Unzulänglichkeit vermutet wurde. Beim Tinkern, also dem Herumprobieren, was so geht, war dann aber eine neue Motivation zu erkennen. In gewisser Weise war es eine Umkehrung eines Turing-Tests, bei dem die Kreativität menschlichen Denkens im Vorschulalter sichtbar wurde, Spracherkennungstechniken auszutricksen. „Im Sommer ist es heiß, da wünsche ich mir ein Schokoladen…“ „Schweiß." Richtig!“ Wir haben gemeinsam gelacht.Und das Zurückschicken war dann kein großes Problem mehr.

    Ich habe zwischenzeitlich auch gehört, dass künstliche Intelligenz mit Kindersprache und in Dialogen mit Kindern immer noch Schwierigkeiten hat. Das wäre doch vielleicht eine neue Messlatte für den Turing-Test.

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