Zum Hauptinhalt springen

Fotoausstellung Doppelleben – Menschen mit Migrationshintergrund stellen ihre Lieblingsorte vor

„[…] Aber ja, ich lebe halt beide Kulturen. Wie gesagt, beide Sprachen, einfach ein Doppelleben. Was zwei Menschen in zwei verschiedenen Kulturen einmal lebt, lebe ich […].“ (Azra, 26 Jahre, Türkei)

Ein Leben mit den Einflüssen von zwei unterschiedlichen Kulturen, so beschreibt Azra ihr sogenanntes ‚Doppelleben‘. Bei Menschen mit Migrationshintergrund schwinge oft noch ein anderes Leben mit, welches sie zurückgelassen hätten und mit dem sie gleichwohl gedanklich und kommunikativ verbunden sind, so berichtet Medienwissenschaftlerin Christina Schachtner von ihren Erfahrungen.

   

„Also, mein Weg bis zur Volksschule damals, da gab es so einen kleinen Platz, wo man sich hinsetzen konnte und rundherum waren alles nur Bäume. Es war eigentlich so unser Ort. Also, als ob er damals uns gehört hätte. … dieser kleine Platz war so unser zweites Zuhause. Es war halt für kleine Kinder etwas ganz Besonderes.“ (Eset, 23 Jahre, Tschetschenien)

Zusammen mit dem Fotografen Arnold Pöschl hat Christina Schachtner das Seminar „Transkulturelle Räume im Blick der Fotografie“ an der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt geleitet. Im Mittelpunkt des Seminars standen Fragen wie ‚Was wissen wir von den Menschen mit Migrationshintergrund?‘ ‚Was wissen wir über ihr alltägliches Leben?‘ ‚Was wissen wir über ihr früheres Leben?‘. Um diesen Fragen nachzugehen haben die Studierenden eine ethnografische Studie zu Mobilitäts- und Kommunikationsmuster in urbanen Räumen durchgeführt, Menschen mit Migrationshintergrund interviewt und fotografische Aufnahmen angefertigt, die die Menschen mit Migrationshintergrund und ihre Lieblingsorte zeigen.

Diese Fotos mit Ausschnitten aus den Interviews wurden bei der Vernissage am 05.02.2021 vorgestellt. Die Fotoausstellung  wurde von Azras Aussage inspiriert und trägt den Titel: ‚Doppelleben. Migrant*innen stellen ihre Lieblingsorte vor‘.

Die Begrüßung der Vernissage erfolgte durch die Studienprogrammleiterin für Medien- und Kommunikationswissenschaft Caroline Weberhofer. Sie stellte klar heraus, wie wichtig eine praktische Umsetzung der theoretischen Inhalte des Studiums sei. Solche Lehrveranstaltungskonzepte würden das Studium maßgeblich bereichern. Ebenso sei das Thema des Seminars sehr wichtig, denn Menschen mit Migrationshintergrund würde viel zu selten eine Plattform geboten werden.

Danach führten Christina Schachtner und Arnold Pöschl kurz in die Veranstaltung und in die Thematik ein. Das Thema Migration sei ein ganz alltägliches. Die Interviews mit den Menschen mit Migrationshintergrund wurden geführt, um näher herauszufinden, was sie bewegt. Diese Interviews wurden mit Orten verknüpft, an welchen sich die Interviewpartner*innen gerne aufhalten und die eine Bedeutung für sie haben. Arnold Pöschl betont den hier gewählten Zugang, denn die Fotografie wurde in einen wissenschaftlichen Kontext gestellt.

Im weiteren Verlauf der Vernissage stellten die Studierenden ihre Fotografien vor. Diese wurden dabei in Gruppen nach Art des Ortes eingeteilt. So gab es zum Beispiel Bilder zu Einkaufsorten oder zu Entspannungs- und Entscheidungsorten.


Bei einigen waren die Lieblingsorte Orte in der Stadt. Beispielsweise ein großer Platz, welcher mit Freiheit verknüpft wurde oder der eigene Arbeitsplatz, welcher als Lebensmittelpunkt gesehen wurde. Bei den Fotos aus der Rubrik Einkaufsorte zeigte sich besonders das ‚Doppelleben‘, denn hier wurde die Verbundenheit zum Heimatland durch den ‚Afrikashop‘ oder durch den ‚Multimarkt‘, welcher Lebensmittel aus den unterschiedlichsten Kulturen anbietet, deutlich. Aber auch die Entspannungs- und Entscheidungsorte spiegelten oftmals diese Verbundenheit wieder, wie zum Beispiel bei Eset, die mit einem Park Erinnerungen aus ihrer Kindheit verknüpft.


Bei den Bildungsorten war es spannend, dass bei ihnen meist eine Diversität von Nationalitäten erlebt wird. An der Universität können viele verschiedene Menschen studieren, sich austauschen und gemeinsam ins Gespräch kommen. Zuletzt wurde noch Fotos von Bewegungsorten, wie Sportplätze oder Stadien, vorgestellt. Ein Merkmal dieser sei, dass sie ein Ort des Zusammenkommens seien, bei denen die Herkunft keine Rolle spielt.

„Und es geht halt um Fußball spielen und so weiter. Da ist halt egal woher du kommst.“ (Arif, 25 Jahre, Kosovo)


„Vielleicht ein Jugendzentrum und dann würde ich auch einmal in der Woche einen Tag einführen, an dem sich alle treffen können. Wo sich Einheimische mit den Migrant*innen begegnen und etwas unternehmen.“ (Luka, 20 Jahre, Kroatien/Bosnien)

Dies war eine Antwort auf die Frage: ‚Wenn ich Bürgermeister*in wäre …‘. Dieser Katalog an Wünschen folgte auf die Vorstellung der Fotografien. Viele Wünsche handelten von einem Ort der Begegnung, wo alle ohne Vorurteile aufeinander zugehen können: Ein Ort zum Kennenlernen und Austauschen.

Damit endete die Ausstellung und die Teilnehmenden bekamen die Möglichkeit für Rückmeldungen, Fragen und zum Austausch eigener Erfahrungen. Insgesamt kamen nur positive Wortmeldungen: die Bilder seien beeindruckend und die Wahl des Themas sehr relevant. Die Interaktion zwischen Text und Bild habe gut funktioniert, denn dabei zeigte sich wie wichtig Orte seien, da in ihnen viele Gefühle oder Erinnerungen stecken würden. Alles in allem regte die Fotoausstellung zur Diskussion an und zeigte damit, dass ein wirklich zentrales Thema gewählt wurde.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Methode der Fotografie in Kombination mit dem Interview besonders eignet, um einen Einblick in die Lebenswelt der Interviewenden zu bekommen. Die Fotos können weiterhin als Diskussionsgrundlage dienen, zum Beispiel für Fragen wie: was bedeutet es, in einem anderen Land zu leben, als dem Herkunftsland. Ebenso bieten sie Inspiration für eigene Projekte dieser Art.

Einen Einblick in die Ausstellung bietet der zugehörige Blog.

 

Joana Baumgarten


Abb. 1 © E. Hindija
Abb. 2 und Teaserbild © Universität Klagenfurt
Abb. 3 © J. Moser
Abb. 4, 5 und 6 © E. Djonlagic
Abb. 7 © M. Steinkellner
Abb. 8 © M. Samitz
Das Headerbild ist ein Zusammenschnitt der Fotografien


 


Zurück

Kontakt

merz | medien + erziehung ist die unabhängige medienpädagogische Fachzeitschrift in Deutschland, in der Themen der Medienpädagogik aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Beschäftigen auch Sie sich mit diesem Themenbereich und möchten gerne selbst in merz veröffentlichen? Wir freuen uns immer über Einsendungen über Projekte aus Forschung und Praxis, über Rezensionen, Veranstaltungshinweise und natürlich Anregungen. 

 

Redaktion

merz | medien + erziehung
Kati Struckmeyer und Swenja Wütscher
Arnulfstraße 205
80634 München

+49 89 689 89 120
+49 89 689 89 111
merz@jff.de

Verlag

kopaed verlagsgmbh
Arnulfstr. 205
D-80634 München

+49 89 688 900 98
+49  89 689 19 12
www.kopaed.de
info@kopaed.de

Herausgeber*in

Kathrin Demmler | Prof. Dr. Bernd Schorb
JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis

Rechtsträger

JFF – Jugend Film Fernsehen e. V.
Arnulfstraße 205
80634 München

+49 68 989 0
+49 68 989 111
www.jff.de
jff@jff.de

Kontaktformular

Kontaktformular


Anmeldung zum merz-Newsletter

Hier können Sie sich zum merz-Newsletter anmelden.  Datenschutzerklärung.

Ich willige in die Verarbeitung meiner Daten zum Newsletter-Versand ein und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.