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Lisa Klimesch: Mobben auf dem Cyber-Schulhof

    Zur Person

    Jakob ist erst vor kurzem in die Stadt gezogen. Widerwillig macht er sich zum ersten Mal in seine neue Schule auf und gerät prompt in ein Abenteuer: Auf dem Schulhof herrscht große Aufregung um Nicole, eine Mitschülerin, die bitterlich weint, weil ihr Facepage-Account gehackt und gemeine Lügen über sie verbreitet wurden. Jakob will helfen und macht sich auf die Suche nach dem Täter und seinem Motiv … Das vom Deutschen Kinderschutzbund Bayern in Kooperation mit Digital Treasure Entertainment veröffentlichte Browserspiel Jakob und die Cyber-Mights setzt sich spielerisch mit der Problematik Cybermobbing auseinander und lädt Kinder ein, sich mit dem Hobbydetektiv Jakob auf die Suche nach dem Cyber-Bösewicht zu begeben. Per Mausklick wird die Spielfigur Jakob dabei durch verschiedenste Szenarien bewegt, in denen er seine Nachforschungen anstellt. Die Suche beginnt auf dem Schulhof, wo Jakob sich während der Pause mit Mitschülerinnen und Mitschülern und Lehrkräften unterhält und Informationen und Hinweise zum Mobbingfall sammelt. Hier wird schnell klar: Ganz so einfach ist die Suche nach dem Übeltäter nicht. Zunächst müssen Hinweise interpretiert, Gegenstände gesammelt und Rätsel gelöst werden, um zum nächsten Level zu gelangen und die Hintergründe der Tat Schritt für Schritt ans Licht zu bringen.

    Jedes Level hält eine neue Umgebung und weitere Figuren bereit, die Jakob bei seinen Ermittlungen begleiten. Einige der Spielhandlungen wirken amüsant: Beispielsweise findet Jakob ein Haargummi auf dem Schulhofboden, mit dem er später eine Steinschleuder basteln kann. Andere dagegen sind eher fragwürdiger Natur: Der Handy-Code eines Mitschülers muss geknackt werden, um heimlich an Informationen zum Mobbingfall heranzukommen. Den Spielenden legen die Entwickler hier ein bedenkliches Vorgehen zur Konfliktlösung nahe. Die ‚Point and click‘-Navigation und der farbenfrohe, handgemalte Grafikstil des Spiels sind der Zielgruppe von Kindern ab zehn Jahren entsprechend gestaltet. Die Dialoge mit anderen Figuren erscheinen als kleine Comics, die auditiv unterlegt sind und so für Abwechslung sorgen; verschiedene wählbare Gesprächsthemen gewähren den Spielenden eine gewisse Entscheidungsfreiheit. Etwas schade ist, dass das Spiel nur wenige Tipps zur Lösung der Rätsel bereithält, wenn man an einer Stelle nicht weiterkommt – so ist man auf die eigene Kombinationsgabe und Intuition angewiesen, was vor allem bei jungen Spielerinnen und Spielern schnell zu Frustration führen kann. Das selbständige Erkunden der Umgebungen und die teilweise witzigen Kommentare von Jakob stellen dagegen Spaßfaktoren für die Spielenden dar. Die Figuren des Spiels entsprechen leider den gängigen Klischees und fördern rollenspezifisches Denken: Neben dem Cybermobbing-Opfer, einem unscheinbaren Mädchen mit großer runder Brille, das das Stereotyp der ‚Streberin‘ erfüllt, ist ein klassischer Außenseiter mit abstehenden Ohren in den Mobbingfall verwickelt.

    Die Clique der ‚Cyber-Mights‘, eine Gruppe ‚Grufties‘ in düsteren Totenkopf-Shirts zieht durch ihr provokantes Auftreten und ihre vermeintlich bösen Absichten die Aufmerksamkeit auf sich. Obwohl die Cyber-Mights Jakob letztendlich unterstützen, wird nicht thematisiert, dass Cybermobbing weitaus komplexer und nicht auf bestimmte Rollen festgelegt ist. Den Spielemachern ist mit Jakob und die Cyber-Mights ein kurzweiliges Adventure Game für Kinder gelungen, das Lerninhalte zu Medienkompetenz mit kniffligem Rätselspaß verbindet. In pädagogischer Hinsicht erscheint es jedoch stellenweise verbesserungswürdig, um wirklich den beworbenen kompetenten Umgang mit Cyberrisiken zu vermitteln. Das kostenlose Lernspiel ist unter www.jakob-und-die-cyber-mights.de sowohl als Online- als auch als PC-Version verfügbar. Einen völlig anderen Ansatz im Umgang mit Cybermobbing bietet das Planspiel Bloßgestellt im Netz für Zwölf- bis 16-Jährige, das vom und Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e.V., AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation wie auch der Landesstelle Nordrhein-Westfahlen e. V. herausgegeben wurde: Hier sind Einfühlungsvermögen und Kommunikationsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen gefragt. Auch hier beschreibt die Ausgangssituation einen Cybermobbingfall: Die Clique, zu der auch das Pärchen Coco und Puk gehört, geht auf dieselbe Schule und unternimmt viel gemeinsam. Als sich Puk von Coco trennt, stellt diese wütend ein Bild von ihm ins Netz und markiert ihn darauf als „Missgeburt“. Außerdem benutzt sie sein Passwort, um gemeine Nachrichten auf die Pinnwände seiner Freunde zu setzen. Innerhalb weniger Stunden weiß die ganze Schule davon.

    Mit dieser Einführung in die Geschichte startet das Planspiel für Jugendgruppen und Schulklassen, bei dem zunächst die Rollen verteilt werden: In kleinen Gruppen von zwei bis drei Personen sollen sich die Teilnehmenden in die Gedanken- und Gefühlswelten von Coco, Puk und den anderen Cliquen-Mitgliedern hineindenken. Wie fühlt sich Puk? Bereut Coco ihre Aktion? Was halten die anderen von den Nachrichten im Netz? Die Gruppen bekommen Rollenmappen, die Beschreibungen für jede Figur sowie weitere Arbeitsmaterialien enthalten. Zusätzlich wird für jede Rolle eine Beobachterin bzw. ein Beobachter ausgewählt, der die Diskussionen und Gesprächsergebnisse seiner Gruppe möglichst neutral und objektiv festhalten soll. Am Ende des Spiels werden diese Dokumentationen zur Auswertung herangezogen. Jetzt geht es los: Die Rollenteams überlegen, wie sich ihre Figur fühlen könnte und halten ihre Ergebnisse auf der sogenannten Einfühlungsliste fest. Dabei sollen jeweils die Sätze „Wir fühlen“, „Wir befürchten“ und „Wir wünschen“ vervollständigt werden. Außerdem werden erste Schritte des weiteren Vorgehens geplant, zum Beispiel mit welcher Rollengruppe Gespräche geführt werden sollen, um das Problem zu lösen. Ein Gesprächswunsch wird an den Beobachter weitergeleitet, der mit dem Spielleiter einen ‚Termin‘ vereinbart. Tauschen sich beispielsweise die Rollenteams von Coco und Puk aus, können die Teilnehmenden auf rollenspezifische Gesprächsstrategien zurückgreifen. Am Ende jedes Gesprächs hält das Team die aktuelle Gefühlslage seiner Figur auf dem Gefühlsbarometer fest. Das Rollenspiel ermöglicht es Kindern und Jugendlichen selbst mitzuerleben, welche Dynamik Cybermobbing und dessen Folgen entwickeln können und regt zur intensiven Auseinandersetzung mit den Figuren sowie der Problemsituation an. Im Gegensatz zum Onlinespiel Jakob und die Cyber-Mights liegt der Schwerpunkt des Planspiels dabei auf einer aktiven Kommunikation zwischen den Spielenden. So wird eine Sensibilisierung für die Schwierigkeiten beim Lösungsprozess eines Cybermobbingfalls möglich. Im Laufe des Spiels sollen die Teams zudem eigenständig Handlungsstrategien erarbeiten und erproben, die in einer abschließenden Auswertungsrunde gemeinsam reflektiert werden.

    Am Ende des Planspiels können die Schülerinnen und Schüler gemeinsam eine Klassenvereinbarung unterschreiben, die denZusammenhalt der Schulklasse stärkt und damit wohl eine der besten Präventionen von Cybermobbing darstellt. Herausgeber des Spiels ist der AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitationin der Erzdiözese Freiburg e. V., der damit nicht nur auf die Aktualität der Thematik Cybermobbing aufmerksam machen, sondern pädagogischen Fachkräften zugleich umfassendes Material zur Durchführung von Präventionsmaßnahmen an die Hand geben möchte. Die Begleit-Broschüre des Planspiels bietet pädagogischen Fachkräften neben einer kurzen Einführung in die Thematik sowie Hinweisen zu Beratungsangeboten eine ausführliche Beschreibung des Rollenspiels. Auf einer beiliegenden CD finden sich alle Arbeitsmaterialien als Kopiervorlagen im PDF-Format. Während das Planspiel Bloßgestellt im Netz für die Durchführung in Schulklassen und Jugendgruppen gedacht ist und die Bedeutung einer intensiven Beschäftigung mit Cybermobbing in einem möglichst realen und sozialen Kontext betont, wird das Browserspiel Jakob und die Cyber-Mights dagegen online in einem – wenn überhaupt – kleinen sozialen Setting, beispielsweise zuhause mit Freunden gespielt. Die pädagogischen Ansätze unterscheiden sich dabei in ihrer thematischen Tiefe und begleitenden Reflexion.

    Die Potenziale der Angebote zur Prävention von Cybermobbing sind klar erkennbar: Das Onlinespiel bietet den Userinnen und Usern in erster Linie Unterhaltung und regt nebenbei zum Nachdenken über Cybermobbing an, während das Planspiel tiefer in die Thematik einsteigt und sich auf die Entwicklung praxisnaher Handlungsstrategien und Lösungswege konzentriert. Jakob und die Cyber-Mights kann in diesem Sinn eine abwechslungsreiche Einführung in das Thema geben, die durch das Rollenspiel im schulischen Kontext aufgegriffen und vertieft wird.

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