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Günther Anfang: VIVA ARTE VIVA

    Zur Person

    Neulich fragte mich meine Tochter (8 Jahre), ob ich mit ihr nicht in die Pinakothek der Moderne in München gehen will, denn sie wolle mir dort etwas zeigen. Ich war erst einmal erstaunt, da die Pinakotheken ja nicht unbedingt ein Ort sind, den Kinder als erstes nennen, wenn sie Spaß haben wollen. Hintergrund war allerdings gleichzeitig auch, dass meine Tochter die Pinakotheken mit mir schon immer gerne besucht hat, da es da leckere Trinkschokolade (= Spaßfakator) gibt, und sie kurze Zeit zuvor mit ihrer Schulklasse eine Führung in dem Museum besucht hatte. So ließ ich mich gerne auf diesen Vorschlag ein und machte mich zusammen mit meinen beiden Töchtern (7 und 8 Jahre) auf den Weg ins Museum. Am Ort angekommen wurde ich auch gleich zielgerichtet zu drei Kunstwerken geführt. Das erste Bild war eines von Pablo Picasso, Madame Soler (1903), aus seiner blauen Periode. „Schau, das hat der Picasso in blau gemalt, weil die Frau traurig ist. Und jetzt zeig ich dir noch eines!“

    Das nächste Bild stammte von Max Beckmann: Bildnis Quappi in Blau. „Hier ist die Frau auch in blau gemalt, weil sie auch traurig ist!“. Auf die Frage, woher sie das denn wisse, antwortete sie: „Von einer Frau, die uns das letzte Woche bei unserem Schulausflug gesagt hat. Und die hat uns noch ein Bild gezeigt!“. Sofort wurde ich an der Hand genommen und durch drei weitere Räume dirigiert, bis wir vor einem ziemlich düsteren Bild von Georg Baselitz standen. „Hier musst du dich auf den Kopf stellen, um das Bild erkennen zu können!“ Okay, nachdem ich mich auf den Kopf gestellt hatte, erkannte ich zwei männliche Figuren. „Der hat alles auf dem Kopf gemalt!“ Nun gut, ich hatte verstanden: blau ist traurig und Baselitz kopfüber. Die Erkenntnis über Kunst war für diesen Tag erst einmal perfekt, nun war Trinkschokolade angesagt. Mit Kindern Kunstausstellungen zu besuchen ist immer wieder spannend und macht Spaß. Vor allem dann, wenn es gelingt, dass die Kinder selbst durch die Ausstellung führen. Da reichen auch drei Exponate. Ganz anders ist es natürlich, wenn man ein ganzes Kunstfestival wie die Biennale 2017 in Venedig besucht, die dieses Jahr unter dem Motto VIVA ARTE VIVA steht. Auch da gelingt es, Kunst und Spaß miteinander zu verbinden, wenn man nur der Entdeckerfreude freien Raum lässt. Bei der Biennale wird vor allem im Arsenale, der ehemaligen Schiffswerft von Venedig, einiges geboten. In den riesigen Lagerhallen gelangt man von einer Installation zur anderen. Vieles ist beindruckend allein dadurch, dass es groß und farbenprächtig ist.

    Auch bei der diesjährigen Biennale gibt es dort einiges zu bestaunen. Gleich am Eingang der Arsenale stößt man auf mehrere riesige Marmorkugeln der aus Polen stammenden Künstlerin Alicja Kwade: Pars pro Toto (2017, Naturstein, Sand). Hier könnte man natürlich herrlich damit spielen. Zumindest anfassen darf man die Kugeln und das ist ja auch schon etwas Besonderes. Für Kinder ist aber auch ein netzartiges Zeltdach, in das man hineinschlüpfen und darin auf Trommel-Musik machen kann, beeindruckend. Die Installation Um Sagrado Lugar (A Sacred Place) stammt von Ernesto Neto. In diesem Zelt können sich die Besucherinnen und Besucher in brasilianische Schamanenrituale einweisen lassen und Einblicke in das Leben von Huni-Kuin- Indianern aus dem Amazonas erhalten. Den Kindern bereit das sehr viel Freude, denn wer will nicht gerne mit anderen in einem Zelt trommeln und Schamanenrituale kennenlernen. Ebenso beeindruckend ist ein Kunstwerk, das aus bepflanzten Schuhen besteht. Die von Michel Blazy gestaltete Collection de Chaussures zeigt eine Installation mit Schuhen, Pflanzen, Erde und Wasser und sticht schon deshalb hervor, da man unweigerlich plötzlich aus allen Schuhen Pflanzen sprießen sieht. Genauso überwältigend ist ein Kunstwerk des Schweizer Künstlers Julian Charriere, der in Berlin lebt. In Venedig zeigt er eine Installation aus Salz des bolivianischen Salzsees Salar de Uyuni mit dem Titel Future Fossil Spaces. Die riesigen Salzsäulen kann man umrunden und sich dazwischen verstecken. Wenn das kein Abenteuer ist! Schließlich und endlich gelangt man bei der Biennale 2017 noch zu einer riesigen Textilinstallation der US-amerikanischen Künstlerin Sheila Hicks, die in Paris lebt. In Venedig zeigt sie ihre Installation Scalata al di la dei terreni cromatici / Escalade Beyond Chromatic Lands, das sind bunte Wollknäuel im gigantischen Ausmaß. Bei deren Anblick möchte man sich am liebsten mittenreinlegen und Pause machen. Doch beim Stichwort Pause machen sollte man nicht vergessen, dass Kinder beim Besuch von Kunstausstellungen einige Pausen brauchen, in denen es Eis, Getränke und Zeit zum Spielen gibt. Dann kann ein Besuch einer Kunstausstellung gelingen, und muss auch nicht immer mit heißer Schokolade sein. Die 57. Biennale in Venedig läuft noch bis 26. November 2017.

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