Dr. Wolfgang Schill
Zur Person
Dr. Wolfgang Schill arbeitete viele Jahre als pädagogischer Referent für Medienbildung am Berliner Landesinstitut für Schule und Medien. Derzeit ist er im Berliner Projektbüro der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) tätig.
Beiträge in merz
Wolfgang Schill: Medienerziehung und Medienbildung in der Grundschule
Dass die bundesdeutsche Schule in Zukunft wohl nicht mehr ‚so funktionieren‘ kann und wird wie noch zu Beginn des neuen Jahrzehnts, das hat uns bedauerlicherweise die aktuelle pandemische Situation in Sachen Corona gezeigt. Alle, die mit Schule, Unterrichten und Erziehen zu tun haben, haben nämlich direkt und indirekt erleben können, dass die Institution Schule sich auf den dynamischen Prozess der Digitalisierung und Mediatisierung unserer Lebenswelten in der Vergangenheit nur unzureichend eingestellt hat. Was sich da vor allem inhaltlich und konzeptionell in der Vergangenheit nicht deutlich in der Schulwirklichkeit durchsetzen konnte, lässt sich an dem neuen Buch des emeritierten Paderborner Erziehungswissenschaftlers und Medienpädagogen Gerhard Tulodziecki exemplarisch nachvollziehen. Dessen vielzitiertes ‚Konzept einer handlungs- und entwicklungsorientierten Medienpädagogik‘ ist fast drei Jahrzehnte lang zum ‚klassischen‘ Bezugspunkt für viele bundesdeutsche Rahmenlehrpläne und (KMK-)Positionspapiere geworden. Und es bildet auch die Grundposition für dieses Buch, in dem Gerhard Tulodziecki speziell die Grundschule in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt. Das Buch ist als zweiter Band beim Kohlhammer Verlag in der Buchreihe ‚Grundschule heute‘ erschienen, deren Ziel es laut Umschlagtext ist, „die institutionellen Bedingungen der Grundschule und die Frage nach zeitgemäßen Bildungsinhalten neu zu bestimmen“. Und zweifellos gehören aus dieser Sicht heute Medienerziehung und Medienbildung ganz wesentlich zum Erziehungs- und Bildungsauftrag der Grundschule. Denn Kinder eignen sich in unserer Gesellschaft schon relativ früh die natürliche, soziale und gegenständliche Welt auch mithilfe von Medien aller Art an. Dabei versteht Gerhard Tulodziecki unter Medienerziehung vor allem „den Versuch einer Einflussnahme auf die Bereitschaft bzw. den Willen zu einem sozialverantwortlichen Verhalten in Medienzusammenhängen, während bei der Medienbildung die Förderung der geistigen Entwicklung im Zusammenhang mit der Aneignung medienbezogenen Wissens und Könnens und eines entsprechenden Handelns im Mittelpunkt steht“ (S. 14). Beide Begriffe, die er wegen ihrer Überschneidungen und Übergänge nicht voneinander trennt, bilden dann den Bezugsrahmen für zehn systematisch aufeinander aufbauende Kapitel. Dabei werden in den ersten fünf Kapiteln vor allem wesentliche Bedingungen des Medienhandelns von Kindern aufgezeigt. Seine Darstellungen und Überlegungen verdichtet er dann im 6. Kapitel in Form eines konzeptionellen Rahmens für medienbezogene Erziehungs- und Bildungsaufgaben und ihre Umsetzung in der Grundschule (S. 115–117). Dieses Konzept mit den grundschulspezifischen Aufgabenfeldern Information und Lernen, Unterhaltung und Spiel, Austausch und Kooperation sowie Gestaltung und Präsentation eigener Beiträge bildet gleichsam das Herzstück des Buches und wird dann in den Kapiteln 7 und 8 in Form von Unterrichtsbeispielen und Projekten veranschaulicht. Anregungen für die Entwicklung und Pflege schuleigener Konzepte werden im 9. Kapitel geboten, und im Schlussteil des Buches (10. Kapitel) wird dann thematisiert, wie bedeutsam „für Lehrpersonen eine hinreichende Medienkompetenz im Sinne von Voraussetzungen für ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozial verantwortliches Handeln in einer von Medien beeinflussten Gesellschaft (ist)“ (S. 173).
Die einzelnen Kapitel sind ausgesprochen lesefreundlich aufgebaut: Einer kurzen Einleitung folgt ein Fallbeispiel, mit dem sich Lesende zunächst auf der Grundlage ihrer eigenen (Medien)Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten thematisch auseinandersetzen können. Das darauffolgende Textangebot ist sinnvoll gegliedert und Hinweise zur Weiterarbeit regen dazu an, erworbenes Wissen auch praktisch anzuwenden. So lässt sich zusammengefasst Folgendes zu diesem Buch sagen:
- Es gibt die aktuelle Diskussion zu Medienerziehung und Medienbildung in der Grundschule pointiert wieder und bereichert sie fundiert um ein grundschulspezifisches Rahmenkonzept.
- Es geht dabei differenziert auf die relevanten Medien und ihre spezifischen ‚Sprachen‘ ein und verschafft einen Überblick über die gegenwärtige Medienlandschaft und ihre digitalen Grundlagen.
- Es überzeugt durch seinen systematischen Aufbau und die gute Verständlichkeit des klar gegliederten Textangebots.
- Es bietet zudem sinnvolle Praxisbezüge, balanciert dabei theorie- und praxisbezogene Anteile gut aus und animiert so die Lesenden zum Nachdenken, Diskutieren und Handeln.
Kurzum: Wer sich als Anfänger und Fortgeschrittener in Sachen Medienerziehung und Medienbildung für die Grundschule auf den Stand der Dinge im digitalen Zeitalter bringen will, dem sei Gerhard Tulodzieckis Buch als Pflichtlektüre ausdrücklich empfohlen.
Tulodziecki, Gerhard (2021). Medienerziehung und Medienbildung in der Grundschule. Stuttgart: Kohlhammer. 190 S. 34,00 €.