2000/01: Aufwachsen in Medienwelten II
thema
Margot Berghaus: Steinzeitmenschen Online. Stabilität und Wandel beim Aufwachsen in neuen Medienwelten
Zweifellos verändern die sogenannten neuen, interaktiven Medien unsere Gesellschaft, unsere gesamte Kultur.
Zu diesen Medien gehören: als Herzstück das Internet mit seinem breiten Anwendungsspektrum, ebenfalls Intranets beispielsweise zwischen Universitäten, ferner CD-ROMs und DVDs mit interaktiven Elementen sowie insgesamt viele Varianten von multimedialen Computer-, Video-, Fernseh- und Telefonerweiterungen und -vernetzungen.
Sie revolutionieren die traditionellen Massenmedien (etwa durch elektronisches Publishing, digitales Fernsehen, neue Werbeformen), die Wirtschaft (durch elektronische Produktion, elektronischen Handel, elektronisches Geld, Tele-Arbeit usw.), die Politik (durch neue Meinungsbildungs- und Partizipationsweisen), wirken sich auf den Umgang mit den konventionellen Medien, auf die Freizeitgestaltung und den Alltag insgesamt aus und greifen umfassend in Sozialisation, Erziehung und Bildung ein. Letzteres ist Thema dieses Artikels: Wie wandelt sich unter dem Einfluss der neuen, digitalen Medien die Kultivierung der Menschen, speziell von Kindern und Jugendlichen, die von klein an in eine Welt mit diesen Medien hineinwachsen?
Besonderes Interesse gilt hier der Abwägung zwischen Stabilität und Wandel. Denn so radikal, ja sogar bedrohlich diese neuen, machtvollen Medien und Kommunikationstechnologien auch empfunden werden mögen: sie treffen doch auf gewachsene Strukturen mit Beharrungsvermögen. Die Überlegungen zu den Auswirkungen der neuen Medien zwischen Stabilität und Wandel werden in fünf Thesen dargestellt.
(merz 2000-01, S. 7-9)
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Autor: Margot Berghaus
Beitrag als PDFEinzelansichtKnut Föckler: Medienkompetenz und Telelearning: Erfolgsfaktoren in der Wissensgesellschaft
Vor rund drei Jahren hat der damalige Bundespräsident Roman Herzog in Leipzig mit einem generationenalten erzieherischen Irrtum aufgeräumt: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Diese Volksweisheit sei für Eltern ganz nützlich, um den Nachwuchs zu mehr Aufmerksamkeit in der Schule anzuhalten, gab Herzog zu. Aber es gelte heute einfach nicht mehr, dass mit dem Abschlusszeugnis der Schule das Lernen aufhöre.
In der Tat haben die Begriffe Information, Bildung und Wissen im 21. Jahrhundert eine wachsende Bedeutung für den Erfolg des Einzelnen und einer ganzen Gesellschaft. In den Industrienationen sind bereits mehr als 50 Prozent aller Erwerbstätigen in Berufen tätig, die mit dem Umgang mit Informationen zu tun haben. Der Ruf nach dem „lernfähigen Mitarbeiter“, der die technischen und wirtschaftlichen Veränderungen in der Arbeitswelt erfolgreich bewältigen kann, mündet folgerichtig in das Postulat nach der „learning company“.
(merz 2000-01, S. 10-13)
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Autor: Knut Föckler
Beitrag als PDFEinzelansichtSusanne Gölitzer: Die Bedeutung der Schule zwischen Handy und Ferienjob
Die gesellschaftliche Revolution der letzten dreißig Jahre hat unterschiedliche Namen. Mit Individualisierung bezeichnet man treffsicher ein Phänomen, das den Einfluss der Schule auf die Erziehung und Bildung eines jungen Menschen heute begrenzt. Sie ist eine Institution unter anderen geworden. Die Schule als Bildungsinstitution hat Konkurrenz bekommen. Es sind andere starke Medien- und Bildungsräume neben sie getreten, die ihr langsam den Rang der Lernanstalt erster Klasse abgelaufen haben und ablaufen werden. Diese anderen Medien sind das Fernsehen, der Computer, das Radio. Aber auch Jobs neben der Schule übernehmen wichtige Bildungsfunktionen.
(merz 2000-01, S. 14-16)
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Autor: Susanne Gölitzer
Beitrag als PDFEinzelansichtEin Gespräch mit Julian Nida-Rümelin
Ein Interview mit Julian Nida-Rümelin über Veränderungen, Entwicklungen und Einflüssen in den Medien.
(merz 2000-01, S. 17-20)
Christine Schöpf: Medienkunst formuliert die Fragen einer Gesellschaft im Wandel
Im Sommer 1996 machte der 29-jährige Fernando Espuelas mit seiner Frau Urlaub in den Bergen von Nepal. Später erzählt er, am Fuße eines Berges sei ihm bewußt geworden, dass das Internet auch Lateinamerika verändern werde. Und es kam ihm die Idee, dass er das Internet nach Lateinamerika bringen könnte.
(merz 2000-01, S. 20-22)
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Autor: Christine Schöpf
Beitrag als PDFEinzelansichtGeorg Seeßlen: No Future in Digital Reality
Gewiß: Seit es das Kino gibt, gibt es darin apokalyptische Visionen. Nichts, so scheint es, macht in der populären Kultur so viel Vergnügen wie die Zukunft als Katastrophe stattfinden zu lassen: die große Bombe hat die Zivilisation zerstört, außerirdische Invasoren wollen die Menschheit unterjochen, unterwandern oder schlicht auslöschen, Mensch und Maschine sind in einen ewigen Krieg miteinander gefallen, Viren bedrohen Computer und Körper, Kometen rasen unaufhaltsam auf die Erde zu, die Umwelt ist endgültig ruiniert, und während die Menschen sich in blutigen Fernsehspielen buchstäblich zu Tode amüsieren, sind die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Medientraum immer weniger zu bestimmen. Und wenn uns all das noch nicht unheimlich genug ist, dann lässt das Kino auch den Teufel persönlich wieder auf die Erde los.
(merz 2000-01, S. 22-26)
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Autor: Georg Seeßlen
Beitrag als PDFEinzelansichtJürgen Stollberg: Wie tickt die Jugend 2000?
BRAVO ist Kult
An BRAVO scheiden sich die Geister. Für Jugendliche ist das Heft fester Bestandteil ihrer Lebenswelt. Eltern, Lehrer oder Sozialpädagogen reagierten in den vergangenen 44 Jahren je nach vorherrschendem Zeitgeist mal gelassener, mal entsetzter auf die größte Jugendzeitschrift Europas.
Doch ganz egal wie man zu BRAVO steht, jeder weiß, was damit gemeint ist. Der Bekanntheitsgrad der Marke BRAVO liegt bei nahezu 100 Prozent und genießt damit in unserer schnellebigen Welt Kultstatus.
(merz 2000-01, S. 27-30)
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Autor: Jürgen Stollberg
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spektrum
Andreas Lange / Kurt Lüscher: Kinder und ihre Medienökologie in „postmodernen“ Zeiten
Soziologische Anmerkungen zur Medienpädagogik
(merz 2000-01, S. 41-50)
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Autor: Andreas Lange, Kurt Lüscher
Beitrag als PDFEinzelansichtRenate Luca: Fachwissen allein genügt nicht!
Supervision im Rahmen schulischer Medienerziehung
(merz 2000-01, S. 51-56)
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Autor: Renate Luca
Beitrag als PDFEinzelansichtJanine Leyendecker: Fernsehen zur Stimmungsregulation?
Fernsehen dient der Entspannung!Natürlich, wer kennt dies nicht? Man kommt gestresst und abgespannt von der Arbeit, versucht zunächst Abstand und Ruhe vom ereignisreichen Tag zu finden, indem man den Fernseher an– und vor dem Fernseher „abschaltet“.
Ein Phänomen des Eskapismus, also eine Flucht vor dem Alltag, sich fallen- und treibenlassen in andere, vielleicht sorgenfreiere Welten
.(merz 2000-01, S. 56-57)
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Autor: Janine Leyendecker
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medienreport
Margret Köhler : Das Ende des amerikanischen Traums
Das Kino als Zerstörer?„We are family“, diese beschwörende Mär wird zwar von den US-Medien, vor allem von Fernseh-Serien verbreitet, ist in Wirklichkeit jedoch schon lange Makulatur. Auch wenn einige Studiobosse immer noch das traditionelle Happy End für das Nonplusultra eines erfolgreichen Films halten. In „God’s own country“ ist die heile Welt auf dem Rückzug oder - wie in Peter Weirs „Die Truman Show“ nur noch für das TV inszeniertes Spektakel. Die Fassaden des Glücks zersplittern, nicht nur im Weissen Haus bei der „First Family“, sondern auch auf der Leinwand. Die Familie, einst Rückgrat der amerikanischen Gesellschaft, stellt sich für viele inzwischen als Ort der Hölle dar. Auch Regiedebutant Sam Mendes zerpflückt in seinem Meisterwerk sarkastisch heimelige Klischees des american way of life.
Scheinlösungen und -freiheitenHübsche Häuschen, gepflegte Vorgärten, geräumige Garagen und mittendrin reizende Menschen, die vor Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit nur so strotzen. Doch der Eindruck täuscht. Nichts ist, wie es einmal war. Hinter den adretten Fassaden herrscht Frust statt Fröhlichkeit, kocht das Glück auf Sparflamme. Lester Burnham (Kevin Spacey) ist jenseits der 40 und ausgebrannt. Seine Frau Carolyn (Anette Bening), eine mäßig erfolgreiche Immobilienmaklerin, nervt und zetert den lieben Tag lang, die Liebe ist so kalt wie ein Eisbeutel. Auch intensivste Handarbeit bringt Lester nur wenig Erleichterung. Töchterchen Jane (Thora Birch) verachtet ihre Eltern und deren scheinheiliges Verhalten. Die Wende kommt, als der Familienvater ihre Freundin, die frühreife Angela (Mena Suvari) erblickt. Da überwältigen ihn Hormone, Phantasie und Erinnerungen an seine Jugendzeit. Und er realisiert: Das Leben ist zu kurz, um im Alltagstrott zu ersticken. Er kündigt seinen langweiligen Job, erpresst den Vorgesetzten um eine lukrative Abfindung, kauft sich einen flotten Sportwagen und malträtiert seinen nicht mehr ganz so straffen Körper mit Fitness-Übungen.
Erst einmal aber haut er mit der Faust auf den heimischen Tisch und sagt der verdutzten Weiblichkeit, wer der Herr im Haus ist. Gleichzeitig freundet sich der Mannin der Midlifecrisis mit dem liebenwürdigen Nachbarsjungen Ricky (Wes Bentley), Sohn eines Ex-Colonels an, der mit seiner Videokamera alles aufnimmt, was ihm in die Quere kommt. Und ganz nebenbei mit Drogen dealt. Bald raucht Lester mit dem Youngster Marihuana und entdeckt die Bierdose als Begleiter. Demontage und GenussDas muss böse enden, schon die ständig wiederkehrenden blutig roten Blätter der von Carolyn akribisch gepflegten Rosen künden Unheil an - zumal sich langsam die Strukturen auflösen. Der Konflikt zwischen dem in Jane verliebten Ricky und seinem autoritären Vater (der ihn und Lester für schwul hält und seine eigenen homoerotischen Neigungen unterdrückt) eskaliert, Carolyn legt sich einen Geliebten zu und Lester wird von heißen Sexträumen mit dem angebeteten Teenie verfolgt. Die einzig ‘Normalen’ scheinen zwei schwule Nachbarn zu sein. Der rasante Ritt durch seelische Abgründe ist alles andere als political correct. Die Demontage von zu Ritual erstarrten Konventionen zelebriert der Brite Mendes genussvoll und mit perfider Lust an Zerstörung bürgerlicher Ideale. Mittelschicht und Materialismus sind für ihn Boten des Untergangs.
Anständige Spießer
Wer immer noch puristisch gegen Hollywood wettert, wird bei dieser intelligenten und komplexen Tragikomödie über das Subversive im Alltag eines Besseren belehrt. Brillante Dialoge, rabenschwarzer Humor, beste schauspielerische Leistung von Kevin Spacey und Anette Bening im gnadenlosen Rosenkrieg - wie einst Michael Douglas und Katherine Turner, fast surreale Momente durch die Ich-Form der Erzählung machen „American Beauty“ zu perfekter und gleichzeitig anspruchsvoller Unterhaltung. Und wenn am Ende die Kamera über die scheinbar friedliche Vorstadtidylle schwebt, ahnt man was der wirkliche Horror ist: wohlanständige Spießbürgerlichkeit.
Der Titel ist bewusst mehrdeutig gehalten. Er könnte eine Anspielung auf Carolyns Rosenzucht „American Beauty“ sein, auf den Charakter der jungen Angela als Prototyp des amerikanischen Schönheitsideals oder ganz einfach auf die Ambivalenz des amerikanischen Traums. Für Drehbuchautor Alan Ball, auch Co-Produzent, geht es ebenfalls darum, „dass wir oft vorgefasste Meinungen über Dinge haben, die sich dann später als total konträr herausstellen und sich als wahre Schönheit erweisen, die wir so niemals erwartet hätten“. Wie es euch gefälltSam Mendes reiht sich mit seinem außergewöhnlichen Werk in die Reihe amerikanischer Filme über die Verunsicherung einer ganzen Generation ein, die sich in Aggressionen mit kathartischer Wirkung flüchtet und bei denen die Harmonie als Lebenslüge ausgedient hat.
Auch in Todd Solondz’ „Happiness“ sind die netten Zeitgenossen überhaupt nicht happy, sondern von düsteren Perversionen gequält, entlarvt sich in Mark Pellingtons „Arlington Road“ der charmante Nachbar Tim Robbins als Bombenleger und Brandstifter, beweist Kirstie Alley wie schrecklich es ist, „Gnadenlos schön“ zu sein, wirft Wayne Wang demnächst in „Anywhere but here“ einen skeptischen Blick auf die „Restfamilie“ Mutter und Tochter im wenig glamourösen Teil von Beverly Hills. Der Ausverkauf des amerikanischen Traums hat begonnen. Den Amerikanern gefällt die bittere Pille. „American Beauty“ spielte schon ein Vielfaches der nur 15 Mio Dollar Produktionskosten ein, erhielt sechs „Golden Globe“-Nominierungen und sollte auch beim „Oscar“ gute Chancen haben.
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Autor: Margret Köhler
Beitrag als PDFEinzelansichtTilmann P. Gangloff: Täglich grüßt der Mäusekopf
Pay TV, betonen Betreiber von Bezahlfernsehen immer wieder, habe nichts mit Angeboten zu tun, sondern mit Nachfrage: Natürlich biete nicht jeder Kanal rund um die Uhr neue Sendungen; entscheidend sei, dass die Sendungen zur Verfügung stehen, wenn das Publikum sie sehen will. Deswegen bestehen viele der Kanäle von Premiere World aus Wiederholungen. Das gilt auch für den Disney Channel: Das Programm ist eine Zusammenstellung von Serien, die anderswo schon zu sehen waren (oder noch zu sehen sind); ein „Best of“ aller Kaufserien im deutschen Kinderfernsehen der neunziger Jahre. Die Disney-Produktionen gab’s oder gibt’s sowieso fast alle bei RTL oder Super RTL. Für Disney-Channel-Geschäftsführer Hans Seger ist das aber gar nicht der Punkt. Er spricht von einem „völlig neuen Universum“: weil man im Pay TV sein Programm ohne Rücksicht auf Werbekunden oder Konkurrenzsender gestalten könne und allein die Bedürfnisse der Zuschauer entscheidend seien. Tatsächlich gibt es im Free TV gerade zur Lieblings-Fernsehzeit der Kinder - zwischen 18 und 21 Uhr - kaum Kinderfernsehen; der Disney Channel aber zeigt um 19 Uhr einen Film für die ganze Familie.
Das, so Seger, „ist völlig anders als bei jedem anderen Sender.“Allerdings ist beim Disney Channel nicht überall Disney drin, wo Disney draufsteht. Seger spricht in diesem Zusammenhang von Sendungen, die „Disney kompatibel“ sind: „gutes Programm, das auch von uns hätte stammen können“. Außerdem müsse ein deutscher Disney Channel auch „deutsche“ Produktionen anbieten, um eine lokale Identität zu entwickeln, Serien wie „Die Schlümpfe“ oder „Pippi Langstrumpf“, die „von der Attraktivität oder der Herkunft fürs Publikum interessant sind.“ Dass diese Serien auch anderswo laufen, schade dem Disney-Channel nicht. Die Fixierung auf die einzelnen Produktionen, so Seger, „verstellt die Sicht auf den Kanal als Ganzes: Der Disney Channel funktioniert, wenn Mischung und Programmplanung stimmen“. Es kommt also auf die Handschrift des Programms an: alles Disney oder ähnlich gut, und Hauptsache Cartoons. Bis auf wenige Ausnahmen besteht das Programm des Disney Channel tagsüber nur aus Zeichentrick. Das vereinfacht die Sache: Dieser Handschuh lässt sich beliebig von Amerika nach Europa exportieren. Informationssendungen gibt es außer dem Bastelmagazin „Art Attack“ überhaupt nicht. Auch die „deutschen“ Merkmale des Programms sind äußerst überschaubar. Zur Entstehung kultureller Identität tragen sie nichts bei, im Gegenteil: Das Programm könnte in exakt dieser Form auch in Holland oder Belgien laufen; selbst „deutsche“ Serien wie „Die Schlümpfe“ oder „Pippi Langstrumpf“ sind für den internationalen Markt produziert. Der Tag auf dem Disney Channel endet nie und hat demzufolge auch keinen Anfang.
Anders als etwa der Kinderkanal „altert“ das Programm kaum; es richtet sich rund um die Uhr an Menschen zwischen acht und zwölf. Am Vormittag werden allerdings hauptsächlich Vorschulkinder angesprochen, wenn auch nicht unbedingt mit den Höhepunkten des Programms; „Disneys Gummibären-Bande“ oder „Der Zauberschulbus“ zeichnen sich nicht gerade durch ein originelles Design aus. Schönste Vorschulserie ist „Der Bär im großen blauen Haus“ (seit Januar auch im Kinderkanal), eine Produktion von Jim Henson Television („Die Muppets Show“). Das Titeltier ist ein lebensgroßer liebenswerter Kuschelbär, der sich jedesmal einem neuen Thema (Tanzen, Farben etcetera) widmet. Einzige Eigenproduktion neben „Art Attack“ ist die Nachmittags-Show „live@five“. Das Rahmenprogramm rund um Serien wie „Hercules“ und „Aladdin“ kommt aus einem großen Studio voller Krimskrams und ist ganz auf die aktive Teilnahme des Publikums zugeschnitten. „Das Wichtigste bist Du“ heißt es im Trailer zu „live@five“. Ständig reden die Moderatoren auf ihr Publikum ein. Die Studiokameras schwanken und torkeln dabei wie zu besten Viva-Zeiten. Davon abgesehen ist „live@five“ mit den vielen optischen und akustischen Spielereien (ständig scheppert’s oder kracht’s vom Band) sehr „hip“ und macht den Kindern offenbar eine Menge Spaß: Die Zuschauerresonanz ist laut Seger „fantastisch“. Seit Sendebeginn am 16. Oktober habe es unzählige Anrufe gegeben, „wahnsinnig viele nette Briefe und unheimlich viele E-Mails“, auch von älteren Disney-Fans.
Die Begeisterung der Kinder dürfte dem kompletten Programm gelten. Trotzdem kam es für Disney nie in Frage, den deutschen Disney Channel als frei empfangbaren Sender zu starten. Das Schicksal von Nickelodeon und die unzureichende Kabelkapazität waren laut Seger Warnung genug. Außerdem seien die Werbeeinnahmen im frei empfangbaren Kinderfernsehen begrenzt, auch wenn er keine Sorge hätte, „dass wir uns davon ein gutes Stück abschneiden könnten“. Werbefreiheit sei aber ein ganz wichtiges Merkmal des Disney Channels, „speziell in Deutschland, wo Eltern einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Fernsehgewohnheiten ihrer Kinder haben als in anderen Ländern.“ Daher begnügt man sich mit den Einnahmen durch die Abonnement-Gebühren, über deren Höhe Seger schweigt. Der Preis der Exklusivität ist allerdings eine überschaubare Zuschauerzahl.
Nach dem Relaunch zum 1. Oktober konnte Premiere World zwar innerhalb eines Monats 110.000 neue Kunden gewinnen; doch für die digitalen Bouquets Movie World, Family World und Sports World interessieren sich nach wie vor bloß eine Million Abonnenten. Dass der Disney Channel, der eine eigenständige Lizenz hat, nicht einzeln bestellt werden kann, ist übrigens die Entscheidung der Premiere-World-Geschäftsführung gewesen. Offenbar soll das acht Kanäle umfassende Familienpaket (monatlich 19.90 Mark) - neben Disney unter anderem Discovery Channel (Dokumentationen), Krimi & Co und der Vorschulkanal Junior -, aufgewertet werden. Der Vorteil für Disney besteht laut Seger darin, frühzeitig „Teil einer sich entwickelnden, neuen Fernsehlandschaft“ zu sein.Am Engagement bei Super RTL und RTL werde sich, versichert Seger, in absehbarer Zeit nichts ändern. Die Gewinne dort kann Disney gut brauchen, um das Unternehmen Premiere World zu finanzieren.
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Autor: Tilmann P. Gangloff
Beitrag als PDFEinzelansichtKurt Oesterle: Körperlose Partisanen
Rechtsextremisten, sonst eher der Scholle verhaftet, sind im Internet längst heimisch geworden. Dem Verfassungsschutz bereitet es Kopfzerbrechen, dass die Zahl ihrer Webseiten sich seit 1996 verzehnfacht hat. „Befreite Zonen“ nennen sie ihre Netze, Sites und Homepages, doch wer ihrem Gesinnungsaustausch eine Weile beiwohnt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, an den altbekannten, nur ins Virtuelle gehobenen Stammtischen zu sitzen. Auch im Cyberspace möchte man unter sich sein und mit einer Zunge sprechen. Deshalb streitet ein „Bund für deutsche Schrift und Sprache“ dort für die Entamerikanisierung des Computeridioms und fordert strengste Eindeutschungen: für „World wide web“ etwa „Weltwabergewebe“.
Doch im Internet agiert auch eine rechtsextreme Elite. Sie betreibt zum Beispiel die Webseite der „Vrij Historisch Onderzoek“ (VHO), eines belgischen Verlags, der nach England getürmt ist und in dem auch rechtmäßig verurteilte und darum abgetauchte deutsche Neonazis mittun. Die VHO ist schon länger mit einer „Link-List of banned literature“ im Internet vertreten, einer Aufstellung von rund hundert Büchern, die in einem oder mehreren europäischen Ländern verboten sind, vor allem weil sie in sämtlichen Varianten des sogenannten Revisionismus die planmäßige Vernichtung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland leugnen. Die eingescannten Originale dieser Bücher - hinter jedem steht höhnisch der Gerichtsort und das Aktenzeichen - sind mit einem einfachen Link zu erreichen und können ohne großes Strafrisiko für Anbieter und Nutzer auf Diskette kopiert und ausgedruckt werden.Inzwischen fühlt sich die VHO offenbar auch für die Cyberspace-Ideologie der Rechten zuständig. Sie hat ein Strategie- oder besser Legitimationspapier in Umlauf gebracht, das die Globalisierungsfeinde und Technikphobiker in den eigenen Reihen fürs Internet weltanschaulich kompatibel machen soll.
Ein Dokument, das belegt, wie sehr der europäische Rechtsextremismus seinen bisweilen beträchtlichen Rückstand auf die schon immer fanatisch computergläubigen amerikanischen Neonazis aufgeholt hat. Die Rechte im Net hat sich einen mythischen Anstrich verpasst, der vor allem Jugendliche beeindrucken soll.Den alten Polit-Agitator, der von Podesten herab seine „Wortraketen“ abfeuert und im Verein mit Gleichgesinnten Flugblätter hinter die Scheibenwischer parkender Autos klemmt, erklärt sie für tot. An seine Stelle tritt der „Cyber-Aktivist“, der auf sich allein gestellt ist und keine Partei mehr braucht; den Zusammenhalt stiftet das Netz. Der Cyber-Aktivist hat weder Namen noch Gesicht - so kann er am leichtesten seiner Taktik folgen: zuschlagen und abtauchen. Er ähnelt Carl Schmitts „Partisan“ oder Ernst Jüngers „Waldgänger“, zwei Figuren aus der Typologie der Rechten, die nach 1945 aus dem Gefühl schmählicher Niederlage und Ächtung entstanden sind. Durch sie aber wird der virtuellen Realität, die den Anschein eines Kinderspiels nie ganz verlieren will, der kriegerische Ernst der Tradition eingeblasen. Der Cyber-Aktivist darf sich nun auch vor den Veteranen der Bewegung „ehrbar“ fühlen.
Was er tut, soll ihm das Gefühl des Erhabenen geben. Zwar sitzt er daheim vor seinem Bildschirm, dennoch überquert er „in Blitzesschnelle“ - ein alter Faschistentraum - den „Sprach-Ozean“. Zwar steckt seine Macht einzig und allein im Finger, die den Mausklick betätigt, dennoch befördert er eine „bislang ungehörte, ungeträumte Fracht“ zu weit entfernten „unverdorbenen Küsten“. Surfend verbindet er das fortschrittlichste Medium mit den kollektiven Archetypen, an denen das Herz der Rechten schon immer hing. Er soll den Cyberspace als Raum oder Landschaft erfahren, die er beherrschen kann. Ideologisch derart gerüstet, stürzt der Aktivist sich ins „letzte intellektuelle Abenteuer“ dieser Zeit: das Abstreiten des Holocaust.Wer glaubt, westliche Gesellschaften seien dagegen größtenteils immun, halte sich folgende Zahl vor Augen: Im Verlauf von nur zwei Jahren sollen von der Webseite des deutsch-kanadischen Auschwitzleugners Ernst Zündel über eine Million revisionistische Artikel abgerufen worden sein. Eine politisch unter Druck geratene Provider-Firma kündigte daraufhin zwar die „Zundelsite“, die Revisionisten in aller Welt meinten aber trotzdem, einen Sieg verbuchen zu dürfen. Jedenfalls sehen sie sich, wie das Beispiel der VHO-Webseite zeigt, zum Weitermachen ermutigt. Der Geschichts-Revisionismus - außer den Todeslagern leugnet er auch die deutsche Kriegsschuld - war und ist das Pilotprojekt der Rechtsextremisten im Internet. Und umgekehrt scheint ihnen das Net die ideale Waffe, die „Staatsreligion Holocaust“ gezielt in einzelnen Köpfen anzugreifen.
Noch bevor die „Zundelsite“ gekündigt war, brach um sie der „erste Cyberkrieg“ aus - folgt man der VHO-Webseite, kann es sich dabei nur um die jüngste Spielart des Weltbürgerkriegs handeln. Der Krieg begann Ende 1996 mit einem flächendeckenden „E-mail-bombing“ der Zündel-Gegner. Zweihundert Meldungen pro Sekunde schlugen vierzig Stunden lang im Rechner des Revisionisten ein und legten ihn lahm. Bald fanden sich die ersten Freiwilligen an Zündels Seite und boten ihm und seinen Machwerken Unterschlupf in ihren Speichern. Aber auch die Gegner ruhten nicht. Doch wer waren sie? Einmal, so wähnen die rechten Strategen, Betreiber der jüdisch-antinazistischen Webseite „Nizkor“. Dann irgendwelche mehr oder weniger gut organisierten Antifa-Gruppen. Schließlich auch etliche Cyberspace-Tramps, die zufällig den Daten-Highway entlang kamen. Minutiös wird aufgezählt, welcher Kriegsmittel sie sich bedienten. Dabei erhält der Cyber-Aktivist seine Grundausbildung. Er lernt, was „Spamming“ ist, nämlich das Versenden fingierter Presseerklärungen an Unbeteiligte, die den vermeintlichen Absender anschließend mit Beschwerden überziehen. Oder das „Sheltering“, bei dem ein gefährdetes Dokument in einen angeblich sicheren elektronischen Bunker gelockt wird, um dort festgehalten und seines Copyrights beraubt zu werden. Auch was „Cancelbots“ sind, muss der Kämpfer wissen: teils pornographische Bildretuschen, die feindliche Botschaften entstellen.
Für Rechtsextremisten sei das Internet nicht weniger bedeutsam als die Erfindung des Buchdrucks einst für die ganze Menschheit, so heißt es sinngemäß auf der VHO-Webseite. In der Tat weiß noch niemand, wie sehr das World Wide Web das historische Bewusstsein verändern und verbiegen kann. Befürchtungen haben zumindest so lange ihr Recht, wie die bei den Extremisten im Net äußerst beliebte Parole gilt: Wir drin, der Staat draußen. Die revisionistischen Cyber-Aktivisten sind mittlerweile auf Grund von Sicherheitsmängeln und einer verworrenen Rechtslage im Internet bester Dinge, dort auch weiterhin schalten und walten zu können. So werben sie nicht nur Freiwillige für ihren Krieg, sondern jagen auch eine „Unabhängigkeitserklärung“ um den Erdball, ein Gebräu aus Extrakten der Aufklärung wie auch der Gegenaufklärung, gewürzt mit einem Schuss Jugendrevolte. Genau besehen wird hier nichts anderes proklamiert als eine Art Naturrecht auf Unsichtbarkeit und Körperlosigkeit: „Ihr seid entsetzt über Eure Kinder. Der globale Transport von Gedanken bedarf nicht mehr der Unterstützung Eurer Fabriken. Wir werden uns über den Planeten verteilen. Wir schließen unseren eigenen Sozialvertrag. Unsere Welt ist überall und nirgendwo, aber nicht wo Körper leben. Unsere Wesen haben keine Körper...“.
Beitrag aus Heft »2000/01: Aufwachsen in Medienwelten II«
Autor: Kurt Oesterle
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Bloech: Es muß nicht immer Disney sein!
Wenn Kinder an Trickfilme, präziser formuliert: an Animationsfilme denken, fallen ihnen oft nur die Disney-Klassiker ein. Disney (oder vielmehr Buena Vista) versteht es ja auch ausgezeichnet, seine Filme zu vermarkten und aus jedem Neustart ein Ereignis besonderer Art zu machen. Begleitet werden die Filme von bedruckten Mützen, Spielfiguren in Juniortüten amerikanischer Fastfood-Ketten oder Hörkassetten. Diese Marketing-Anstrengungen sind natürlich noch kein Indiz für die Qualität des Films, dennoch bewirken sie, dass die Konkurrenz, die nicht mit diesem Aufwand aufwarten kann, ins Trudeln gerät.
Käpt’n Blaubär
Deshalb hat sich wohl auch die Produktionsfirma von „Käpt’n Blaubär“ entschlossen, dem großen überseeischen Bruder ein wenig nachzueifern. Ungewöhnlich großflächige und großformatige Werbung, ein Blaubär-Chat im Internet und lustige Blaubär-Fotoapparate im Drogeriemarkt verdeutlichen nur bruchstückhaft die Bemühungen, den Anschluss im Kampf um die Popularität nicht zu verlieren. Geschickt wird dabei, ganz dem großen Vorbild nacheifernd, das Augenmerk nicht nur auf Kinder, sondern auch auf die gesamte Familie gerichtet. Die Story des Films von Walter Moers, dem Erfinder des „Kleinen Arschlochs“, hat zwei Ebenen: eine die auf Kinder zielt mit lustigen Krokodilpiraten, drolligen Maulwürfen mit einer urkomischen Pfurzsprache, dem Bösewicht Professor Dr. Feinfinger, der vor allem durch die unverschämt eindringliche Stimme von Helge Schneider Profil erhält. Und es existiert noch eine Ebene mit eminent vielen politischen Anspielungen, die vor allem auf eine ältere Kinoklientel zielt.
Doch zunächst zur Geschichte selbst: Der böse Professor Feinfinger bringt die drei Enkel von Käpt’n Blaubär in seine Gewalt. Sie werden in seiner finsteren Felsenburg, umspült vom tosenden Ozean, gefangen gehalten. Dort beginnt Feinfinger mit einer Orgie der Umerziehung der drei Bärchen. Er möchte sie in das Reich des Bösen einführen, doch da hat er nicht mit der Hartnäckigkeit und dem Einfallsreichtum von Blaubär und der Treue von dessen Schiffsmaat Hein Blöd gerechnet. Feinfinger ist gezwungen, alle intriganten Register zu ziehen. Er hetzt die gefürchteten Krokodilpiraten, die unerbittlichen Wellenzwerge und die teuflischen Maulwürfe auf die zwei Seeleute. Doch es kommt wie es kommen muss zur finalen Auseinandersetzung zwischen dem Käpt’n und dem Professor. Es wendet sich alles zum Guten und die Macht des Bösen wird zerschlagen.
Zeichnerische Glanzlichter
Die Story wird mit viel Witz, Klamauk und Seemannsgarn gestrickt, wobei die Spannung nie aus den Augen verloren wird. Doch die wahre Qualität der Produktion ergibt sich aus anderen Dimensionen. Zum einen ist die künstlerische Bildgestaltung zu erwähnen, für die vor allem Michael Schaacks Trickfilmcompany verantwortlich zeichnet. Die traditionell gezeichneten Figuren sind realistisch und natürlich animiert und ‘ihre’ Welt ist aufregend und beeindruckend in Szene gesetzt. Dabei wird eine ganz eigene und neue Ästhetik zu generieren versucht: das Meer, die Boote und das Schloss werden spektakulär eingefärbt und eröffnen so fast eine neue Seherfahrung. Ein Trick half, diese Wirkung zu verstärken. Bei Kamerabewegungen verschieben sich die Relationen des Raumes bewusst ins Unnatürliche. Diese Verschiebung der Perspektiven und Relationen erzeugt effektvolle Bildwelten.
Ein Beispiel dafür stellt die Attacke der Krokodilpiraten auf Blaubärs Boot dar. Je nach Intensität der von Hein Blöd, den Kindern und Käpt’n Blaubär empfundenen Angst verändert sich dynamisch die Größe des Piratenschiffs. An dessen Bootskörper prangt ein großes A, das von einem Kreis umgeben wird! Eine Erinnerung an die anarchistische Distanzierung vom sogenannten Establishment der 70er Jahre! Die zeichnerische Phantasie lässt Begriffe wiederaufleben, die in unserer aktuellen politischen Diskussion verschwunden zu sein scheinen. Kinder können sicher nichts damit anfangen, aber die älteren Zuseher dürfen schmunzelnd in ihrer politischen Sozialisation kramen.
Der Gigant aus dem All
Ein wenig nostalgisch und historisch geht es in „The Iron Giant“ zu. Die Story ist in der Ära des Kalten Krieges angesiedelt. In dieser Zeit fanden in den USA oberirdische Atombombentests statt und das Fernsehen fand massen-haft Verbreitung. Der Start des ersten Satelliten - der russische Sputnik - verbreitete die Angst vor sowjetischen Atomraketen. Die Handlung selbst hat die Kurzgeschichte für Kinder „The Iron Man“ des Briten Edward James ‘Ted’ Hughes aus dem Jahr 1968 zur Grundlage. Erzählt wird die Geschichte des zehnjährigen Hogarth, der im Wald einen riesigen Roboter aus Metall entdeckt, der geradewegs aus dem All heruntergepurzelt ist. Hogarth - dem seine alleinerziehende Mutter keine Haustiere erlaubt - freundet sich mit zwar Furcht einflößenden, aber dennoch sympathischen Riesen an. Doch wohin mit dem Ungetüm aus Stahl, das noch dazu unaufhörlichen Appetit auf Metall verspürt. Schließlich kann der Gigant doch nicht ständig unentdeckt Autos, Eisenbahnschienen und Traktoren verspeisen.
Hogarth versteckt den Roboter deshalb bei seinem Freund, dem jungen Künstler Dean, der nicht nur ausgesprochen nett ist, sondern noch dazu einen Schrottplatz besitzt. Da aber Fischer den Absturz des Giganten beobachtet haben und die Zerstörung der vielen Autos nicht geklärt wird, heftet sich der zynische und dumme FBI-Agent Kent Mansley an die Fersen des Riesen. Mansley ist geprägt von der Hysterie des Kalten Krieges, das heißt, er handelt so wie er nach seinem Doktrin handeln muss. Der Riese stellt eine Bedrohung dar, die zu vernichten ist. Schnell merkt aber der Ermittler, dass die Schlüsselfigur in diesem Spiel Hogarth ist und so macht er sich an diesen heran, setzt ihn unter Druck und hetzt die Armee mit Atomraketen auf den (sonst) friedlichen Roboter. Hogarth und seinem Giganten gelingt es aber, die Stadt und die Armee von der Friedfertigkeit zu überzeugen. Allerdings zu spät, denn die Atomrakete ist bereits gezündet. Die Stadt soll geopfert werden, um so Amerika vor der Bedrohung zu retten. In wahrer Selbstaufopferung und als Beweis seiner Freundschaft zu Hogarth steigt der Gigant in den Himmel auf, durchkreuzt die Flugbahn der Rakete und wird von der Bombe in tausend Teile zerfetzt.
Aufrichtige Botschaften
Das Ganze wird flott und emotional erzählt, kommt allerdings nicht ohne einige kitschige Kleinigkeiten aus. Dean und Hogarths Mutter verlieben sich überflüssigerweise ineinander und der General, der von Mansley zum Abschuß der Atomrakete genötigt wird, ist in seiner Besonnenheit doch zu positiv stilisiert. Aber die Spannung kommt niemals zu kurz und auch die Tricktechnik wird mehr als routiniert eingesetzt. Die Animationen sind perfekt - und so gesehen muss es wirklich nicht immer Disney sein. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass bei der Warner Brothers-Produktion Anklänge an bewährte Zeichentrick-Traditionen im Stile Disneys spürbar sind. Die Art der eher flächig wirkenden Figurenpräsentation und Zeichnung verwundert nicht, da die Produzentin Allison Abbate lange Jahre bei Disney arbeitete und Regisseur Brad Bird mit 14 Jahren von einem der Disney-Animatoren aufgrund seines eigenen ersten Zeichentrickfilms als Talent entdeckt und schließlich dort auch gefördert wurde.
Doch das entscheidende Qualitätsmoment entwickelt der Film auf einer ganz anderen als der zeichnerischen Ebene. „Der Gigant aus dem All“ beinhaltet eine entschiedene Absage an Waffen, Aggression und Krieg und an humanes Leben paralysierende Feindbilder. Kindern wird diese positive pazifistische Botschaft schnörkellos präsentiert und die Gefährlichkeit von Vorurteilen wird eindringlich gezeigt. Außerdem wirft der Film einen ironisch distanzierten Blick auf die spießige und verklemmte Welt der 50er Jahre Nordamerikas, die manchmal doch zu gerne verklärt werden. Damit entfernt sich auch diese Produktion mit einer frischen politischen Brise und mit Riesenschritten wohltuend von der Disneytradition, die ihre Ideologien immer verbrämt präsentiert und damit kein Risiko einzugehen gewillt ist.
Die Kinokassen melden, dass die beiden sympathischen Filme mit ihren unaufdringlichen und humorig vorgetragenen Botschaften sich mehr als nur behaupten können. Diese Information ist hoffentlich kein Seemannsgarn.
Käpt’ Blaubär
Regie: Hayo Freitag – Buch & Figuren: Walter Moers – Kamera: Graham Tiernan - Musik: Wolfgang v. Henko, Fred Timm & Joachim Schlüter - Sprecher: Wolfgang Völz, Edgar Hoppe, Helge Schneider – Produktion: Deutschland (Senator Film) 1999 – Länge: 80 Minuten – Verleih: Senator Film
Der Gigant aus dem All (The Iron Giant)
Regie: Brad Bird – Drehuch: Tim McCanlies nach der Kurzgeschichte „Der Eisenmann“ von Ted Hughes – Produzenten: Allison Abbate, Des McAnuff – Gesamtleitung: Pete Townshend - Musik: Michael Kamen – Sprecher: Till Völger, Jürgen Kluckert, Nadja Reichardt, Johannes Baasner – Produktion: USA (Warner Brothers) 1999 - Länge: 87 Minuten – Verleih: Warner Brothers
Beitrag aus Heft »2000/01: Aufwachsen in Medienwelten II«
Autor: Michael Bloech
Beitrag als PDFEinzelansichtTilmann P. Gangloff: Jenseits von Disney
Kinderfilm = Disney: eine Gleichung, die praktisch weltweit gilt. Gerade in diesem kleinen Segment ist die Dominanz von Hollywood erdrückend, zumal die Zielgruppe so überschaubar ist wie keine andere: Spätestens mit zwölf Jahren orientieren sich Kinder am Kino für Erwachsene, wollen Jungs Filme mit Arnold Schwarzenegger und Mädchen Romanzen mit Julia Roberts sehen. Der reine Kinderfilm, Produktionen also, die sich nicht an die ganze Familie, sondern tatsächlich an Menschen zwischen vier und zehn Jahren richten, hat kaum eine Chance, sich auf dem Kinomarkt zu behaupten: Kinos buchen Filme bevorzugt für sämtliche Vorstellungen eines Tages; Kinderfilme aber können nur mittags und nachmittags gezeigt werden. Doch selbst der Erfolg von Familienfilmen, die ja auch in den Abendvorstellungen laufen können, ist untrennbar mit hohen Investitionen in die Werbung verbunden.
Die erfolgreichsten deutschen Familienfilme der letzten Jahre - „Rennschwein Rudi Rüssel“, „Charlie & Louise - Das doppelte Lottchen“ und „Pünktchen und Anton“ - basierten zwar auf populären Buchvorlagen, aber ein Werbebudget in vermutlich siebenstelliger Höhe sorgte dafür, dass die Titel in aller Munde waren. Ebenfalls unabdingbar für einen finanziellen Erfolg ist die Anzahl der Kopien; Filme, die nicht mit 300 Kopien starten, haben von vornherein kaum Marktchancen. Zusätzlich verschärft wird die Situation gerade für kleine Verleiher, die nur eine Hand voll Filme pro Jahr in die Kinos bringen, durch die Blockbuchung: Kinozentren mieten Filme im Paket, so dass der ohnehin begrenzte Raum für unabhängige Verleiher noch kleiner wird. Da viele der großen deutschen Verleihfirmen mehr und mehr auch selbst produzieren, wird auch für unabhängige Produzenten der Spielraum enger.
Um wenigstens annähernd so etwas wie Chancengleichheit herzustellen, hat der Bundesverband Jugend und Film (BJF) zusammen mit der European Children’s Film Association (ECFA) im November 1999 in Konstanz die 1. Europäische Konferenz für den Verleih von Kinder- und Jugendfilmen veranstaltet. Ziel der Konferenz sollte eine Länder und Medien übergreifende Kooperation all jener Menschen sein, die sich für den Kinderfilm engagieren. Rund fünfzig Experten aus elf Ländern repräsentierten nahezu alle Kinderfilmbereiche: Verleiher (gewerblich und nichtgewerblich), Weltvertriebe, Produzenten, Kinobesitzer, Videoanbieter, Autoren und Regisseure, viele von ihnen schon seit Jahrzehnten um den Kinderfilm bemüht. Einzig die Fernsehanstalten, jedenfalls die Kinderredaktionen, waren trotz Zusage nicht vertreten, was als symptomatisch empfunden wurde: Vom Fernsehen hat die Kinderfilmbranche nur geringe Unterstützung zu erwarten.
Ein Überblick über die identischen Entwicklungen der letzten Jahre in verschiedenen europäischen Ländern zeigte die Parallelen zum Kino für Erwachsene auf: Auch die Hitlisten der Kinderfilme werden überall von Hollywood-Filmen dominiert. Erst mit deutlichem Abstand folgen jeweils einheimische Produktionen, während Filme aus europäischen Nachbarländern, geschweige denn von anderen Kontinenten, praktisch nicht vorkommen. In einigen Ländern liegt aber auch die einheimische Produktion mehr oder weniger brach. Auch das Bild der deutschen Kinderfilmszene, die von Friedemann Schuchardt, dem Geschäftsführer von Matthias-Film skizziert wurde, war düster. Schmerzlich sei vor allem der Verlust der ostdeutschen Kinderfilmtradition nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten: 25 Prozent der staatlich gelenkten Defa-Kinoproduktion in der DDR waren Kinderfilme. „Im Westen gab es so ein System nie“. Das stimmt allerdings nur für die Zeit nach 1957. In diesem Jahr trat in der Bundesrepublik Deutschland ein neues Jugendschutzgesetz in Kraft, das Kinder unter sechs Jahren den Kinobesuch verbot. Dies war das Ende einer bis dahin florierenden Märchenfilmproduktion. Bei der Vereinigung sei nun versprochen worden, die Tradition der DDR zu bewahren, doch dieses Versprechen wurde nie eingelöst.
Schuchardt räumte zwar ein, dass in Deutschland viel für Kinder produziert werde, doch beschränke sich dies mit Soaps, Dokumentationen und Serien überwiegend auf den Fernsehmarkt. Ein aktuelles Beispiel für die Schwierigkeiten, eine anspruchsvolle Kinoproduktion zu realisieren, ist „Die grüne Wolke“, die Verfilmung des gleichnamigen Buches von A.S. Neill durch Denkmal-Film. Das Produktionsvolumen liegt bei 12 Millionen Mark; der Film entsteht als TV-Serie, die fürs Kino umgeschnitten und gekürzt wird. Als Produzent und Autor eines Kinderfilms müsse man seine Energien vor allem in finanzielle und weniger in kreative Fragen investieren. Nicht zuletzt aus diesem Grund seien Regisseure wie Jan Schütte oder Hartmut Schoen nicht bereit, Kinderfilme zu inszenieren.
Breite Zustimmung erhielt Schuchardts Forderung nach einer engeren Kooperation zwischen Produzenten und Verleihern von Kinderfilmen. Gerade der Kinderfilm dürfe nicht unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden, schließlich handele es sich um „Kultur für Kinder“. Deshalb müsse auch der Non-Profit-Bereich als förderungswürdig erachtet werden. Obwohl sich die Teilnehmer der Konferenz darin einig waren, dass der Kinderfilm jenseits von Disney ohne konzertierte Unterstützung chancenlos sei, fiel das Fazit der Tagung überraschend positiv aus. Gerade die Aktionen, mit denen es kleinen Verleihern aus Belgien, Holland und Skandinavien gelungen ist, dem Zeichentrickfilm „Kiriku und die Zauberin“ zu eindrucksvollen Zuschauerzahlen zu verhelfen, belegten, dass mit Engagement und strategischem Denken etwas bewegt werden kann. Gleichzeitig zeigte sich aber auch, dass die Verleiher miteinander kaum in Kontakt stehen.
Die Konferenz endete mit dem festen Vorsatz, die verschiedenen Institutionen in ein Netzwerk einzubinden, damit sie von den Erfahrungen in anderen Ländern profitieren können. Diskutiert wurde auch die Einführung eines europäischen Gütesiegels, das zum Beispiel Festival-Siegern den Weg in die Kinos erleichtern soll. Wirksamer sei aber eine Erfolgsliste mit den in Europa verliehenen Kinderfilmen und ihren Zuschauerzahlen.
Beitrag aus Heft »2000/01: Aufwachsen in Medienwelten II«
Autor: Tilmann P. Gangloff
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kolumne
Claudia Schmiderer: Happy New Year!
Trotz Sofi und Jahrtausendwechsel, der Weltuntergang und die befürchteten großen Katastrophen wie ein Y2K-Fiasko sind ausgeblieben. Der Dax und die Zuschauerzahlen der Teletubbies steigen weiter. Die Medien werden weiterhin verteufelt und den verlorenen moralischen und ethischen Werten wird verstärkt nachgetrauert.Der Verlust der Werte wird im neuen Millenium ein attraktives Thema bleiben, ein besonders beliebtes dazu für Weihnachts- und Neujahrsansprachen, auf die wir nun leider wieder fast ein ganzes Jahr warten müssen. Ebenso füllt es auch unzählige Spalten in der ZEIT, im Spiegel und in den Rückblicken prominenter Zeitzeugen wie Dönhoff, Schmidt & Co.Im Kampf um die Aufmerksamkeit ist die Story von der Entwicklung zu einer Wert-losen Gesellschaft gesellschaftsfähig geworden.
Der Zerfall von öffentlicher Moral, so wird uns nahegelegt, hat zutiefst verunsicherte, orientierungslose Bürger zur Folge, die ihre privaten ethischen Normen verloren haben. Sämtliche vorhandenen sittlichen Maßstäbe seien aus den Fugen geraten und dafür gäbe es nun wirklich genügend Beispiele: Die Familie, Jahrhunderte lang ein Hort der Vermittlung der wichtigsten Regeln für ein friedliches menschliches Zusammenleben, zerfällt. Versicherungen und Finanzämter werden betrogen. Die Moderatorinnen und Moderatoren überbieten sich in den Talkshows gegenseitig mit Provokationen, um ihren Gästen Intimitäten zu entlocken oder sie gegeneinander aufzubringen. Schmuddel ist in! Wer zeichnet dieses Bild der Welt und seiner Menschen? Zuallererst natürlich die Medien. Mir scheint, als riefen – selbstverständlich wieder über die Medien - diejenigen am lautesten nach der Einhaltung moralischer und ethischer Vorgaben, die sie stets nur von den anderen einfordern, sich selbst aber über den Dingen stehend betrachten. Die wahrlich schrecklichen Gewalttaten Jugendlicher sind die Taten Einzelner, denen ein familiärer Halt, ein fürsorgliches soziales Umfeld versagt geblieben ist, die Vorbilder suchen und sie möglicherweise auch in Gewaltvideos finden. Kaum vorstellbar, was in den Köpfen und Herzen dieser jungen Menschen vorgehen muss. Das Geschehene ist in keiner Weise zu rechtfertigen. Dennoch, sind Lehrer, die immerhin auch Machtpositionen einnehmen, wirklich gänzlich unschuldig am möglichen Hass der Schüler auf die Institution Schule und ihre Vertreter?
Für die kriegführenden Erwachsenen auf der ganzen Welt gibt es andere Gründe, das Leben unzähliger Menschen auszulöschen. Wir haben es mit einem ausgesprochenen Problem der Menschen zu tun, die Macht besitzen – in den Regierungen, Parteien und Chefetagen der Unternehmen. Sie alle scheinen sich ihren eigenen Reim auf das zu machen, was political correct ist. Natürlich, sie rackern sich ab, Tag für Tag, Wochen- wie Sonntags, wie man hört 28 bis 32 Stunden am Tag – und das für einen Hungerlohn. Da hat es doch jeder Arbeitslose schöner, der sein Geld für nichts und wieder nichts bekommt und womöglich auch noch schwarz dazuverdient. Ein Flug mit dem Hubschrauber, eine Urlaubsreise, ein paar Peanuts...alles geschenkt beziehungsweise im wahrsten Sinne des Wortes umsonst, also ohne Gegenleistung. Aber stellen wir uns doch nicht so an. Das gab es immer schon, bei Kleopatra und Shakespeares „Ceasar“: „der Größe Missbrauch ist, wenn von der Macht sich das Gewissen trennt“. Und seien wir einmal ehrlich, alles wäre wirklich halb so schlimm, würde die Einhaltung der Werte, der christlichen oder humanistischen, nicht ständig von ‘oben’ eingefordert.Daher unsere Bitte für das taufrische Jahrtausend: gebt es auf, aus uns bessere Menschen machen zu wollen. Der Glaube an irgendetwas Wert-volles versetzt keine Berge mehr. Wir kennen nämlich – entgegen der gängigen Meinung - immer noch sehr genau den Unterschied zwischen Gut und Böse, und wir lassen uns dieses Wissen nicht nehmen. Lasst die Jugend in Ruhe, sie ist hochmotiviert und braucht am wenigsten gute Ratschläge für die Gestaltung ihres Lebens.
Es ist an der Zeit, Rechenschaft von denjenigen zu verlangen, die die Regeln für die menschliche Gemeinschaft meinen für ihre Bedürfnisse und nach eigenem Gusto modifizieren zu können. Doch dieses Vorhaben wird wie alle anderen sehr wahrscheinlich glimpflich für die Betroffenen ausgehen. Und mit den paar Mark unterm Kopfkissen – denn vor Bankkonten sei gewarnt - lässt es sich die nächsten Jahre ganz gut leben.
Beitrag aus Heft »2000/01: Aufwachsen in Medienwelten II«
Autor: Claudia Schmiderer
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