Das Buch ‚Hollywood im Zeitalter des Post Cinema. Eine kritische Bestandsaufnahme‘, herausgegeben von Lisa Gotto und Sebastian Lederle, verbindet 13 Beiträge verschiedener Autor*innen miteinander. Es ist in drei Abschnitte unterteilt: Hollywood | Wenden, Hollywood | Welten und Hollywood | Weiten.
Im ersten Abschnitt Hollywood | Wenden wird die Theoriefähigkeit Hollywoods in Frage gestellt und die Entwicklung zum Post Cinema thematisiert. Der Begriff des Wendens kann auch als eine Betrachtung der Vielfalt Hollywoods aus verschiedenen Blickwinkeln interpretiert werden. Martin Seel beginnt in seinem Kapitel mit einer non-hierarchischen Theorie des Films. Dabei geht er von Theodor W. Adornos Begriff des sogenannten konstellativen Denkens aus, der verschiedene Künste und Medien miteinander verbindet. Hierzu zählt auch das Hollywood-Kino. Erst durch das Zusammenspiel mit anderen Filmformen ist es dem Hollywood-Kino möglich, einerseits seine Chancen wahrzunehmen und andererseits seine Grenzen zu erkennen. Lorenz Engell widmet sich anschließend dem System des Genres als wichtiger Teil Hollywoods. Seine Intention ist es, das Genre von seiner Parodie her zu verstehen. Als Beispiel zieht er dabei den Film ‚Way Out West‘ (USA 1937, R: James W. Home) heran. Ivo Ritzer nimmt in seinem Beitrag die Synthese von Moderne und Traditionalismus in den Blick, die für ihn ein spezifisch ästhetisches Verfahren des postklassischen Hollywood-Kinos darstellt. Thomas Elsaesser beschäftigt sich mit der Fähigkeit Hollywoods sich anzupassen oder zu verändern.
Der zweite Abschnitt Hollywood | Welten diskutiert die Welthaltigkeit des Hollywood-Kinos. Darunter verstehen die Verfasser*innen nicht nur den hohen Bekanntheitsgrad Hollywoods beim Publikum, sondern vielmehr, dass das Hollywood-Kino eine Vielfalt von Assoziationen und Bezügen auf eine kinematographische Totalität vereinigt, von der man auch spricht, wenn man sich auf die Welt eines Films bezieht. Josef Früchtl setzt sich in seinem Beitrag mit neueren Hollywood-Filmen und ihren philosophischen Bedeutungen auseinander. Dabei geht er auf zwei Filme von Christopher Nolan ein, ‚Memento‘ (USA 2001) und ‚Inception‘ (USA 2010). Martin Gessmann entdeckt hingegen einen Zusammenhang zwischen dem Welt-Design und der Filmwelt. Für ihn ist die Welthaltigkeit insbesondere von der konkreten Gestaltung des Filmsets abhängig. Als Filmbeispiel führt er Ridley Scotts ‚Gladiator‘ (USA 2000) heran. Thomas Hilgers beschäftigt sich mit der berühmten Hollywoodfigur des Batmans und der Bedeutung des Helden. Lisa Gotto lässt sich auf eine Verknüpfung zwischen dem Narrativ des Klimawandels im Katastrophenfilm ‚The Day After Tomorrow‘ (USA 2004, R: Roland Emmerich) und den Reflexionen des Bildwandels ein.
Im dritten Abschnitt Hollywood | Weiten wird Hollywood in einen breiteren Kontext eingeordnet. Dabei steht einerseits die globale Reichweite Hollywoods, andererseits die Ausweitung einer kritischen Sichtweise auf Hollywood von Innen und Außen im Vordergrund. Sebastian Lederle analysiert in seinem Beitrag das kulturelle Selbstbild der USA in der Netflix-Serie ‚House Of Cards‘ (USA 2013-2018). Hanna Hamel stützt sich auf die Annahme, dass David Lynchs Serie ‚Twin Peaks: The Return‘ (USA 2017) von einer Konzeption des Nachbarschaftlichen entschlüsselt werden kann. Michaela Ott stellt in ihrem Beitrag einen Vergleich zwischen Hollywood Filmen und einer Reihe von afrikanischen Filmproduktionen her. Zuletzt geht Gertrud Koch auf vier verschiedene Thesen zu den Heterotopien des Kinos und des Körpers im Sinne Michel Foucaults ein.
Das Konzept des Buchs basiert auf der Tagung ‚Hollywood: Zwischen Anpassung und kritischer Zeitgenossenschaft‘, die gemeinsam von Sebastian Lederle und der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik im Jahr 2018 in Wien organisiert wurde. Alle Beiträge des Buchs verfügen über ein hohes theoretisches Niveau. Wissenslücken der Autor*innen sucht man als Leser*in vergebens. Das Buch ‚Hollywood im Zeitalter des Post Cinema. Eine kritische Bestandsaufnahme‘ stellt ein anspruchsvolles Werk dar, welches sich insbesondere für die Zielgruppe der Forscher*innen, Professor*innen und Studierenden der Medien- und Filmwissenschaft eignet. Da es eine Vielzahl von Fachbegriffen beinhaltet und philosophische Überlegungen einen Schwerpunkt bilden, ist die Lektüre an manchen Stellen sehr herausfordernd, jedoch lohnenswert. Zusammenfassend ist das Buch dazu fähig, die Fragen rund um Hollywood als medial-kulturelles Dispositiv zu diskutieren und hinreichend zu beantworten.
Gotto, Lisa / Lederle, Sebastian (2020). Hollywood im Zeitalter des Post Cinema. Eine kritische Bestandsaufnahme. Bielefeld: Transcript Verlag. 334 S., 34,99 Euro.
Isabelle Schlecht
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