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Ferien ohne Fernseher und Internet? Hörbuch-Rezension zu ‚Ein Sommer in Sommerby’

Mit Oma Zeit zu verbringen klingt eigentlich gut – nicht aber, wenn man die Oma noch nie gesehen hat, sie einen mit dem Luftgewehr unterm Arm begrüßt und obendrein weder Fernseher noch Internetanschluss hat… Im Hörbuch Ein Sommer in Sommerby von Kirsten Boie hatte die Mutter von Martha, Mikkel und Mats in New York einen Unfall und liegt nun dort im Krankenhaus. Der Vater der Kinder will sich vor Ort um seine Frau Leonie kümmern, weswegen er die drei Geschwister zu ihrer Oma mütterlicherseits an die Nordsee schickt. 

Auch abgesehen von der bewaffneten Begrüßung verläuft das erste Treffen mit der Großmutter Inge nicht so, wie es die Kinder erwartet hätten: Sie hat keinerlei Erfahrung mit ihren Enkelkindern. Lediglich Martha, die älteste Schwester, hat sie als kleines Kind einmal kennengelernt, denn die Oma und ihre Tochter Leonie haben keinen Kontakt zueinander. Zwischen der Großmutter und den Kindern kommt es häufig zum Streit. Mikkel ist beispielsweise ein großer Tierfreund und möchte Tiere nicht leiden sehen, doch seine Oma eröffnet ihm, dass die Gänse im Garten zu Weihnachten geschlachtet werden. In seiner Verzweiflung öffnet Mikkel das Tor, um die Gänse vor ihrem Schicksal zu retten. Bevor sie jedoch entkommen können, taucht die Großmutter auf und scheucht die Tiere zurück in ihr Gehege. Während die Kinder und Oma Inge sich an das gemeinsame Leben gewöhnen, taucht zudem immer wieder ein Makler auf, der das Haus der Großmutter kaufen möchte. Da sich diese weigert, versucht er mit verschiedenen Tricks, ihr und den Kindern Angst einzujagen, um sie so zu einem Verkauf zu zwingen. 

Martha möchte während der Zeit bei der Oma mit ihrem Vater und ihren Schulfreundinnen in Kontakt bleiben. Aber in Omas Haus gibt es weder Internetzugang noch Festnetzanschluss. Für das Mädchen ist das in der heutigen Zeit unverständlich. In ihren Augen lebt Oma Inge wie in der Steinzeit. Martha muss also jedes Mal, wenn sie ihre Nachrichten checken oder mit ihrem Vater telefonieren möchte, zum Zaun am Ende des Grundstücks. Nur dort hat sie auf ihrem Handy Empfang. Noch dazu hat ihre Großmutter keinen Fernseher, weshalb sich die Kinder auf andere Weise die Zeit vertreiben müssen. Heutzutage ist ein Leben ohne Internetzugang für Kinder fast nicht mehr vorstellbar. Auf dem Handy haben sie so gut wie immer Netz, zu Hause haben sie Internet und an vielen öffentlichen Orten und Einrichtungen gibt es freie Internetzugänge. Auch für schulische Verpflichtungen brauchen Kinder zunehmend häufiger Internet. Das Hörbuch Ein Sommer in Sommerby ist eine gelungene Abwechslung und zeigt Kindern, wie schön handyfreie Zeit sein kann und wie man sich auch ohne das mobile Gerät beschäftigen kann. Die Geschwister sammeln beispielsweise mit der Oma Obst und kochen daraus leckere Marmelade, die sie anschließend auf der Nachbarsinsel verkaufen. Martha widmet sich dem Lesen und kommt zum Schluss, dass sie kein Interesse an jenen Büchern hat, in denen viel gemobbt und geweint wird. Eine kleine, aber wichtige Sensibilisierung für die Zielgruppe dieses Hörbuchs.  

Das ständige ungefragte Auftauchen des Maklers bringt Probleme in die Sommeridylle. Obwohl er etwa Sachbeschädigung begeht, um sein Ziel zu erreichen, wird er von der Polizei schlussendlich nicht für seine Taten bestraft, wodurch zuhörende Kinder unter anderem im Hinblick auf ihr Werte- und Normverständnis negativ beeinflusst werden könnten. Als Mats allein im Garten ist versucht er außerdem, ihm durch ein Gespräch wichtige Informationen zu entlocken. Der Junge wird nicht über mögliche Gefahren im Umgang mit Fremden aufgeklärt. Deshalb könnten Erziehungsberechtigte mit ihren Kindern beim Hören dieser Geschichte hier ansetzen und die Inhalte mit den Kindern zusammen reflektieren. 

Oma Inge überträgt ihren Enkelkindern immer wieder Verantwortung, wodurch die Geschichte den jungen Zuhörer*innen zeigt, dass Verantwortung und Selbstständigkeit wichtig sind und Freude bereiten können. Das Buch wird von Julia Nachtmann vorgelesen. Mit ihrer sehr angenehmen Stimme schafft sie es, jeder Figur einen eigenen Charakter zu geben. Dadurch ist stets klar, welche Figur gerade spricht. Als Zuhörer*in fiebert man mit den Figuren mit und merkt gar nicht, wie schnell die 350-minütige Geschichte vergeht. Dieses Hörbuch eignet sich jetzt in der kalten Jahreszeit daher besonders gut, um in ein Sommeridyll einzutauchen oder für verregnete Wochenenden.  

Andrea Stephani 

Boie, Kirsten (2018). Ein Sommer in Sommerby. Hamburg: Jumbo. 12,00 €. 


Teaserbild: Andre Gerdes | Pixabay

Headerbild: Dieter_G | Pixabay


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