Zum Hauptinhalt springen

Sophia Stemmer: Fabers Schatz

    Zur Person

    Funke, Cornelia (2016). Fabers Schatz. Hörbuch, gelesen von Rainer Strecker und Marianne Wagdy, zweisprachig. Silberfisch. 23 Min., 9,99 €.

    Als Faber erfährt, dass sein Opa von Hamburg zu seinem Bruder nach Amerika zieht, ist er zunächst sehr traurig. Alte Leute ziehen doch nicht mehr um, und wenn, dann bestimmt nicht bis nach Amerika! Doch sein Opa ist und bleibt eben ein Weltenbummler – und so schenkt er ihm zu seinem Abschied einen seiner wertvollsten Reise- Schätze: einen alten Teppich aus Damaskus, der angeblich fliegen können soll. Mit diesem soll Faber ihn besuchen kommen. Aber wie genau das funktioniert, hat ihm sein Opa leider nicht verraten. Faber hofft, dass der Schlüssel zu seinem Glück in den Zeichen liegt, die auf dem Teppich geschrieben stehen. Faber kann natürlich schon lesen, aber diese Worte fallen ihm schwer, denn sie sind in einer anderen Sprache geschrieben. Aber irgendjemand muss mit der fremden Schrift auf dem Teppich doch etwas anfangen können. Also macht er sich auf die Suche. Zuerst fragt er seinen Freund Kamil, dessen Mutter aus Marokko kommt, was auf dem Globus nicht weit entfernt von Damaskus liegt. Und da kommt der Teppich schließlich her. Doch auch sie kann die Schrift nicht lesen. So sucht Faber am Hafen weiter. Dort ist er oft mit seinem Opa gewesen. „Guck dir die Leute an – von Milch bis Bitterschokolade. So bunt ist die Welt!“, hatte dieser dann immer gesagt. Auch heute ist dort ein buntes Treiben. Faber fragt Kinder, die am Hafen Fußball spielen, er fragt die Matrosen an der Imbissbude. Doch niemand kann die Wörter lesen. Niedergeschlagen und etwas hilflos setzt er sich auf seinen Teppich. Da vernimmt er plötzlich eine zarte Stimme: Sie kommt von einem Mädchen, einem kleinen, zarten Wesen mit schwarzem Haar und, naja, irgendwie seltsamen Klamotten, findet Faber. Das Mädchen zeigt auf den Teppich und die Worte, die jetzt aus ihrem Mund erklingen, findet Faber einfach nur wunderschön: yatir alssajad, wayatir!, oder so ähnlich. Es ist Arabisch und bedeutet auf Deutsch ‚Flieg, Teppich, flieg!’. Faber kann jetzt nicht nur seinen Ohren, sondern auch seinen Augen kaum trauen. Er fliegt, der Teppich, er erhebt sich und fliegt wirklich! Shaima, das Mädchen, verbietet dem Teppich zwar die Route nach Damaskus einzuschlagen, Faber aber ist überglücklich. Eine zauberhafte Reise beginnt ... auf der Shaima Faber unter anderem beweist, dass sein Opa schon immer Recht hatte: Die Welt ist bunt wie ein Teppich aus tausenden von Fäden. Das Hörbuch Fabers Schatz erzählt eine fantasievolle Geschichte über Freundschaft und Fremdheit. Durch die prägnanten Stimmen und die jeweils sensible Ausdrucksweise von Rainer Strecker und Marianne Wagdy, die das Buch gelesen und übersetzt haben, können sich Hörerinnen und Hörer nicht nur in die Handlung, sondern bis in die Figuren hineinversetzen, eben komplett in die Geschichte eintauchen. Die einfühlsame und ruhige Erzählweise verleitet in Kombination mit der orientalischen Musik zudem zum Träumen und Verweilen. Die Geschichte ist in einer deutschen und einer arabischen Fassung auf der CD enthalten, weshalb sie sich auch für Kinder mit arabischsprachigem Hintergrund eignet. Mit einer Laufzeit von acht Minuten (deutsche Fassung) und einer fantasievollen Erzählweise trifft Cornelia Funke ihre Zielgruppe der ab Dreijährigen sehr gut. Sie bietet ihnen zudem – durch die Übersetzung einiger Wörter – eine Lernerfahrung der besonderen Art: „Erde?“ „Ard.“ – „Fluss?“ „Nahr.“ – „Zuhause?“ „Watani.“. Die Handlung ist jedoch nicht sehr umfangreich: Ein Junge erhält einen Teppich, findet durch diesen eine Freundin und fliegt mit ihr los. Es wird kein Spannungsfeld erzeugt, vielmehr herrscht durchweg pure Harmonie, die mit dem Beginn des gemeinsamen Losfliegens positiv verstärkt und bekräftigt wird.

    Fragwürdig ist allerdings auch, ob Kinder im Alter von drei Jahren die geschichtlichen Hintergründe überhaupt verstehen können. Warum verbietet Shaima beispielsweise dem Teppich, nach Damaskus zu fliegen und möchte nicht darüber sprechen? Und, da der Plot keinerlei Informationen zu Shaimas familiärem Hintergrund enthält, ist und bleibt ungewiss, wie oder wann sie nach Deutschland gekommen ist oder ob sie hier geboren wurde. Weiterhin erscheint das Thema Fremdheit etwas groß für die Zielgruppe. Kinder im Alter von drei Jahren erkennen, dass es Menschen mit verschiedenen Hautfarben und Sprachen gibt. Sie sind neugierig und möchten Erfahrungen sammeln. Die kindgerechte Vermittlung der Kulturen spricht zwar für die Handlung, andererseits wird Migration oft diskutiert und kann für dreijährige Kinder noch recht komplex erscheinen. Über kulturelle Zusammenhänge und Unterschiede sind sich Kinder dieses Alters schlicht noch nicht bewusst, da sie ihre Umwelt zwar wahrnehmen, aber nicht bewerten. Die Geschichte kann somit gut als Anreiz zur Gewinnung neuer Eindrücke dienen, jedoch werden Kinder durch Alltagserfahrungen und das Heranwachsen in der Gesellschaft auch mit (genügend) Erfahrungen und Wissen konfrontiert, um tatsächlich bewusst mit dem Thema umgehen zu können. Gleichzeitig ist das Hörbuch natürlich auch nur für Kinder ab dem dritten Lebensjahr empfohlen. Ältere Kinder können somit gewiss mehr aus der Handlung ziehen. Zudem ist und bleibt positiv hervorzuheben, dass die Autorin eine wichtige Botschaft vermittelt: Fremdheit ist nichts Schlimmes und Freundschaft ist wichtig. Es gibt keinen Grund, sich vor etwas Unbekanntem zu fürchten und es ist mutig, etwas Neues auszuprobieren. Die Freundschaft, welche zwischen Faber und Shaima entsteht, beschreibt kurz, wie fremdsprachliche Erfahrungen auf Kinder wirken und sie beeinflussen können. Immer häufiger wachsen Kinder bilingual auf, was die Fähigkeit fördern kann, im Sprachzentrum schnell umzuschalten und sich in andere Menschen hineinversetzen zu können. So ist es unterstützenswert, Kindern verschiedene Sprachen zu zeigen und sie im Erlernen dieser zu fördern.

    Fabers Schatz ist eine interessante, einfühlsame Geschichte über Freundschaft, die Fremde im eigenen Land und über die Sehnsucht nach der Ferne. Die Handlung zeigt durch die unaufdringliche Botschaft ,Hab keine Angst vor dem Anderen‘, dass man viel lernen und erleben kann, wenn man Fremdheit und Freundschaft verbindet. Das Hörbuch ist sehr empfehlenswert für Erzieherinnen und Erzieher, Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Medienpädagoginnen und -pädagogen, Eltern und für alle, die mit Kindern unterschiedlicher Sprachen zusammenarbeiten oder für die Themenkomplexe sensibilisieren wollen. Es bietet einen paradehaften Anreiz zur Diskussion über Mehrsprachigkeit, ein weltoffenes Miteinander und vermittelt, dass die Welt wunderschön, farbenfroh und vielfältig ist.

    Kontakt

    merz | medien + erziehung ist die unabhängige medienpädagogische Fachzeitschrift in Deutschland, in der Themen der Medienpädagogik aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Beschäftigen auch Sie sich mit diesem Themenbereich und möchten gerne selbst in merz veröffentlichen? Wir freuen uns immer über Einsendungen über Projekte aus Forschung und Praxis, über Rezensionen, Veranstaltungshinweise und natürlich Anregungen. 

     

    Redaktion

    merz | medien + erziehung
    Kati Struckmeyer und Swenja Wütscher
    Arnulfstraße 205
    80634 München

    +49 89 689 89 120
    +49 89 689 89 111
    merz@jff.de

    Verlag

    kopaed verlagsgmbh
    Arnulfstr. 205
    D-80634 München

    +49 89 688 900 98
    +49  89 689 19 12
    www.kopaed.de
    info@kopaed.de

    Herausgeber*in

    Kathrin Demmler | Prof. Dr. Bernd Schorb
    JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis

    Rechtsträger

    JFF – Jugend Film Fernsehen e. V.
    Arnulfstraße 205
    80634 München

    +49 68 989 0
    +49 68 989 111
    www.jff.de
    jff@jff.de

    Kontaktformular

    Kontaktformular


    Anmeldung zum merz-Newsletter

    Hier können Sie sich zum merz-Newsletter anmelden.  Datenschutzerklärung.

    Ich willige in die Verarbeitung meiner Daten zum Newsletter-Versand ein und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.