2019/05 Digitale Bildung inklusiv
Im März 2009 hat die Bundesregierung die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert. Damit hat sich Deutschland zur umfassenden Inklusion von Menschen mit Behinderungen bekannt. Medien wird dabei eine Querschnittsfunktion zugewiesen. Seither hat sich einiges getan und es sind Maßnahmen ergriffen worden, um Menschen mit Behinderungen mehr Teilhabe zu ermöglichen – gleichwohl gibt es nach wie vor mehr offene Baustellen als Ziele, die umgesetzt wurden.
merz 5/19 beleuchtet die derzeitigen Entwicklungen im deutschsprachigen Raum, die sich mit der Qualifizierung von pädagogisch-pflegerischen Fachkräften wie auch Menschen mit Behinderungen im Umgang mit digitalen Medien und dem Internet beschäftigen. Ein Fokus wird dabei auf Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung gelegt. Geht es also um Digitale Bildung inklusiv, wie der Titel dieses Themenschwerpunkts behauptet, oder um zielgruppenspezifische Medienbildung?
aktuell
Swenja Wütscher: Studie: Orientierung Jugendlicher auf YouTube
Eine relativ kritiklose Sicht auf YouTube-Stars birgt das Risiko, dass sich Jugendliche in ihren Konsumwünschen und -entscheidungen allzu leicht beeinflussen lassen. Das ist ein Ergebnis der ACTON!-Monitoringstudie, deren fünfter Short Report die Orientierung Heranwachsender auf YouTube und ihr Strukturwissen zur Plattform fokussiert.
Unter den fast 90 Befragten, die alle YouTube kennen und nutzen, hat knapp ein Fünftel einen eigenen Account, um selbst Videos zu zeigen. Motive hierfür sind die Hoffnung, Geld und Aufmerksamkeit zu erhalten, verbunden mit dem Ehrgeiz, gute Videos zu erstellen – ganz nach dem Vorbild von YouTube-Stars. Zwar kennen die Elf- bis 14-Jährigen viele Regeln, die auf YouTube gelten, erleben diese jedoch teils als intransparent und in der Um- und Durchsetzung als inkonsistent. Besonders diskutiert wird unter anderem die Altersbeschränkung; dabei beziehen sich die Befragten hauptsächlich auf Kinder, die jünger sind als sie selbst. Einige weisen darüber hinaus sehr geringe Kenntnisse über die geltenden Altersbeschränkungen auf.
YouTube-Stars werden aufmerksam beobachtet. Dabei verstehen die Jugendlichen zwar, dass es den Stars in erster Linie um Klicks und Abonnements geht, um Bekanntheit und letztlich Erlöse zu erzielen, dennoch finden sich auch Beispiele naiver Rezeption. YouTube-Stars dienen den Befragten hierbei zur persönlichen Orientierung, vor allem deren äußerliche Attraktivität, ihr Leistungsvermögen und Selbstbewusstsein werden geschätzt. Besonders bei Beauty- und Lifestyle-Vloggerinnen finden sich neben einem hohen Selbstbewusstsein auch Selbstbestimmungsappelle mit bedenklichen Ratschlägen und doppelbödigen Botschaften. Von den Jugendlichen wird dies jedoch kaum in Frage gestellt, sondern vielmehr als hilfreich eingestuft. Im pädagogischen Kontakt könnte daran angeknüpft werden, um die Selbst- und Wertereflexion der Jugendlichen anzuregen, die Auseinandersetzung mit den Inhalten zu fördern oder das Strukturwissen Jugendlicher in Bezug auf die Plattform auszubauen und somit die Kritikfähigkeit der Jugendlichen zu stärken.
ACT ON! ist ein medienpädagogisches Forschungs- und Praxisprojekt des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, das das aktuelle Online-Handeln Zehn- bis 14-Jähriger fokussiert. Im Zentrum steht dabei die Perspektive Heranwachsender auf ihre Online-Welten.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: Online-Audio-Monitor
Die Nutzung von Online-Audio-Inhalten nimmt immer weiter zu – und zwar bei Webradio wie auch bei On-Demand-Angeboten. Das sind Ergebnisse des Online-Audio-Monitor 2019. Fast zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland nutzen mittlerweile diese Angebote, drei Millionen mehr als im Vorjahr.
Nach wie vor zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Online-Audio-Nutzung und dem Alter: In der jüngsten Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen liegt die Nutzerquote nun bei 95 Prozent (+ 4 %), bei den 30- bis 49-Jährigen bei 78 Prozent (+ 1 %). Unterdurchschnittlich viele Nutzende gibt es in der Altersgruppe ab 50 Jahren mit zusammengefasst 39 Prozent; allerdings weisen die Altersgruppen 50 bis 59 und 60 bis 69 Jahre mit jeweils rund 18 Prozent die höchste Wachstumsrate auf.
Die Nutzung erfolgt zudem immer regelmäßiger. Jeder Zweite ab 14 Jahre schaltet mindestens monatlich ein. Besonders dynamisch ist dabei das Wachstum der On-Demand-Angebote. So steigern Hörbücher ihre mindestens monatliche Nutzerschaft auf elf Prozent (+ 50 %), Podcasts bzw. Radiosendungen auf Abruf auf 13 Prozent (+ 42 %). Audio über Videoplattformen und Musikstreaming ist besonders beliebt bei den Unter-30-Jährigen. Beim Webradio liegen die 30- bis 49-Jährigen mit den Jüngeren nahezu gleichauf.
Zu den meistgenutzten Online-Audio-Inhalten zählen nach wie vor Musik, gefolgt von Nachrichten, Services wie Wetter und Verkehr sowie lokalen und regionalen Inhalten. Fast drei Viertel hört die Inhalte über das Smartphone. Immer mehr schließen dieses auch an ihr Autoradio an; diese Nutzung ist überproportional stark angestiegen. Knapp jeder Vierte nutzt mittlerweile im Auto Audioinhalte über oder – offline verfügbar gemacht – aus dem Internet. Die Nutzung linearer Webradioprogramme über den Tag hinweg zeigt, dass es das Medium der Morgenstunden ist; auch tagsüber wird viel Webradio gehört mit einem Peak am frühen Abend. Je später der Tag, desto höher liegt die Podcast-Nutzung. Webradio und On-Demand ergänzen sich also – und zwar zeitlich wie inhaltlich. Kräftig zugenommen hat auch die Audio-Nutzung über Smart Speaker. Rund jeder Zehnte ab 14 Jahre hat mittlerweile Zugang, der Anteil hat sich damit binnen eines Jahres verdoppelt. Der Online-Audio-Monitor untersucht
bevölkerungsrepräsentativ die Online-Audio-Nutzung in Deutschland. Insgesamt wurden hierzu im Mai und Juni 2019 gut 7.500 Telefoninterviews geführt. Auftraggeber der von Kantar durchgeführten Studie sind die Bayerische Landeszentrale für neue Medien, die Medienanstalt Berlin-Brandenburg, die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, die Landesanstalt für Medien NRW, der Bundesverband Digitale Wirtschaft und VAUNET – Verband Privater Medien.Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtUlrich Tausend, Anna Bauregger und Katrin Fleischmann: Out of the Box – Ars Electronica Festival
Seit 40 Jahren stellt das Ars Electronica Festival eine Schnittstelle von Kunst, Technologie und Gesellschaft dar – und nutzt die künstlerische Herangehensweise, um einen kritischen Blick auf die digitale Revolution zu werfen.
Ganz im Zeichen der Zeit lautete das Jubiläumsthema „Out of the Box oder die Midlife-Crisis der digitalen Revolution“, auch hier mit unterschiedlichen Perspektiven. Zugleich wird reflektiert, welchen Einfluss Firmen auf die digitale Handlungsfähigkeit nehmen, und dazu aufgefordert, neue Ideen fern von ausgetretenen Pfaden zu denken.
Das fünftägige Programm zeigte sich extrem vielfältig. Aus medienpädagogischer Sicht besonders interessant war der Bereich u19 create your world mit diversen Labs und Projekten für und von Jugendlichen. Hier bot das Festival in Linz auch den Aktivistinnen und Aktivisten der Fridays for Future Raum, welche von hier in einen Demonstrationszug durch die Stadt zogen. Vom zentralen Veranstaltungsort der PostCity aus wurden auch weitere Locations integriert. Erreichbar via Shuttle rundete somit unter anderem das AIxMusic Festival im Stift St. Florian das Angebotsspektrum mit Vorträgen, Workshops, Installationen und auch Konzerten ab, auf denen Musik mit Hilfe künstlicher Intelligenz erzeugt wurde. Auf experimentellen Musikveranstaltungen wie der Nightline trafen zudem unterschiedlichste Akteurinnen und Akteure, wie das Bruckner Orchester Linz, digitale Klangkünstlerinnen bzw. -künstler, Visual Artists und sogar Industrieroboter aufeinander.
Herausragende Beiträge für Computerkunst aus aller Welt wurden abschließend mit dem Prix Ars Electronica im OÖ Kulturquartier gewürdigt.
Das Ars Electronica Festival eröffnete einen zum Teil recht unverhüllten Blick in aktuelle Entwicklungen und Dialoge von Kunst, Technologie und Gesellschaft. Dabei präsentierte es sich kritisch, oft auch lösungsorientiert und inspirierte Besuchende, im wahrsten Sinne des Wortes, außerhalb ihrer Box zu denken.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Ulrich Tausend, Anna Bauregger, Katrin Fleischmann
Beitrag als PDFEinzelansichtMonika Himmelsbach: stichwort: Discord
„Eulenfreund63 ist soeben dem Server beigetreten – glhf!“ Schon bei der Willkommensnachricht wird klar, für wen die Plattform Discord gedacht ist: für Menschen, die Computerspiele spielen, und sich mit ihren Mitspielerinnen und -spielern gerne verständigen. Das kostenfreie Programm bietet die Möglichkeit, neben dem Spielen über Sprachchat zu plaudern und in kompetitiven Spielen über Taktiken zu sprechen. Im Textchat können nach oder während des Zockens Bilder, Nachrichten und Emojis verschickt werden. Die 2015 ins Leben gerufene Plattform konkurriert mit seinen 130 Millionen Nutzerinnen und Nutzern mit dem Programm TeamSpeak, das seit 2002 verfügbar ist.
Der in den USA führende Dienst ermöglicht das Kommunizieren mehrerer Beteiligter. Für solche Konversationen muss ein eigener Sprachchat erstellt werden, ein sogenannter Server. Dieser kann wiederum in weitere thematisch unterschiedene Chats unterteilt werden, sodass sich diese Gruppen in den unterschiedlichen Sprachchats nicht in die Quere kommen. Einige Server sind öffentlich zugänglich und einem bestimmten Spiel oder Thema gewidmet, diese begrenzen sich jedoch nicht nur auf Gaming. Auch zu Sport, Musik oder Serien finden sich Kanäle. Immer häufiger werden Server von oder über Youtuberinnen und Youtuber erstellt, vor allem aus dem Genre Gaming. In diesen finden sich Fans zusammen, um sich auszutauschen, miteinander zu spielen oder über das letzte Video des Idols zu reden. Oft verwalten die Initiatorinnen und Initiatoren dieses Angebot auch nicht (mehr) alleine, sondern setzen Moderatorinnen und Moderatoren ein, die die Diskussionskultur erhalten und pflegen sollen. Durch die Ausbreitung in andere Bereiche sowie die Entwicklung einer Fankultur fungiert Discord mittlerweile auch immer mehr als Social-Media-Kanal – quasi als Verknüpfung aus Skype, Teamspeak und WhatsApp, das sich mit Diensten wie Twitch oder Facebook verbinden lässt. Dies lockt allerdings leider auch rechtsextreme Gruppen auf die Plattform. Zudem gelten für Discord die Gesetze und Datenschutzbestimmungen der USA, das heißt persönliche Daten wie E-Mail-/IP-Adresse, Bilder und Nachrichten, aber auch andere Daten von Aktivitäten innerhalb der Chats und des Dienstes werden gespeichert und können an Dritte weitergegeben werden.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Monika Himmelsbach
Beitrag als PDFEinzelansichtKatrin Fleischmann und Ulrich Tausend: May you live in interesting times – 58. Biennale Venedig
Alle zwei Jahre findet in Venedig die Biennale statt – eine der ältesten und wichtigsten Ausstellungen der Gegenwartskunst. Ein halbes Jahr (noch bis zum 4. November) heißt es, gemäß des diesjährigen Kurators, Ralph Rugoff: „May you live in interesting times“. Das vermeintlich chinesische Sprichwort eines britischen Diplomaten bezog sich ursprünglich auf den aufkommenden Faschismus in Europa und
verweist auf zahlreiche Kunstwerke der Biennale zu den Themen Umwelt, Flucht, Rassismus und Populismus. In der Hauptausstellung präsentieren sich 79 Künstlerinnen und Künstler jeglicher Couleur. Als besonders umstritten gilt die Barca Nostra, ein 2015 vor Lampedusa gesunkenes Flüchtlingsschiff, das hunderte Menschen in den Tod riss. Die Frage, ob das Kunst sei oder sein darf oder es sich vielmehr um Voyorismus handele, wurde vor Ort und in den Medien kontrovers diskutiert.Neben der Ausstellung präsentieren sich Künstlerinnen und Künstler aus 90 Länder in eigenen Pavillions. Während einige im Guadini Park eingebettet sind, finden andere ihren Platz verteilt über die Stadt. So auch der herausragende litauische Pavillion. Prämiert mit dem Goldenen Löwen wurde die aufwändige Opern-Performance Sun & Sea (Marina), welche das Erdgeschoss eines alten Gebäudes in einen Strand verwandelt und singenden Besucherinnen und Besuchern Einblicke in ihre alltäglichen Gedanken und Ängste gibt.
Die Biennale bietet einen vielfältigen Einblick in die Gegenwartskunst eingebettet in das malerische Venedig. Besucherinnen und Besucher erwarten fertig ausgearbeitete Kunstwerke. Im Gegensatz dazu hat das Ars Electronica Festival mehr den Charakter eines Labors, bei dem man die Gelegenheit hat, Einblicke in aktuelle mediale und technischen Entwicklungen zu bekommen.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Katrin Fleischmann, Ulrich Tausend
Beitrag als PDFEinzelansichtDana Neuleitner: EuGH-Urteil zum Like-Button auf Webseiten
Webseitenbetreiber müssen künftig von ihren Nutzerinnen und Nutzern eine Einwilligung zur Einbindung des Like-Buttons von Facebook einholen. Zu diesem Urteil ist der Europäische Gerichtshof (EuGH) gekommen. Denn ist der ‚Gefällt mir‘-Button auf einer Webseite vorhanden, werden automatisch Daten an die Plattform weitergeleitet – auch, wenn Nutzende diesen nicht anklicken oder kein Facebook-Konto besitzen. IP-Adresse, Webbrowser-Kennung sowie Datum und Zeit des Seitenaufrufs werden übertragen.
Durch die Datenübermittlung können Webseitenbetreiber ihre Werbung optimieren und auf Facebook schalten, wodurch sie einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen. Denn über Social-Media-Plug-ins oder andere Drittanbieter kann eine größere Reichweite erzielt und Beiträge oder Inhalte besser geteilt werden. Bauen Webseitenbetreiber den Button auf konventionelle Weise etwa in Online-Shops, Blogs oder Nachrichtenwebseiten ein, müssen sie in Zukunft vorab das Einverständnis der Nutzenden einholen, da sie aus Sicht des EuGHs verantwortlich für die Datenerhebung und -weiterleitung sind. Erst die Verarbeitung dieser Infos fällt alleinig in den Verantwortungsbereich von Facebook.
Grund der Verhandlung war ein Streit zwischen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und dem Online-Modehändler Fashion ID. Die Verbraucherzentrale hatte das Unternehmen bereits 2015 aufgrund der Datenverarbeitung über den Like-Button abgemahnt, da die Nutzerinnen und Nutzer nicht darüber informiert worden waren und nicht eingewilligt hatten. Auch ähnlich funktionierende Plugins
anderer Anbieter sind von der Entscheidung betroffen.Einige Anbieter haben bereits vor einigen Jahren datenschutzfreundliche Social-Media-Buttons entwickelt, bei denen soziale Netzwerke die Daten der Nutzerinnen und Nutzer erst ermitteln können, wenn diese auf den entsprechenden Like- oder Teilen-Button klicken.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Dana Neuleitner
Beitrag als PDFEinzelansicht
thema
Ingo Bosse, Susanne Eggert: Digitale Bildung inklusiv: Konzepte und Qualifizierung
Im März 2009 hat die Bundesregierung die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert. Damit hat sich Deutschland zur umfassenden Inklusion von Menschen mit Behinderungen bekannt. Seither hat sich einiges getan und es sind Maßnahmen ergriffen worden, um Menschen mit Behinderungen mehr Teilhabe zu ermöglichen. Medien wird in der UN-Behindertenrechtskonvention eine Querschnittsfunktion zugewiesen. Ihre Funktionen für die Umsetzung gleichberechtigter Teilhabe werden beschrieben in den Artikeln Bewusstseinsbildung (Art. 8), Zugänglichkeit (Art. 9), Zugang zu Information, Bildung (Art. 24), Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben (Art. 29), Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport (Art. 30). Der Ausschuss zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen überprüft daneben in seinen Staatenberichten regelmäßig den Fortschritt in der Umsetzung dieses völkerrechtlichen Vertrags. Auf nationaler Ebene hat Deutschland dazu eine Monitoring-Stelle eingerichtet. Beide machen deutlich, dass es in der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention nach wie vor mehr offene Baustellen gibt als Ziele, die umgesetzt wurden. So stellt Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte fest, dass es noch nicht gelungen ist, „das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen zum Normalfall und Sondereinrichtungen wie Förderschulen, Werkstätten und Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen überflüssig zu machen“ (Monitoring-Stelle UN-BRK 2019).
Elisabeth Wacker, Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats zum Teilhabebericht der Bundesregierung, zeichnet in der vorliegenden Ausgabe in ihrem Überblicksartikel zehn Jahre Zeitgeschichte
sowie Wirkungs- und Zukunftsgeschichte der Behindertenrechtskonvention nach und wirft einen Blick nach vorn.Gegenwärtig macht die wissenschaftliche Datenlage deutlich, dass Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben,besonders von medialer Exklusion betroffen sind (vgl. Bosse/Hasebrink 2016; Mayerle 2019). Dies gilt ebenso für Menschen, die eine Behinderung erst später erwerben. Gerade in Bezug auf eine mediale und digitale Teilhabe geht es aber auch um Beeinträchtigungen, wodurch Menschen beispielsweise aufgrund ihres Alters (Kinder oder Seniorinnen und Senioren), mangelnder Sprachkenntnisse oder ihres sozialen Status an bestimmten gesellschaftlichen Diskussionen und Entwicklungen nicht oder nur in beschränktem Maße beteiligt sind. Digitale Medien und das Internet bergen für diese Personengruppen Potenziale für eine bessere Teilhabe. Voraussetzung, um diese ausschöpfen zu können, ist ein souveräner Umgang mit Medien, den Geräten wie auch inhaltlichen Angeboten sowie Tools und Apps. Insbesondere Menschen mit Behinderungen sind in ihrem Alltag oftmals auf Assistenz angewiesen. Die Assistentinnen und Assistenten können sie auch beim Zugang zu und dem Umgang mit digitalen Medien und Internet unterstützen. Allerdings nur dann, wenn sie selbst über das nötige Wissen sowie die entsprechenden Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen. Die Teilgruppe, die dabei am stärksten von digitaler Exklusion betroffen ist, ist die Gruppe von Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung, was mit einer im Durchschnitt schlechteren Geräteausstattung, einer geringen Anzahl barrierefreier Angebote, einer überdurchschnittlich häufigen Unterbringung in Wohneinrichtungen und fehlenden medienpädagogischen Konzepten zusammenhängt.
In der vorliegenden Ausgabe soll beleuchtet werden, welche Entwicklungen derzeit im deutschsprachigen Raum vorhanden sind, die sich mit der Qualifizierung von pädagogisch-pflegerischen Fachkräften wie auch Menschen mit Behinderungen im Umgang mit digitalen Medien und dem Internet beschäftigen. Ein Fokus wird dabei auf Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung gelegt. Geht es also um Digitale Bildung inklusiv, wie der Titel dieses Themenschwerpunkts behauptet, oder um zielgruppenspezifische Medienbildung?
Inklusive Medienbildung im Verständnis der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), wie sie es in ihrem Positionspapier Digitalisierung. Teilhabe. Vielfalt: Medienbildung inklusiv gestalten (2018) formuliert, bezieht sich auf eine Vielzahl von Zielgruppen und Handlungsfeldern und zielt auf Partizipationsmöglichkeiten in einer digital geprägten Welt. Diese zu fördern ist, wie es das Frankfurt-Dreieck zur Bildung in der digital vernetzten Welt (Brinda et al. 2019) aufzeigt, auch insgesamt Ziel von Medienbildung und Medienkompetenzförderung. Ein Spezifikum inklusiver Medienbildung besteht in der Überwindung ausgrenzender Verhältnisse (vgl. Kronauer 2013). Dazu gehört im Sinne des Empowerments (vgl. Schluchter 2015), alle Individuen zu befähigen und den öffentlichen Diskurs mitzugestalten. Auf gesellschaftlicher Ebene geht damit der Anspruch auf Barrierefreiheit einher: Medien sind so zu gestalten bzw. zu verändern, dass sie für alle zugänglich und
nutzbar sind. Einen wesentlichen Beitrag kann dazu das Universal Design for Learning leisten. Neben der Barrierefreiheit wird Individualisierung als wesentliches Charakteristikum inklusiver Medienbildung im Vergleich zur Medienbildung im Allgemeinen beschrieben (vgl. Kamin et al. 2018). Als inklusiv verstehen wir Medienbildung, wenn gemeinsame Bedarfe von Menschen mit unterschiedlichen Heterogenitätsdimensionen berücksichtigt und vor diesem Hintergrund gemeinsame Bildungssituationen in der digital geprägten Welt gestaltet werden. Sowohl inklusive als auch zielgruppenspezifische Ansätze sind medienpädagogisch sinnvoll.Der Begriff inklusive Medienbildung etabliert sich allmählich als Begriff in Theorie und Praxis der Medienpädagogik. Zugleich wird inklusive Medienbildung in den unterschiedlichen Handlungsfeldern noch nicht umfassend bearbeitet. Dies ist auch darin begründet, dass zunächst zielgruppenspezifische Vertiefungen notwendig sind, um diese dann zu inklusionsorientierter Forschung und Praxis zusammenzuführen (vgl. Bosse et al. 2019). Die Professionalisierung in den Berufsfeldern – wie Behindertenhilfe, soziale Arbeit, Sonderpädagogik und auch Medienpädagogik –, die sich der Erhöhung von Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen besonders verpflichtet fühlen, hat bisher blinde Flecken in der Vermittlung von Medienkompetenz für Menschen mit Behinderungen.
Melanie Schaumburg macht in ihrem Beitrag deutlich, dass in der medienpädagogischen Praxis mittlerweile eine Vielzahl an Projekten unter dem Label ‚inklusive Medienbildung‘ angeboten werden. In der Praxis zeigt sich allerdings häufig eine Fokussierung auf spezifische Zielgruppen wie Menschen mit Behinderung oder mit Fluchterfahrung. Es stellt sich daher die Frage, wie diese zielgruppenspezifischen Angebote mit dem Begriff ‚Inklusion‘ vereinbar sind und wie die Medienpädagogik mit diesem Paradox umgeht.
Mit dem Anspruch, die Medienkompetenz aller Bürgerinnen und Bürger zu fördern, auch jener mit einer sogenannten geistigen Behinderung, hat die Bremische Landesmedienanstalt die Studie Medienkompetenz in der Behindertenhilfe (MeKoBe) in Auftrag gegeben. Ingo Bosse, Nadja Zaynel und Claudia Lampert stellen in ihrem Beitrag diese Studie und deren Ergebnisse vor, die in ein Fortbildungskonzept für Mitarbeitende und Klientinnen bzw. Klienten der Behindertenhilfe mündeten.
Auch das aktuell laufende Projekt PADIGI – Partizipative Medienbildung für Menschen mit geistiger Behinderung, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds, widmet sich dem Thema Fortbildungen für pädagogisch-pflegerische Fachkräfte in der Behindertenhilfe. Die Partner entwickeln und erproben einen Blended-Learning-Kurs zu Bedeutung und Einsatz von digitalen Medien und Internet im Alltag von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Valerie Jochim, Susanne Eggert, Lisa Rußwurm, Thomas Weißgerber, Thomas Knieper und Michael Granitzer geben einen Einblick in das Projekt und die Entwicklung des Weiterbildungsangebots.
Melanie Schaumburg weist darauf hin, dass „sich die Inklusionsdimension nicht (nur) in Bezug auf Teilhabe an der Mediengesellschaft [vollzieht], sondern vor allem an der Teilhabe an Bildung“ (vgl. Seite 19 in dieser Ausgabe). Je nach Gruppenzusammensetzung sind entsprechend weitere Aspekte zu berücksichtigen. Bei Menschen mit Behinderungen ist dies häufig der Einsatz assistiver Technologien. Neben dem Fachwissen über Barrierefreiheit, assistive Technologien und Universal Design for Learning ist grundlegendes Wissen über Bildung in der digital geprägten Welt und über die Förderung von Medienkompetenz notwendig. In Bildungskontexten wie Schule darüber hinaus die Fachlichkeit zu bewahren, ist nur in Zusammenarbeit mit den Fachdidaktiken möglich. Jan-René Schluchter von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg stellt in seinem Beitrag zu Bildung für Menschen mit Lernschwierigkeiten ein didaktisches Design für die Medienbildung mit dieser Zielgruppe vor.
Medien können den Alltag von Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung erleichtern und Partizipationsmöglichkeiten erhöhen. Um dieses Potenzial auszuschöpfen und die Medien in diesem Sinn kompetent zu nutzen, sind sie auf die Unterstützung ihrer Assistentinnen und Assistenten angewiesen. Die Sensibilisierung der Fachkräfte sowie ihre Qualifizierung für die Integration digitaler Medien in ihren Arbeitsalltag spielt somit eine wichtige Rolle. Um Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung als Akteurinnen und Akteure im Umgang mit digitalen Medien geht es in den letzten beiden Artikeln des Themenschwerpunkts. Fabian van Essen stellt aus Perspektive des Instituts für Inklusive Bildung die Qualifizierung von Menschen mit Beeinträchtigung als Bildungsfachkräfte in der Hochschulbildung vor und verdeutlicht den Mehrwert und die Notwendigkeit der Arbeit von Betroffenen als Expertinnen und Experten in Bildungszusammenhängen – auch in Bezug auf Medienbildung. Mit der Bedeutung von Menschen mit geistiger Behinderung und psychischen Erkrankungen als Medienmacherinnen und -macher beschäftigt sich Ernst Tradinik schon seit vielen Jahren. Sein abschließender Beitrag ist ein Plädoyer für die Öffnung des ersten und zweiten Arbeitsmarktes im Bereich der Medienproduktion für diese Zielgruppe.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine spannende Lektüre und Inspiration für die zielgruppenspezifische und inklusive Medienarbeit.
Literatur:
Bosse, Ingo/Hasebrink, Uwe (2016). Mediennutzung von Menschen mit Behinderungen. Forschungsbericht. Unter Mitarbeit von Anne Haage, Sascha Hölig, Sebastian Adrian, Gudrun Kellermann, Theresa Suntrup. Hrsg. v. Aktion Mensch Die Medienanstalten. Berlin. www.kme.tu-dortmund.de/cms/de/Aktuelles/aktuelle-Meldungen/Langfassung-der-Studie-_Mediennutzung-von-Menschen-mit-Behinderungen_-veroeffentlicht/Studie-Mediennutzung_Langfassung_final.pdf [Zugriff: 17.08.2019]
Bosse, Ingo/Schluchter, Jan-René/Zorn Isabel (2019). Einleitung: Ziel des Handbuchs. In: Bosse, Ingo/Schluchter, Jan-René/Zorn Isabel (Hrsg.), Handbuch Inklusion und Medienbildung. Weinheim: Beltz, S. 9–13.
Brinda, Torsten/Brüggen, Niels/Diethelm, Ira/Knaus, Thomas/Kommer, Sven/Kopf, Christine/Missomelius, Petra/Leschke, Rainer/Tilemann, Friedrike/Weich, Andreas (2019). Frankfurt-Dreieck zur Bildung in der digital vernetzten Welt. Ein interdisziplinäres Modell. www.keine-bildung-ohne-medien.de/frankfurter-dreieck [Zugriff: 17.07.2019]
Kamin, Anna-Maria/Schluchter, Jan-René/Zaynel, Nadja (2018). Inklusion und Medienbildung – Perspektiven für Theorie und Praxis. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.), Inklusive Medienbildung. Ein Projektbuch für pädagogische Fachkräfte. Köln: BZgA, S. 15–42.
Kronauer, Martin (2013). Soziologische Anmerkungen zu zwei Debatten über Inklusion und Exklusion: W. Bertelsmann Verlag. www.ssoar.info/ssoar/bitstream/document/36929/1/ssoar-2013-kronauer-Soziologische_Anmerkungen_zu_zwei_Debattenuber.pdf [Zugriff: 02.09.2019]
Mayerle, Michael (2019). Berufsfeld Tagesförderung/Wohneinrichtungen. In: Bosse, Ingo/Schluchter, Jan-René/Zorn, Isabel (Hrsg.), Handbuch Inklusion und Medienbildung. Weinheim: Beltz, S. 170–180.
Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention (2019). Monitoring-Stelle – aktuell. www.institut-fuer-menschenrechte.de/monitoring-stelle-un-brk/meldung/article/pressemitteilung-10-jahre-un-behindertenrechtskonvention-in-deutschland-miteinander-von-menschen [Zugriff: 09.09.2019]
Schluchter, Jan-René (2015). Inklusive Medienbildung – Eine Skizze. In: Schluchter, Jan-René (Hrsg.), Medienbildung als Perspektive für Inklusion. Modelle und Reflexionen für die pädagogische Praxis. 1. Aufl. München: kopaed, S. 17–26.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Ingo Bosse, Susanne Eggert
Beitrag als PDFEinzelansichtElisabeth Wacker: Mehr Teilhabe bei Beeinträchtigungen!? Zehn Jahre Diskurse zu Inklusion, Partizipation, Exklusion
Die Aufforderung zu mehr Inklusion trifft auf widersprüchliche Lebenslagen mit ungleichen Teilhabechancen. Dies gilt nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für viele Personengruppen mit Benachteiligungsrisiken. Medien können wirksam Nachteile reduzieren, aber ebenso auch Diskriminierung bestärken. In der Zukunft sollen durch Diversitätssensibilität, passgenaue Umgebungsgestaltungen und partizipative Verfahren in einer Gesellschaft der Vielfalt gerechtere Chancen auf Teilhabe für alle wachsen.
Literatur
Bosse, Ingo/Hasebrink, Uwe (2016). Mediennutzung von Menschen mit Behinderungen. Forschungsbericht. Berlin: Die Medienanstalten.
Bosse, Ingo/Schluchter, Jan-René/Zorn, Isabel (Hrsg.) (2019). Handbuch Inklusion und Medienbildung. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013). Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung. Bonn.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2016). Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2016 Teil I Nr. 66, ausgegeben zu Bonn am 29. Dezember 2016.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2016). Zweiter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen in Deutschland. Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung. Bonn.
Bourdieu, Pierre (1982). Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Dahrendorf, Ralf (1961). Gesellschaft und Freiheit. München: Piper.
Goffman, Erving (1967). Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Harand, Julia/Kersting, Anne/Schachler, Viviane/Schäfers, Markus/Schröder, Helmut/Steinwede, Jacob (2018). Einblick in die „Teilhabebefragung“ – erste Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Deutschland. In: Die Berufliche Rehabilitation, 32 (1), S. 67–75.
Helfrich, Silke/Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.) (2014). Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat. Bielefeld: transcript.
Maia, Maria/Nierling, Linda (2018). Herausforderungen Assistiver Technologien für Menschen mit Behinderungen: Empirische Ergebnisse aus einer europäischen Expertenstudie. In: Die Berufliche Rehabilitation, 32 (2), S. 108–117.
Ostrom, Elinor (2011). Was mehr wird, wenn wir teilen. Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter. München: Oekom.
Schnurr, Stefan (2001). Partizipation. In: Otto, Hans-Uwe/Thiersch, Hans (Hrsg.), Handbuch Sozialarbeit Sozialpädagogik, 2. völlig überarbeitete Auflage. Neuwied, Kriftl: Luchterhand, S. 1330–1345.
Schulz-Nieswandt, Frank (2017). Hilfe für Menschen mit Behinderungen auf dem Weg zu inklusiven Heterotopien? In: Die berufliche Rehabillitation 31 (2), S. 127–130.
Sierck, Udo (2013). Budenzauber Inklusion. Ulm: AG SPAK.
United Nations (2006). Convention on the Rights of Persons with Disabilities. www.un.org/disabilities/documents/convention/convoptprot-e.pdf [Zugriff: 01.09.2019]
Wacker, Elisabeth (2016). Beeinträchtigung – Behinderung – Teilhabe für alle: Neue Berichterstattung der Bundesregierung zur Teilhabe im Licht der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. In: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 59 (9), S. 1093–1102.
Wacker, Elisabeth (2014). Verwobene Behinderungsprobleme. Diversität und Inklusion als Spagat und Zwickmühle. In: Soziale Probleme 25 (2), S. 231-266.Wacker, Elisabeth; Groenemeyer, Axel (Hrsg.) (2014). Diversität & Inklusion. Umgang mit Vielfalt und Verschiedenheit bei Beeinträchtigung und Behinderung. Zeitschrift für Soziale Probleme und Soziale Kontrolle. Herbolzheim: Centaurus.
Wacker, Elisabeth (2013). Versorgung und Inklusion behinderter Menschen in lokalen Strukturen. In: Luthe, Ernst-Wilhelm (Hrsg.), Kommunale Gesundheitslandschaften. Wiesbaden: Springer, S. 243–261.
World Health Organization (2005). Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). hrsg. v. Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Genf.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Elisabeth Wacker
Beitrag als PDFEinzelansichtMelanie Schaumburg: Alles inklusive? Zum Inklusionsverständnis innerhalb der medienpädagogischen Praxis
In der medienpädagogischen Praxis werden mittlerweile eine Vielzahl an Projekten unter dem Label ‚inklusive Medienbildung‘ angeboten. Es zeigt sich in der Praxis allerdings häufig eine Fokussierung auf spezifische Zielgruppen wie Menschen mit Behinderung oder mit Fluchterfahrung. Es stellt sich daher die Frage, wie diese zielgruppenspezifischen Angebote mit dem Begriff Inklusion vereinbar sind und wie die Medienpädagogik mit diesem Paradox umgeht.
Literatur
Baacke, Dieter (2007). Medienpädagogik. Berlin: De Gruyter.
Balz, Hans-Jürgen/Benz, Benjamin/Kuhlmann, Carola (Hrsg.) (2012). Soziale Inklusion. Grundlagen, Strategien und Projekte in der Sozialen Arbeit. Wiesbaden: Springer VS.
Bosse, Ingo (2017). Digitale Teilhabe im Kontext von Beeinträchtigung und Migration. Zum Selbstverständnis inklusiver und integrativer Medienpädagogik. In: von Gross, Friederike/Röllecke, Renate (Hrsg.), Medienpädagogik der Vielfalt – Integration und Inklusion. Medienpädagogische Konzepte und Perspektiven München: kopaed, S. 19–30.
Bosse, Ingo (Hrsg.) (2012). Medienbildung im Zeitalter der Inklusion. Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (45). https://publikationen.medienanstalt-nrw.de/index.php?view=product_detail&product_id=299 [Zugriff: 11.07.2019]
Bretländer, Bettina/Köttig, Michaela/Kunz, Thomas (Hrsg.) (2015). Vielfalt und Differenz in der sozialen Arbeit. Perspektiven auf Inklusion. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer.
Feuser, Georg (2017). Inklusion – Das Mögliche, das im Wirklichen noch nicht sichtbar ist. In: Feuser, Georg (Hrsg.), Inklusion – ein leeres Versprechen? Zum Verkommen eines Gesellschaftsprojekts. Originalausgabe. Gießen: Psychosozial-Verlag, S. 183–285.
Feuser, Georg (1989). Allgemeine integrative Pädagogik und entwicklungslogische Didaktik. In: BEHINDERTENPÄDAGOGIK, 28 (1), S. 4–48. http://bidok.uibk.ac.at/library/feuser-didaktik.html#idp26007280 [Zugriff: 11.07.2019]
Feuser, Georg (1988). Aspekte einer integrativen Didaktik unter Berücksichtigung tätigkeitstheoretischer und entwicklungspsychologischer Erkenntnisse. In: Eberwein, Hans (Hrsg.), Behinderte und Nichtbehinderte lernen gemeinsam. Handbuch der Integrationspädagogik. Weinheim: Beltz, S. 170–179.
GMK Fachgruppe Inklusive Medienbildung (2018). Medienbildung für alle: Medienbildung inklusiv gestalten! Positionspapier der Fachgruppe Inklusive Medienbildung der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK). www.gmk-net.de/wp-content/uploads/2018/10/positionspapier_medienbildung_fuer_alle_20092018.pdf [Zugriff: 11.07.2019]
Grosche, Michael (2015). Was ist Inklusion? Ein Diskussions- und Positionsartikel zur Definition von Inklusion aus Sicht der empirischen Bildungsforschung. In: Kuhl, Poldi/Stanat, Petra/Lütje-Klose, Birgit (Hrsg.), Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Schulleistungserhebungen. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 17–39.
Jörissen, Benjamin (2013). „Medienbildung“ in 5 Sätzen. www.joerissen.name/medienbildung/medienbildung-in-5-satzen [Zugriff: 11.07.2019]
Kamin, Anna-Maria/Schluchter, Jan-René/Zaynel, Nadja (2018). Zur Theorie und Praxis einer inklusiven Medienbildung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (Hrsg.), Inklusive Medienbildung. Ein Projektbuch für pädagogische Fachkräfte, S. 15–42.
Keine Bildung ohne Medien (KBoM) (2011). Bildungspolitische Forderungen. Medienpädagogischer Kongress 2011. www.keine-bildung-ohne-medien.de/kongress-dokumentation/keine-bildung-ohne-medien_bildungspolitische-forderungen.pdf [Zugriff: 11.07.2019]
Köttig, Michaela (2017). Inklusion?! Aufgabe und Herausforderung für Soziale Arbeit. In: Spatscheck, Christian/Thiessen, Barbara/Dannenbeck, Clemens/Borrmann, Stefan/Völschow, Yvette (Hrsg.), Inklusion und Soziale Arbeit. Teilhabe und Vielfalt als gesellschaftliche Gestaltungsfelder. Opladen/Berlin/Toronto: Barbara Budrich, S. 31–42.
Meyer, Thomas (2016). „Inklusion von Menschen mit Behinderung in der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Jugendsozialarbeit in Baden-Württemberg“. Eine Expertise im Auftrag des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg. Stuttgart. www.sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-sm/intern/downloads/Publikationen/Abschlussbericht_Expertise_Inklusion_KJA_BW_2016.pdf [Zugriff: 11.07.2019]
Michaelis, Elke/Lieb, Oliver (Hrsg.) (2006). Ausdrucksstark. Modelle zur aktiven Medienarbeit mit Heranwachsenden mit Behinderung. München: kopaed.
mobil + stark – Wege zu einer inklusiven Medienbildung (o. J.). Institut für Medienforschung und Medienpädagogik (IMM) der Technischen Hochschule Köln. www.th-koeln.de/angewandte-sozialwissenschaften/mobil--stark---wege-zu-einer-inklusiven-medienbildung_26935.php [Zugriff: 11.07.2019]
Prengel, Annedore (2006). Pädagogik der Vielfalt. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Spanhel, Dieter (2007). Zur Standortbestimmung der Medienpädagogik aus anthropologischer und bildungswissenschaftlicher Sicht. In: Sesink, Werner/Kerres, Michael/Moser, Heinz (Hrsg.), Jahrbuch Medienpädagogik. Standortbestimmung einer erziehungswissenschaftlichen Disziplin. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 33–54.
Voigts, Gunda (2013). Partizipation von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in der Kinder- und Jugendarbeit. Auf dem Weg zu einem inklusiven Gestaltungsprinzip. In: Teilhabe, 52 (1), S. 18–25.
von Gross, Friederike/Röllecke, Renate (Hrsg.) (2017). Medienpädagogik der Vielfalt – Integration und Inklusion. Medienpädagogische Konzepte und Perspektiven. München: kopaed.
Ziemen, Kerstin (2018). Didaktik und Inklusion. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Zorn, Isabel/Schluchter, Jan-René/Bosse, Ingo (2019). Theoretische Grundlagen inklusiver Medienbildung. In: Bosse, Ingo/Schluchter, Jan-René/Zorn, Isabel (Hrsg.), Handbuch Inklusion und Medienbildung. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 16–33.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Melanie Schaumburg
Beitrag als PDFEinzelansichtIngo Bosse, Nadja Zaynel, Claudia Lampert: Mediennutzung und Vermittlung von Medienkompetenz in der Behindertenhilfe in Bremen: Ergebnisse der MeKoBe-Studie
Die Bremische Landesmedienanstalt hat den Auftrag, allen Bremerinnen und Bremern „Angebote zur Förderung des aktiven und bewussten Umgangs mit Medieninhalten“ zu unterbreiten. In diesem Bewusstsein hat die Institution eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme der Fortbildungsbedarfe für Einrichtungen der Behindertenhilfe ausgeschrieben, verbunden mit dem Ziel, ein Fortbildungskonzept zur Medienkompetenzvermittlung an Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung zu entwickeln. Dieser Artikel stellt die wesentlichen Ergebnisse der Studie vor.
Ausgangspunkt und Rahmen
Die im Rahmen des Digitalindex 2018/19 erhobenen Daten machen deutlich, dass im Jahr 2018 84 Prozent der Deutschen das Internet zumindest gelegentlich nutzten. Dies bedeutet zugleich, dass 16 Prozent dieses nicht nutzen. Alter, Bildung, Berufstätigkeit und Geschlecht sind Faktoren, welche das Nutzungsverhalten wesentlich beeinflussen (vgl. Initiative D21 2019).
Mit dem Digital Divide oder der digitalen Kluft werden Ungleichheiten in der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit digitaler Medien beschrieben, die von folgenden Faktoren beeinflusst werden: sozio-ökonomische Faktoren, Bildung, geografische und geopolitische Region, ethnische Zugehörigkeit und Beeinträchtigung. Wird der Aspekt einer Beeinträchtigung berücksichtigt, verwenden einige Autorinnen und Autoren auch den Begriff des Digital Disability Divide (vgl. Sachdeva et al. 2015; Heitplatz et al. 2019). Bei Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung zeigt sich sowohl der Digital Divide, also die Kluft in dem Zugang zu digitalen Kommunikationstechnologien, als auch der Second-Level Digital Divide, nämlich die Kluft in der Nutzungsqualität, die sich durch mangelnde Medienkompetenz ergibt (vgl. Dobransky/Hargittai 2006). Ein weiterer Unterscheid zeigt sich im Vergleich der Wohnsettings: Menschen, die in stationären Wohneinrichtungen leben, haben deutlich seltener Zugang zu digitalen Medien (vgl. Bosse/Hasebrink 2016). Besonders Menschen mit geistiger Behinderung sind auf Impulse und Unterstützung bei der Nutzung digitaler Medien angewiesen, sodass sie von einer fördernden und begleitenden Haltung gegenüber digitalen Medien in ihrer Medienkompetenz profitieren und gegenteilig nicht durch eine bewahrende Haltung benachteiligt und exkludiert werden. Ob es digitale Medien in stationären Wohneinrichtungen gibt und ob der Umgang mit diesen gefördert wird, hängt vor allem von der Haltung in der Einrichtung ab. Darüber hinaus ist Medienbildung bisher nur in sehr wenigen Einrichtungen Bestandteil von Entwicklungskonzepten. Heitplatz et al. (2019) konnten außerdem den starken Einfluss des Betreuungspersonals auf die Internet- und Smartphonenutzung von Menschen, die in stationären Einrichtungen leben, nachweisen.
Abb. 1: Mangels Zugang zu Smartphone und Co. erleben Menschen mit Behinderung in stationären Einrichtungen häufiger Ausgrenzung
In der MeKoBe-Studie lag der Schwerpunkt vor allem auf sozialen Faktoren, den sogenannten Gelegenheitsbarrieren nach dem Partizipationsmodell von Beukelman und Mirenda (1998), die sich nicht auf individuelle, sondern auf sozio-kulturelle Barrieren beziehen. Dabei spielten vor allem Fragen zur Haltung der Mitarbeitenden der Behindertenhilfe gegenüber Medien generell sowie zur Mediennutzung der Klientinnen und Klienten eine große Rolle. Das Partizipationsmodell zielt auf die Planung und Implementierung von Interventionen und mündet in Schulung und Training (vgl. Thiele 2016). Daher erschien es als theoretische Rahmung für die Studie besonders geeignet. „Das Partizipationsmodell verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass in dem Prozess der Implementierung nicht nur die oder der Betroffene selbst, sondern auch dessen Umfeld einbezogen und geschult werden muss, um die jeweilige Interventionsstrategie langfristig und nachhaltig zu implementieren.“ (Bosse et al. 2018, S. 5) Dieses Modell steht im Zusammenhang mit dem der Studie zugrundeliegenden Verständnis von Behinderung, auf welches sich die Weltgesundheitsorganisation international verständigt hat. In der Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit werden Situationen der Behinderung beschrieben. Damit ist eine Behinderung immer von den jeweiligen Umweltfaktoren und personenbezogenen Faktoren abhängig. Ausgangspunkt sind veränderte Körperstrukturen bzw. -funktionen, die sich individuell unterschiedlich auf Möglichkeiten zu Aktivitäten und damit auf die Teilhabe bzw. Partizipation einer Person auswirken können (vgl. DIMDI 2010). Aus dieser Perspektive wirken sich auch nicht-barrierefreie Medien als Umweltfaktoren negativ auf die digitale Teilhabe aus.
Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung sind aber keine einheitliche Gruppe mit festgesetzten und umschriebenen Eigenschaften. Havemann und Stöppler (2010) bezeichnen den Begriff als „Sammelbegriff für ein Phänomen mit oft lebenslangen, aber verschiedenen Äußerungsformen einer unterdurchschnittlichen Verarbeitung kognitiver Prozesse und Probleme mit der sozialen Adaption“ (S. 20). Eine Besonderheit im deutschsprachigen Raum ist die Differenzierung zwischen geistiger Behinderung und Lernbehinderung. Das Netzwerk People-First lehnt diese Unterscheidung ab und schlägt den Begriff ‚Personen mit Lernschwierigkeiten‘ vor. Wir übernehmen den Begriff, auch wenn er das Problem nicht löst, dass diese Teilgruppe schwierig einzugrenzen ist.
Die Studie zur Mediennutzung von Menschen mit Behinderungen (MMB16) hat deutlich gemacht, dass das Internet von der Gruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten deutlich weniger genutzt wird als von der Durchschnittsbevölkerung. Dies hängt unter anderem mit ihrer Medienausstattung zusammen. So verfügten lediglich 42 Prozent der 14- bis 29-Jährigen und 25 Prozent der ab 50-Jährigen mit Lernschwierigkeiten über ein Smartphone (vgl. Bosse/Hasebrink 2016, S. 100).
Bisher existieren nur wenige zielgruppenspezifische oder auch inklusive Angebote, die sich mit der Vermittlung von Medienkompetenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten beschäftigen. Nur wenige dieser Projekte werden wissenschaftlich evaluiert (für einen Überblick siehe Bosse et al. 2018). Einen aktuellen Überblick über das Berufsfeld Tagesförderung/Wohneinrichtungen im Kontext von Inklusion und Medienbildung liefert Mayerle (2019), der resümiert, dass „unter der Perspektive von inklusiver Medienbildung eine anwendungsbezogene Praxisforschung von Nöten [ist], welche die Teilhabemöglichkeiten in digitalen Räumen von Bewohner_innen stationärer Wohnformen in den Blick nimmt und Prozesse der (kommunalen) Planung und Entwicklung von Angebotsstrukturen und die Entwicklung von Einrichtungsformen, Unterstützungsdiensten und pädagogischen Handlungskonzepten vor einem fachwissenschaftlichen Hintergrund begleitet und evaluiert“ (S. 178). Ein Kernaspekt bisher vorliegender Studien ist weiterhin die Verunsicherung von Bezugspersonen von Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrer eigenen Medien- und medienpädagogischen Kompetenz (vgl. Mihajlovic 2012; Zaynel 2013). Hier setzt die MeKoBe-Studie insofern an, als sie ein Fortbildungskonzept zur Vermittlung von Medienkompetenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt.
Studiendesign, Methoden und Instrumente
In einem qualitativ angelegten Forschungsdesign wurden 14 leitfadengestützte Interviews mit Mitarbeitenden und Leitungspersonen von stationären und ambulanten Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe im Land Bremen geführt. Die Leitfadeninterviews wurden durch zwei Gruppendiskussionen ergänzt. Die eine Gruppe setzte sich aus Expertinnen und Experten aus der Behindertenhilfe zusammen, die sich mit der Umsetzung von Medienkompetenzvermittlung beschäftigen. Die andere Gruppe setzte sich rollenübergreifend zusammen, sodass sowohl Mitarbeitende als auch Leitungspersonen gemeinsam mit Klientinnen und Klienten über die Medienkompetenzvermittlung in der Einrichtung diskutierten. Alle Interviews und Diskussionen wurden transkribiert und mittels zusammenfassender Inhaltsanalysen ausgewertet. Die deduktiven Kategorien wurden dafür aus dem Partizipationsmodell und der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) der WHO abgeleitet.
Ergebnisse im Überblick
Mediennutzung und -ausstattung
Grundsätzlich wurde eine Unterscheidung zwischen der Medienausstattung von Einrichtungen und Klientinnen und Klienten vorgenommen. Der Fernseher ist das hauptsächlich genutzte Medium und wurde, sofern genannt, als wichtigstes Medium bezeichnet. Vorhandene dienstliche Computer für Mitarbeitende können begleitet auch von Klientinnen und Klienten genutzt werden. Mitarbeitende sind somit immer bei der Computernutzung dabei. Weitere Geräte müssen die Klientinnen und Klienten selbst anschaffen. Das Smartphone ist weit verbreitet: Der Privatbesitz ist bei ambulant betreuten Klientinnen und Klienten weit höher als bei stationär untergebrachten. Soziale Netzwerke, auch YouTube, werden häufig genutzt; teilweise auch Datingplattformen. Im ambulant betreuten Wohnen ist WhatsApp häufig das Hauptkommunikationsmedium zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Mitarbeitenden.
Etwa die Hälfte der Einrichtungen verfügt über W-LAN, zum Teil über die Mitarbeitenden. Meist müssen sich die Klientinnen und Klienten eigenständig darum kümmern. Der Wunsch nach der Möglichkeit, das Internet nutzen zu können, wurde mehrfach genannt. Tablets sind nur vereinzelt verfügbar und werden selten genutzt. Auditive Medien wie Radio und Tonträger haben in einzelnen Einrichtungen eine hohe Bedeutung, teilweise auch Spielekonsolen; in diesem Kontext wurde auch die soziale Funktion („Spielen verbindet“) besonders betont.
Der Grad der selbständigen Nutzung ist sehr unterschiedlich. Teilweise wird der Unterstützungsbedarf der Klientinnen und Klienten als sehr hoch angesehen. Teilweise wird versucht, bedarfsorientiert Unterstützung zu leisten. Regeln zur Mediennutzung gibt es aus unterschiedlichen Gründen nicht, unter anderem weil es keine Probleme gebe oder die Klientinnen und Klienten erwachsen seien.
Medienbezogene Haltungen und Medienkompetenzvermittlung
Die Haltung der Mitarbeitenden zur Mediennutzung der Klientinnen und Klienten ist sehr divers. Es sind sowohl bevormundende und verbietende Haltungen als auch solche des Begleitens vorhanden. Gleichzeitig wurde deutlich, dass eine progressive Haltung durch Gespräche intensiviert werden kann.
Die Haltungen wirken sich auch unmittelbar auf die Medienkompetenzvermittlung aus. Medienkompetenz wurde als Thema lange Zeit vernachlässigt oder sei oft gar kein Thema. Es wird auch als „Feuerlösch-Thema“ bezeichnet, welches erst noch in den Alltag implementiert werden müsse. Für Mitarbeitende liegen die Herausforderungen im Kern in der mangelnden Technikausstattung, knappen zeitlichen und personellen Ressourcen, im mangelnden trägerübergreifenden Austausch und Know-how sowie in persönlichen Unsicherheiten. Bezogen auf die Klientinnen und Klienten liegen aus Sicht der Mitarbeitenden die wesentlichen Herausforderungen in mangelnder Abstraktionsfähigkeit sowie motorischen Einschränkungen. Zudem werden mögliche Risiken wie Vereinsamung, Eskapismus, Abhängigkeit und Suchtgefahr antizipiert; auch Streit im Internet, Kosten, Bestellungen und Datenschutz wurden genannt. Deutlich wurde zugleich, dass Klientinnen und Klienten auch aus negativen Erfahrungen lernen.
Medienkompetenz der Mitarbeitenden
Das Thema Medienkompetenz ist bei den Mitarbeitenden von großen Berührungsängsten geprägt. Diese lassen sich zusammengefasst auf folgende Faktoren zurückführen:
- Alter – Erfahrungen und Einstellungen gegenüber Medien: Bei älteren Mitarbeitenden wird ein fehlender Bezug zu Medienthemen beschrieben. Junge Kolleginnen und Kollegen hätten weniger Berührungsängste, da digitale Medien für sie alltäglich seien. Bei den Älteren bestehen größere Berührungsängste gegenüber dem Computer (z. B. etwas versehentlich zu löschen), aber auch Vorbehalte bezüglich der Erreichbarkeit über Diensthandys.
- Unwissen & Unsicherheiten: Es bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der medienbezogenen Möglichkeiten und Freiräume für Klientinnen und Klienten. Je geringer das Wissen über Medien, desto größer ist die Angst und Unsicherheit.
- Sorgen vor möglichen rechtlichen Konsequenzen: Es besteht die große Sorge vor negativen Vorfällen und draus resultierendem Ärger. Unklarheiten und Unsicherheiten sind insbesondere bezüglich der Aufsichtspflicht und rechtlicher Rahmenbedingungen vorhanden.
Überdies lassen sich verschiedene Barrieren und Förderfaktoren hinsichtlich der Mediennutzung und Medienkompetenz der Mitarbeitenden identifizieren, die sich nach strukturellen, technischen und individuellen Faktoren zusammenfassen lassen (Tab. 1).
Tab. 1: Rolle von Medien im Kontext der Arbeit
Als Barrieren in Bezug auf den Medieneinsatz in den Einrichtungen lässt sich festhalten, dass die Positionen zu einzelnen Themen zum Teil weit auseinanderliegen. Eine große Rolle spielt die Altersstruktur im Team. Einige Kolleginnen bzw. Kollegen, die kurz vor der Rente stehen, würden versuchen, sich dem bis dahin zu entziehen. Die medienbezogenen Interessen und Chancen für die Klientinnen und Klienten werden oft nicht beachtet bzw. nicht ernstgenommen. Die technische Unterstützung wird mit Verantwortung und der Gefahr von Schuldzuweisung verbunden.
Der Grad der Medienaffinität der Mitarbeitenden hat deutliche Auswirkungen auf den Zugang zu Medien für Klientinnen und Klienten: Medienaffine Mitarbeitende sind Impulsgebende. Die Medienkompetenzvermittlung findet vorzugsweise zwischen Klientinnen und Klienten und Bezugsbetreuerinnen und -betreuern statt. Damit sind Klientinnen und Klienten mit wenig medienaffinen Bezugsbetreuenden auf andere Mitarbeitende angewiesen. Dennoch werden in der überwiegenden Zahl der Einrichtungen Fortbildungen lediglich angeboten, wenn Klientinnen und Klienten dies explizit fordern. Eine wichtige Rolle spielt der Grad des Vertrauensverhältnisseszwischen Mitarbeitenden und Klientinnen und Klienten. Dieser wirkt sich auf die Bereitschaft aus, sich mit Medienthemen auseinanderzusetzen. Es gibt Fragen, welche Klientinnen oder Klienten nicht allen Mitarbeitenden stellten würden. Daher stellt sich die Frage, ob medienbezogene Probleme offengelegt werden oder verborgen bleiben. Klientinnen und Klienten fragen bei intimen, privaten Fragen eher andere Klientinnen und Klienten als Mitarbeitende.
Es wird kein Fortbildungsbedarf gesehen, da bei Fragen auf Personen im Team zurückgegriffen wird, die medienaffiner sind. Das Interesse an entsprechenden Fortbildungen ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die ausschlaggebende Gelegenheitsbarriere ist die medienpädagogische Haltung in der jeweiligen Einrichtung. Erkennen Personen im Team die Potenziale digitaler Medien für die Lebensgestaltung von Klientinnen und Klienten, so fördern sie diese. Haben sie hingegen eine bewahrpädagogische Haltung gegenüber digitalen Medien, so geben sie Klientinnen und Klienten keine Impulse bei der Nutzung digitaler Endgeräte. Häufig geht diese Haltung mit der eigenen fehlenden Medienkompetenz einher.
Wünsche und Erwartungen an Fortbildungen zur Vermittlung von Medienkompetenz
Wünsche für Fortbildungen beziehen sich insbesondere auf die Klärung personeller Zuständigkeiten. Es wird eine Anlaufstelle in den Einrichtungen mit entsprechenden Expertinnen bzw. Experten gewünscht, aber auch der gemeinsame Austausch im Team. Es sollte zudem eine eindeutig beauftragte Person pro Gruppe oder Team geben. Die Personen sollten sich freiwillig für diese Aufgabe melden und das Kollegium und Klientinnen und Klienten personenzentriert schulen. Dies ermögliche eine spezifischere Bearbeitung des Themas mit Fachkräften für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Barrieren werden hinsichtlich der einheitlichen Vorgehensweise gesehen und der Benennung nur einer verantwortlichen Person, da die Klientinnen und Klienten dann auf diese angewiesen seien. Ergänzend wird auch eine zentrale Anlaufstelle in Bremen als sinnvoll erachtet.
Förderfaktoren für die Gestaltung von Fortbildungen werden darin gesehen, Klientinnen und Klienten als Lehrende einzubinden, offene, inklusive Angebote zu schaffen, Mitarbeitende auch in Bezug auf Haltung und Motivation zu schulen und trägerübergreifende Fortbildungen für Fachkräfte anzubieten.
An konkreten inhaltlichen Wünschen wurden am häufigsten soziale Medien genannt. Dabei standen Risiken und Gefahren, die sinnvolle Nutzung sowie Chancen und Möglichkeiten der Entlastung für die Nutzenden im Fokus. Weiterhin wurde der Wunsch nach einer Veranschaulichung konkreter Auswirkungen medialer Handlungen geäußert, da zahlreiche Klientinnen und Klienten nicht lesen können. Als nützlich wurde auch alltagsrelevantes Funktionswissen eingeschätzt, wie die Nutzung von Fahrplan-Apps. An zweiter Stelle rangiert das Wunschthema ‚Netiquette in sozialen Medien‘. Fortbildungswünsche beziehen sich unter anderem auf das Verfassen von Posts und das (bewusste) Hochladen von Bildern, auf die Eigenpräsentation und den Umgang mit persönlichen Informationen.
An förderlichen Rahmenbedingungen wurden von den Befragten unter anderem genannt: eine vorherige Abfrage aktueller Bedarfe, die Entwicklung eines Konzept zur Bewerbung von Kursen, eine intensive Schulung, die über eine Tagesfortbildung hinausgeht, sich wiederholende Fortbildungen, Veranstaltungen, die gemeinsam mit Klientinnen und Klienten durchgeführt werden, ein nach der Vermittlung von Grundlagen offenes Konzept, kleine Gruppen, eine inklusive Ansprache, langsames Lernen mit viel Zeit und die Organisation als modularisierte Fortbildung.
Handlungsempfehlungen für bedarfsorientierte Fortbildungen
Auf Grundlage der Befunde wurde ein modulares, übertragbares Fortbildungskonzept entwickelt. Die vier Module können in unterschiedlicher Reihenfolge durchlaufen werden (Abb. 1). Die Erarbeitung eines gemeinsamen Medienprojekts sollte aber immer am Ende stehen.
Abb. 2: Empfehlung für ein Fortbildungskonzept aus vier Module
- Reflexion eigene Mediennutzung und Mediennutzung der Klientinnen & Klienten: Im ersten Modul geht es um die Reflexion der Mediennutzung, der Einstellungen in Bezug auf Medien sowie die Haltung gegenüber digitalen Medien. Dabei ist es zunächst sinnvoll, sich mit der eigenen Mediennutzung auseinanderzusetzen. Ein zentraler Aspekt ist die Haltung gegenüber der Mediennutzung von Klientinnen und Klienten in der Einrichtung. Da für diese Frage im Arbeitsalltag selten Zeit bleibt, ist es umso wichtiger, im Rahmen einer Fortbildung den unterschiedlichen Meinungen und Einstellungen der Mitarbeitenden Raum zu geben.
- Medienausstattung & rechtliche Aspekte: Das zweite Moduldreht sich vor allem um die individuelle Beratung der jeweiligen Einrichtungen in der Anschaffung, Installation und Wartung von Technik sowie die Handhabung der entsprechenden Mediengeräte. Eng damit verknüpft sind rechtliche Aspekte, die vorab geklärt werden sollten, wenn Klientinnen und Klienten im Internet zum Teil eigenverantwortlich surfen.
- Medienpädagogische Kompetenz : Das dritte Modulumfasst drei zentrale Bausteine: Mediendidaktische Möglichkeiten und Konzepte, medienerzieherische Ansätze sowie methodische Fragen. Die Annäherung erfolgt jeweils über eine Reflexionsphase. Dabei soll im Team beleuchtet werden, wie sich beispielsweise die eigene, aber auch die gemeinsam entwickelte Haltung gegenüber der Mediennutzung von Klientinnen und Klienten auf erzieherische und didaktische Handlungen auswirkt bzw. auswirken könnte. Gleichzeitig gilt es zu schauen, welche methodischen Kompetenzen vorhanden sind, um Klientinnen und Klienten auf kreative Weise den Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln und sie dabei zu unterstützen.
- Realisierung von Medienprojekten: Das vierte Modul ist praktisch angelegt, daher sollte hierfür mehr Zeit zur Verfügung stehen. Zunächst sollte es einen Auftakttag geben, an dem Best-Practice-Projekte vorgestellt werden. Auf Basis dessen erarbeiten die Teilnehmenden ein Konzept für ein eigenes Medienprojekt. Am zweiten Fortbildungstag präsentieren und diskutieren die Mitarbeitenden ihr Konzept, die Planung sowie die anstehende Durchführung mit den anderen. Am Ende steht die Evaluation des eigenen Medienprojekts.
Fazit und Ausblick
Die MeKoBe-Studie hat erstmals die Mediennutzung und Vermittlung von Medienkompetenz in der Behindertenhilfe in Bremen untersucht. Auf Grundlage der Ergebnisse konnten differenzierte Fortbildungsmodule entwickelt und praktisch durchgeführt werden. Für die Einrichtungen stellt sich dabei häufig die Frage der Refinanzierbarkeit, sowohl von Fortbildungen zur Medienkompetenzvermittlung als auch für die Medienkompetenzvermittlung selbst. Neue Möglichkeiten könnten sich mit dem im Jahr 2018 verabschiedeten Bundesteilhabegesetz (BTHG) ergeben, insbesondere mit Verweis auf Paragraph 81 (Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, zu denen auch digitale Kenntnisse und Fähigkeiten zählen können) und Paragraph 84 (Hilfsmittel, hier bezogen auf das Recht auf barrierefreie Computer und der Unterweisung in der barrierefreien Technik), deren Gültigkeit jeweils im Einzelfall zu prüfen ist.
Neben dem beschriebenen Konzept für zielgruppenspezifische Angebote wäre es wünschenswert, wenn die Wahlmöglichkeit zwischen diesen und inklusiven Angeboten zur Medienbildung für Erwachsene bestände. Daten der MeKoBe-Studie machen deutlich, dass Angebote von Volkshochschulen und anderen bereits von Menschen mit Behinderungen – gemeinsam mit anderen – inklusiv genutzt werden. Inzwischen liegen fundierte Erkenntnisse vor, wie sich Volkshochschulen inklusiv weiterentwickeln können und wie Kurse für Bevölkerungsgruppen, die besonders von der digitalen Kluft betroffen sind, erfolgreich gestaltet werden können (vgl. Hemm 2018; Becker et al. 2019).
Die Qualität des Erwerbs von Medienkompetenz im Rahmen von Fortbildungen ist immer von der Kompetenz derjenigen abhängig, die diese vermitteln. Geschieht dies in Fortbildungen auf Augenhöhe, erweitern beide Seiten ihre Kompetenzen und können selbstbestimmt und selbstbewusst im doppelten Wortsinn mit Medien umgehen.
Den gesamten Beitrag finden Sie hier als PDF.
Literatur
Becker, Manuela/Benner, Alexandra/Borg, Katrin/Hüls, Jan/Koch, Marina/Kost, Annika et al. (2019): How to Design an Intervention to Raise Digital Competences: ALL DIGITAL Week – Dortmund 2018. In: Antona, Margeritha/Stephanidis, Constantive (eds.), Universal Access in Human Computer Interaction. Theory, methods and tools, Bd. 11572: Springer (Lecture notes in computer science), S. 389–407.
Bosse, Ingo/ Hasebrink, Uwe (2016). Mediennutzung von Menschen mit Behinderungen. Forschungsbericht. Unter Mitarbeit von Annegret Haage, Sascha Hölig, Sebastian Adrian, Gudrun Kellermann und Theresa Suntrup. file://delphi/clampert/Downloads/Studie-Mediennutzung_Menschen_mit_Behinderungen_Langfassung.pdf [Zugriff: 21.08.2019].
Bosse, Ingo/Zaynel, Nadja/Lampert, Claudia (2018). MeKoBe – Medienkompetenz in der Behindertenhilfe. Bedarfserfassung und Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von Fortbildungen zur Medienkompetenzförderung. Ergebnisbericht. www.bremische-landesmedienanstalt.de/uploads/Texte/Meko/Forschung/MekoBe_Endbericht.pdf [Zugriff: 21.08.2019].
Heitplatz Vanessa/Bühler Christian/Hastall, Matthias (2019). Caregivers’ Influence on Smartphone Usage of People with Cognitive Disabilities: An Explorative Case Study in Germany. In: Antona, Margeritha/ Stephanidis, Constantive (eds.), Universal Access in Human-Computer Interaction. Multimodality and Assistive Environments. HCII 2019. Lecture Notes in Computer Science, vol. 11573. Springer, Cham.
Hemm, Michael (2018). So gelingt inklusive Erwachsenenbildung. Der Bamberger Weg zu einer inklusiven Volkshochschule – ein Praxisleitfaden. Gemeinsames Lernen von Menschen mit und ohne Behinderung an der Volkshochschule. 1. Auflage. Marburg: Verlag der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V.
Initiative D21 (2019). D 21 Digitalindex 2018/19. Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft. https://initiatived21.de/app/uploads/2019/01/d21_index2018_2019.pdf [Zugriff 21.08.2019].
Mayerle, Michael (2019). Berufsfeld Tagesförderung/Wohneinrichtungen. In: Bosse, Ingo/Schluchter, Jan-René/Zorn, Isabel (Hrsg.), Handbuch Inklusion und Medienbildung, Weinheim, Basel: Beltz/Juventa, S. 170–180.
Mihajlovic, Christopher (2012). Die Nutzung von Computer und Internet an Förderschulen. In: merz. medien + erziehung 56 (01/12), S. 25–31.
Sachdeva, Neeraj/Tuikka, Anne-Marie/Kimppa, Kai Kristian/Suomi, Reima (2015). Digital disability divide in information society. A framework based on a structured literature review. In: Journal of Information, Communication and Ethics in Society 13 (3/4), S. 283–298.
Thiele, Annett (2016). Assistive Technologien für Menschen mit einer körperlich-motorischen Beeinträchtigung. Interdisziplinäre Handlungsfelder und Eckpfeiler einer Qualifikation von Pädagog/innen mit einem sonderpädagogischen Profil. In: Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 85 (4), S. 307–322.
Zaynel, Nadja (2013). Wie Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom fernsehen. In: merz- Medien + Erziehung57 (4), S. 50–55.
Dr. Ingo Bosse ist Junior-Professor für motorisch-körperliche Entwicklung an der Technischen Universität Dortmund. Er hat zahlreiche nationale und internationale Publikationen zu seinen Forschungsschwerpunkten Barrierefreiheit, Inklusion und Medien/ Technologien sowie inklusive Medienbildung verfasst. Außerdem ist er Sprecher der Fachgruppe Inklusive Medienbildung der GMK.
Dr. Nadja Zaynel leitet das PIKSL Labor Düsseldorf. Sie promovierte zur Internetnutzung Jugendlicher und junger Erwachsener mit Down-Syndrom und ist Sprecherin der Fachgruppe Inklusive Medienbildung der GMK.
Dr. Claudia Lampert ist Senior Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung des Hans-Bredow-Instituts und befasst sich mit Fragen des Aufwachsens in digitalisierten Medienumgebungen sowie mit dem Themenfeld der Gesundheitskommunikation.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Ingo Bosse, Nadja Zaynel, Claudia Lampert
Beitrag als PDFEinzelansichtValerie Jochim, Susanne Eggert, Lisa Rußwurm, Thomas Weißgerber, Thomas Knieper, Michael Granitzer: Inklusiv digital: Entwicklung eines Blended-Learning- Kurses für pädagogisch-pflegerische Fachkräfte
Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung sind im Umgang mit digitalen Medien auf Assistenz angewiesen. Die sie unterstützenden Fachkräfte sind auf diese Aufgabe oft nicht vorbereitet, da dies in der Ausbildung bisher kaum eine Rolle spielt. Inklusiv digital ist ein Blended-Learning-Kurs für pädagogisch-pflegerische Fachkräfte, dessen Online-Anteile über die Lernplattform Moodle realisiert werden. Ziel des Kurses ist es, Fachkräfte zu befähigen, digitale Medien in der Arbeit mit ihren Klientinnen und Klienten einzusetzen.
Literatur
Al-Ajlan, Ajlan/Zedan, Hussein (2008). Why Moodle. Future Trends of Distributed Computing Systems, IEEE International Workshop. 58-64. 10.1109/FTDCS.2008.22. www.researchgate.net/publication/232615507_Why_Moodle [Zugriff: 18.08.2019]
Bosse, Ingo/Hasebrink, Uwe (2016). Mediennutzung von Menschen mit Behinderungen. Forschungsbericht. hrsg. v. Aktion Mensch e. V. und die medienanstalten – ALM GbR. www.kme.tu-dortmund.de/cms/de/Aktuelles/aktuelle-Meldungen/Langfassung-der-Studie-_Mediennutzung-von-Menschen-mit-Behinderungen_-veroeffentlicht/Studie-Mediennutzung_Langfassung_final.pdf [Zugriff: 14.08.2019]
Demmler, Kathrin/Rösch, Eike (2014). Aktive Medienarbeit in einem mediatisierten Umfeld. In: Kammerl, Rudolf/Unger, Alexander/Grell, Petra/Hug, Theo (Hrsg.), Jahrbuch Medienpädagogik 11. Diskursive und produktive Praktiken in der digitalen Kultur. Wiesbaden, Springer, S. 191–207.
Eggert, Susanne/Jochim, Valerie (2019). Inklusiv digital – Blended Learning als Lehr-Lern-Format für pädagogisch-pflegerische Fachkräfte zum Themenbereich „Inklusion durch digitale Medien“. In: Angenet, Holger/Heidkamp, Birte/Kergel, David (Hrsg.), Digital Diversity. Bildung und Lernen im Kontext gesellschaftlicher Transformationen. Wiesbaden, S. 291–302.
Kerres, Michael/Jechle, Thomas (2002). Didaktische Konzeption des Tele-Lernens. In: Issing, Ludwig J./Klimsa, Paul (Hrsg.), Information und Lernen mit Multimedia. Weinheim: Beltz, S. 226–281.
Linux Foundation (o. J.). Let’s Encrypt. www.letsencrypt.org [Zugriff: 23.07.2019]
Mandl, Heinz/Kopp, Birgitta (2006). Blended Learning: Forschungsfragen und Perspektiven. Forschungsbericht Nr. 182. München.
Mayerle, Michael (2015). „Woher hat er die Idee?“ Selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten durch Mediennutzung. Abschlussbericht der Begleitforschung im PIKSL-Labor. Siegen.
Moodle™ (2019). Was ist Moodle. https://docs.moodle.org/37/de/Was_ist_Moodle [Zugriff: 18.07.2019]
Moodle™ (o. J.a). Activities: BigBlueButtonBN. mod_bigbluebuttonbn. https://moodle.org/plugins/mod_bigbluebuttonbn [Zugriff: 18.07.2019].
Moodle™ (o. J.b). Activities: Interactive Content – H5P. mod_hvp. https://moodle.org/plugins/mod_hvp [Zugriff: 18.07.2019].
Moodle™ (o. J.c). IMS Common Cartridge Import und Export. https://docs.moodle.org/37/de/IMS_Common_Cartridge_Import_und_Export [Zugriff: 24.07.2019].
Moodle™ (o. J.d). Moodle architecture. https://docs.moodle.org/dev/Moodle_architecture [Zugriff: 23.07.2019].
Moodle™ (o. J.e). Plugins. https://moodle.org/plugins/ [Zugriff: 18.07.2019].
Moodle™ (o. J.f). Themes: Moove. theme_moove. https://moodle.org/plugins/theme_moove [Zugriff: 18.07.2019].
PADIGI (2019a). Inhalte und Materialien. www.padigi-medienkompetenz.de/kurs/inhalte-und-materialen [Zugriff: 18.07.2019]
PADIGI (2019b). Inklusiv digital. PADIGI – Partizipative Medienbildung für Menschen mit geistiger Behinderung. https://moodle.padigi-medienkompetenz.de [Zugriff: 18.07.2019]
Schluchter, Jan-René (2014). Medienbildung in der (sonder)pädagogischen Lehrerbildung. München: kopaed.
Stecher, Sina/Mellitzer, Sophia/Demmler, Kathrin (2019). Blended Learning in der Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe. München. www.jff.de/veroeffentlichungen/detail/expertise-blended-learning-in-der-weiterbildung-loom [Zugriff: 17.07.2019]
Vereinte Nationen (2008). UN-Behindertenrechtskonvention. Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung. www.behindertenrechtskonvention.info [Zugriff: 14.08.2019].
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Valerie Jochim, Susanne Eggert, Lisa Rußwurm, Thomas Weißgerber, Tom Knieper, Michael Granitzer
Beitrag als PDFEinzelansichtJan-René Schluchter: Medienpädagogik und heterogene Lerngruppen: Didaktische Überlegungen
Inklusive pädagogische Ansätze sowie damit einhergehende Überlegungen zu einer Didaktik des gemeinsamen Lernens (z. B. Inklusive Didaktik/ Allgemeine Didaktik) sind in Verbindung mit Medien/ Medienpädagogik in verschiedenen pädagogischen Handlungsfeldern nur in ersten Ansätzen vertreten. Anhand des Prinzips der Elementarisierung im Folgenden exemplarisch eine Möglichkeit der Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen in inklusiven pädagogischen Settings aufgezeigt und Konsequenzen für die Medienpädagogik diskutiert.
Literatur
Bräu, Karin (2018). Inklusion und Leistung. In: Sturm, Tanja/Wagner-Willi, Monika (Hrsg.), Handbuch schulische Inklusion. Opladen; Toronto: Verlag Barbara Budrich. S. 207–222.
Haupt, Ursula (2006). Wie Lernen beginnt. Grundfragen der Entwicklung und Förderung schwer behinderter Kinder. Stuttgart: Kohlhammer.
Hoffmann, Thomas (2016). Entwicklungsorientierte Begründungen der Didaktik im Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion. In: Musenberg, Oliver/Riegert, Judith (Hrsg.), Didaktik und Differenz. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S. 91–110.
Hoffmann, Thomas (2010). Bildung und Entwicklung. Die Kulturhistorische Schule der russischen Psychologie und ihr Beitrag zur Geistigbehindertenpädagogik. In: Musenberg, Oliver/Riegert, Judith (Hrsg.), Bildung und geistige Behinderung. Oberhausen: Athena Verlag, S. 142–167.
Kergel, David (2019). Erziehungskonstellationen analysieren und Bildungsräume gestalten. Ein Methodenbuch für die pädagogische Theorie und Praxis. Wiesbaden: VS-Verlag.
Kutscher, Nadia (2009). Ungleiche Teilhabe. Überlegungen zur Normativität des Medienkompetenzbegriffes. In: Zeitschrift für Medienpädagogik in Theorie und Praxis, 17/2009. www.medienpaed.com/article/view/110/110 [Zugriff: 13.09.19]
Lamers, Wolfgang (2003). Unterricht mit Schülerinnen und Schülern mit schwerer und mehrfacher Behinderung. In: Fröhlich, Andreas/Heinen, Norbert/Lamers, Wolfgang (Hrsg.), Schulentwicklung. Gestaltungs(t)räume in der Arbeit mit schwerbehinderten Schülerinnen und Schülern. Düsseldorf: Verlag Selbstbestimmtes Leben. S. 197–211.
Lindmeier, Christian (2012). „Grundbildung“ und „Basiskompetenzen“ – (k)ein Thema für die Geistigbehindertenpädagogik? In: Stinkes, Ursula/ Schwarzburg-von Wedel, Ellen (Hrsg.), Sonderpädagogik und Verantwortung. Heidelberg: Winter. S. 177–211.
Lamers, Wolfgang/Heinen, Norbert (2006). „Bildung mit For-Mat“. Impulse für eine veränderte Unterrichtspraxis mit Schülerinnen und Schülern mit (schwerer) Behinderung. In: Laubenstein, Désirée/Lamers, Wolfgang/Heinen, Norbert (Hrsg.), Basale Stimulation kritisch-konstruktiv. Düsseldorf: Verlag Selbstbestimmtes Leben. S. 141–205.
Musenberg, Oliver (2015). Veranschaulichung der Vergangenheit. Ansprüche heterogener Lerngruppen an inklusiven Geschichtsunterricht. In: Riegert, Judith/Musenberg, Oliver (Hrsg.), Inklusiver Fachunterricht in der Sekundarstufe. Stuttgart: Kohlhammer. S. S. 206–220.
Niesyto, Horst (2009). Digitale Medien, soziale Benachteiligung und soziale Distinktion. In: Zeitschrift für Medienpädagogik in Theorie und Praxis, 17/2009. www.medienpaed.com/issue/view/16/25 [Zugriff: 13.09.19]
Reich, Kersten (2012). Konstruktivistische Didaktik. Das Lehr- und Studienbuch mit Online-Methodenpool. Weinheim, Basel: Beltz.
Schluchter, Jan-René (2010). Medienbildung mit Menschen mit Behinderung. München: kopaed.
Terfloth, Karin/Bauersfeld, Sören (2015). Schüler mit geistiger Behinderung unterrichten. Didaktik für Förder- und Regelschule. München/Basel: Ernst Reinhardt Verlag.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Jan-René Schluchter
Beitrag als PDFEinzelansichtFabian van Essen: Medienpädagogische Kompetenzen: Digital Disability Divide und Bildungsfachkräfte mit Behinderung
Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen sind in hohem Maße von den rasanten Entwicklungen der Digitalisierung abgekoppelt. Gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten sind damit stark gefährdet. Doch wie können Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen zu einer souveränen Teilhabe an der Digitalisierung befähigt werden? Wie können Fachkräfte aus (Medien-)Pädagogik und Pflege dazu beitragen? Am Beispiel des Instituts für Inklusive Bildung wird deutlich, dass Menschen mit Behinderung selbst eine zentrale Rolle in der Befähigung der Fachkräfte zur Förderung von Medienkompetenz einnehmen sollten.
Literatur
Antener, Gabriela (2016). Kognitive Beeinträchtigungen. In: Stiftung „Zugang für Alle“ (Hrsg.), Schweizer Accessibility-Studie 2016. Bestandsaufnahme der Zugänglichkeit bedeutender Schweizer Internet-Angebote. Eine Studie der Schweizerischen Stiftung zur behindertengerechten Technologienutzung „Zugang für alle“, S. 11–13.
Bundesarbeitsgemeinschaft (2017). Aufbruch. Jahresbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V.
Becker, Uwe (2017). Inklusion in den Arbeitsmarkt von Menschen mit Behinderung – ein Trilemma. In: Teilhabe, 56 (2), S. 56–61.
Bernasconi, Tobias (2013). Design. Retrieved from www.inklusion-lexikon.de. Center for Universal Design (1997). The Principles of Universal Design. Version 2.0 – 4/1/97. NC State University.
Die Medienanstalten/Aktion Mensch (2016). Mediennutzung von Menschen mit Behinderungen. Forschungsbericht. Herausgegeben von der Aktion Mensch.
Fleischer, Sandra/Hajok, Daniel (2016). Einführung in die medienpädagogische Praxis und Forschung: Kinder und Jugendliche im Spannungsfeld der Medien. Weinheim: Beltz.
Freese, Benjamin (2013). Barrieren und inklusive Medienbildung im PIKSL-Labor. In: SIEGEN: SOZIAL. Analysen, Berichte, Kontroversen, 18(1), S. 50–53.
Haveman, Meindert/Stöppler, Reinhilde (2014). Gesundheit und Krankheit bei Menschen mit geistiger Behinderung. Stuttgart: Kohlhammer.
Kultusministerkonferenz (2018). Sonderpädagogische Förderung in Schulen 2007 bis 2016. STATISTISCHE VERÖFFENTLICHUNGEN DER KULTUSMINISTERKONFERENZ. Dokumentation Nr. 214 – Juni 2018. ISSN 0561-7839. Hrsg v. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland.
Krämer, Sonja/Zimmermann, Friederike (2018). Vorbereitung auf Inklusion in der Lehramtsausbildung unter Einbezug qualifizierter Menschen mit Behinderungen – Erste Ergebnisse einer Evaluationsstudie. In: Brouer Birgit/Burda-Zoyke, Andrea/Kilian, Jörg/Petersen, Inger (Hrsg.), Vernetzung in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Ansätze, Methoden und erste Befunde aus dem LeaP-Projekt an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Münster: Waxmann, S. 103–118.
Kron, Friedrich W./Sofos, Alivisos (2003). Mediendidaktik. Neue Medien in Lehr- und Lernprozessen. München: Reinhardt (UTB Medien- und Kommunikationswissenschaft, Pädagogik).
Lange, Ute/van Essen, Fabian (2019). Aspekte der geburtshilflichen Versorgung von Frauen mit Lernschwierigkeiten. In: Römisch, Kathrin/Walther, Kerstin (Hrsg.), Gesundheit inklusive. Gesundheitsförderung in der Behindertenarbeit. Berlin: Springer VS, S. 159–176.
Leitfaden Einfach Surfen (2015). EINFACH SURFEN. Internet-Zugänglichkeit für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Ein Leitfaden zur Gestaltung von einfachen Internet-Benutzeroberflächen. insieme Schweiz, Stiftung „Zugang für alle“ und Hochschule für Soziale Arbeit FHNW (Hrsg.).
Mensch zuerst (n.d.). Kampf gegen den Begriff „geistig behindert“. Retrieved from www.menschzuerst.de/pages/startseite/was-tun-wir/kampf-gegen-den-begriff-geistig-behindert.php [Zugriff:
19.08.2019]Reber Frei, Corinne (2017). Inklusionschance oder Exklusionsrisiko? Digitale Medien – aktuelle und künftige Herausforderungen für die Sozial- und Heilpädagogik. In: Sozial Aktuell (5), S. 25–29.
Schorb, Bernd/Wagner, Ulrike (2013). Medienkompetenz – Befähigung zur souveränen Lebensführung in einer mediatisierten Gesellschaft. In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.), Medienkompetenzförderung für Kinder und Jugendliche. Eine Bestandsaufnahme.
Stiftung Digitale Chancen (2002). Internet ohne Barrieren. Chancen für behinderte Menschen. Ergebnisse der Umfrage. Wiesbaden: Universum.
Süss, Daniel/Lampert, Claudia/Trültzsch-Wijnen, Christine W. (2018). Medienpädagogik. Ein Studienbuch zur Einführung. 3. Auflage. Wiesbaden: Springer VS.
Tuikka, Anne-Marie/Teittinen, Antti/Vesala, Hannu (2018). Digital Disability Divide in Finland. In: Well-Being in the Information Society. Fighting Inequalities, 7th International Conference, WIS 2018, Turku, Finland, August 27-29, 2018, Proceedings, S. 162–173.
Zaynel, Nadja (2017). Internetnutzung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Down-Syndrom. Wiesbaden: Springer VS.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Fabian van Essen
Beitrag als PDFEinzelansichtErnst Tradinik: Medienberufe für Menschen mit Beeinträchtigung
Inklusive Medienarbeit hat zum Ziel, Menschen mit Beeinträchtigungen ein höheres Maß an Selbstbestimmung im Umgang mit und der Interaktion über technische Medien zu ermöglichen. Denn die technologischen Gegebenheiten ermöglichen die elektronische Mediengestaltung in nahezu allen Arbeitsbereichen – von der Redaktion über die Kameraführung bis zur Moderation. Der Beitrag schärft den Blick auf die Arbeitsfelder inklusiver Medienarbeit und regt zum Perspektivwechsel auf das vorhandene wie erforderliche Können bzw. Know-how von Medienschaffenden mit Beeinträchtigungen an.
Literatur
arbeit plus (2019). Soziale Unternehmen Österreich. www.arbeitplus.at [Zugriff: 28.08.2019]
Baacke, Dieter (1997). Kommunikation und Kompetenz. Grundlegung einer Didaktik der Kommunikation und ihrer Medien. Tübingen: Niemeyer.
NEUSTART (2019). Bewährungshilfe, Konfliktregelung,Soziale Arbeit Leben ohne Kriminalität. Wir helfen. www.neustart.at [Zugriff: 28.08.2019]
ORF (2019). Auf vier Rädern zur Aktivsportwoche. https://steiermark.orf.at/stories/3004824 [Zugriff: 06.09.2019]
Tradinik, Ernst (2015). MENSCHEN & MEDIEN. Ein Erfahrungsbericht. In: merz | medien + erziehung, 59 (3), S. 65–71.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Ernst Tradinik
Beitrag als PDFEinzelansicht
spektrum
Daniel Hajok, Julia Wuth: Kinderliteratur aus Kindersicht
Das Lesen von gedruckten Büchern hat auch in der digitalen Welt noch einen festen Platz im Alltag von Kindern. Es rangiert zwar von jeher nicht ganz vorn bei den Freizeitbeschäftigungen der Sechs- bis 13-Jährigen, hat aber auch mit dem Siegeszug von digitalen Endgeräten, Apps und Onlinediensten kaum an Stellenwert verloren. Doch was macht Literatur für Kinder lesenswert? Hier haben die jungen Leserinnen und Leser ihre eigene Sicht.
Literatur
Anz, Thomas (2015). Werten und Fühlen. Zur Rationalität und Emotionalität literaturkritischer Kommunikation – am Beispiel von Marcel Reich-Ranicki. In: Kaulen, Heinrich/Gansel, Christiana (Hrsg.), Literaturkritik heute. Tendenzen – Traditionen – Vermittlung. Göttingen: V & R unipress.
Ewers, Heinz-Heino (2012). Literatur für Kinder und Jugendliche: Eine Einführung in Grundbegriffe der Kinder- und Jugendliteraturforschung. Paderborn: utb.
Hajok, Daniel (2019). Der veränderte Medienumgang von Kindern. Tendenzen aus 19 Jahren KIM-Studie. In: JMS-Report, 42 (3), S. 6–8.
Richter, Karin/Plath, Monika/Goethe, Franziska/Jahn, Leonore/Radisch, Falk (2012). Lesemotivation in der Grundschule. Empirische Befunde und Modelle für den Unterricht. Weinheim: Beltz.
Rittelmeyer, Christian (2009). Was sollen Kinder lesen: Kriterien, Beispiele, Empfehlungen. Stuttgart: Kohlhammer.
Schwanenberg, A. H. (2017). Literatur: Kinderliteratur. https://planet-wissen.de/kultur/literatur/kinderliteratur_von_den_anfaengen_bis_heute/index.html [Zugriff: 05.08.2018]
Tabbert, Reinbert (1999). Wie Eisberge in der Bücherflut: Erfolgreiche Kinderbücher. In: Rank, Bernhard (Hrsg.), Erfolgreiche Kinder- und Jugendbücher. Baltmannsweilter, S. 7–22.
Wuth, Julia (2018). Literaturkritik von Heranwachsenden. Eine qualitative Analyse. Masterarbeit am Masterstudiengang Kinder- und Jugendmedien der Universität Erfurt.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Daniel Hajok, Julia Wuth
Beitrag als PDFEinzelansichtCathleen Henschke: Produktion von Erklärfilmen: Zur Gestaltung von Lernprozessen im digitalen Zeitalter
Jugendliche nutzen zunehmend Erklärfilme, um komplexe Sachverhalte aus dem Unterricht zu verstehen. Die Nutzung digitaler Plattformen wie YouTube ist wesentlicher Bestandteil des Lernalltags Jugendlicher. Das kann für die Produktion von eigenen Erklärfilmen im Unterricht genutzt werden. Vorliegend wird die Einbettung des Erklärfilms im Rahmen der Medienbildung an der Schule dargestellt. Anhand des zugrunde gelegten Medienbegriffs ‚Symmedialität‘ werden die Gattung beschrieben, mediendidaktische Perspektiven einbezogen, Techniken sowie ein Projektkonzept zum Erklärfilm vorgestellt.
Literatur
Bayerischer Rundfunk (2019). Urheberrecht. www.br.de/mediathek/video/so-geht-medien-lexikon-urheberrecht-av:5acc840df3b9db00186353eb [Zugriff: 08.07.2019]
Frederking, Volker (2014). Symmedialität und Synästhetik. Die digitale Revolution im medientheoretischen, medienkulturgeschichtlichen und mediendidaktischen Blick. In: Frederking, Volker et al. (Hrsg.), Digitale Medien im Deutschunterricht (S. 3–49). Deutschunterricht in Theorie und Praxis (DTP), Hrsg. von Winfried Ulrich, Bd. VII. Baltmannsweiler: Schneider Verlag.
Frederking, Volker (2018). Von der Inter- zur Symmedialität. Medientheoretische, medienkulturgeschichtlichen und mediendidaktische Begründungen am Beispiel vom „Prolog im Himmel“ aus Goethes Faust. In: Maiwald, Klaus (Hrsg.), Intermedialität. Formen – Diskurse – Didaktik (S. 153–180). Baltmannsweiler: Schneider Verlag.
iRights.info (2019). Urheberrecht und kreatives Schaffen in der digitalen Welt. https://irights.info [Zugriff: 07.07.2019]
Kultusministerkonferenz (KMK) (2012). Medienbildung in der Schule. Beschluss der Kultusministerkonferenz am 08.03.2012. www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_03_08_Medienbildung.pdf [Zugriff: 08.07.2019]
Kultusministerkonferenz (KMK) (2017). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2018/Strategie_Bildung_in_der_digitalen_Welt_idF._vom_07.12.2017.pdf [Zugriff: 08.07.2019]
Lehmann, Robert Marc (2018). Müllkippe Meer. Stop-Motion Schüler-Film unter der Leitung von Meeresbiologe Robert Marc Lehmann. www.youtube.com/watch?v=viiHnrTHNPM [Zugriff: 07.07.2019]
Medien gestalten (2019a). Ein Erklärfilm zur Dramenanalyse. www.youtube.com/watch?v=8XhU7DxD5XY [Zugriff: 07.07.2019]
Medien gestalten (2019b). Ein Erklärfilm zur textgebundenen Erörterung. www.youtube.com/watch?v=Xmhd2qtPZXs [Zugriff: 07.07.2019]
Schlegel, Frank (2016). Erklärvideos im Unterricht. Einstieg in die Filmbildung mit YouTube-Formaten. Workshop für Lehrkräfte und MedienberaterInnen. www.lwl.org/film-und-schule-download/Unterrichtsmaterial/Erklärvideos-im-Unterricht.pdf [Zugriff: 08.07.2019]
Wecke, Chiara (2016). Werbung einfach erklärt (Common Craft). www.youtube.com/watch?v=fXgqQf5b57g [Zugriff: 07.07.2019]
Wolf, Karsten D. (2015). Video-Tutorials und Erklärvideos als Gegenstand, Methode und Ziel der Medien- und Filmbildung. In: Hartung, Anja et al. (Hrsg.), Filmbildung im Wandel (S. 121–131). Bd. 2, Mediale Impulse. Wien: new academic press.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Cathleen Henschke
Beitrag als PDFEinzelansichtAnna Zembala: Extended Reality (XR) im museumspädagogischen Kontext
Digitale Angebote, welche die Realität intensivieren bzw. erweitern, werden dank technischer Entwicklungen immer ausgereifter. Die daraus entstehenden Möglichkeiten für medial unterstützte Lernerfahrungen finden auch Eingang in die museumspädagogische Praxis: Die Implementierung computergestützter Projekte, wie beispielsweise VR-Viewer, ist zwar oft voraussetzungsreich, durch XR kann aber auch Zugang zu neuen Bildungs- und Erfahrungsräumen geschaffen werden. Der Beitrag erörtert die die Aufgaben und Zielsetzungen von XR-Projekten in der museumspädagogischen Arbeit.
Eine erweiterte Version dieses Beitrags finden Sie im April 2020 online in diesem Heft.
Literatur
Goldman Sachs (2016). Virtual & Augmented Reality: Understanding the Race for the Next Computing Platform. www.goldmansachs.com/insights/pages/technology-driving-innovation-folder/virtual-and-augmented-reality/report.pdf [Zugriff: 07.05.2019]
Hogger, Martin (2019). Das Spiel, das Kinder mehr interessiert als YouTube. www.sueddeutsche.de/digital/game-spiel-roblox-programmieren-computerspiel-1.4406006?utm_source=pocket-newtab [Zugriff: 07.05.2019]
Invitto, Sara/Spada, Italo/De Paolis, LucioTommaso (2015). Augmented Reality, Embodied Cognition and Learning. In: De Paolis, Lucio Tommaso/Mongelli, Antonio (Eds.), Augmented and Virtual Reality. AVR 2015. Lecture Notes in Computer Science, Cham: Springer, pp. 125–135.
Kolb, AliceY./Kolb, David A. (2017). The Experiential Educator. Principles and Practices of Experiential Learning. Kaunakakai, Hawaii: Experience Based Learning Systems Inc.
Liarokapis, Fotis/Petridis, Panagiotis/Andrews, Daniel/de Freitas, Sara (2017).Multimodal Serious Games Technologies for Cultural Heritage. In: Marinos, Ioannides/ Magnenat-Thalmann, Nadia/Papagiannakis, George (Eds.), Mixed Reality and Gamification for Cultural Heritage. Cham: Springer, pp. 371–392.
Maietti,Frederica/Di Giulio, Roberto/Balzani, Marcello/Piaia, Emanuele (2017). Digital Memory and Integrated Data Capturing: Innovations for an Inclusive Cultural Heritage in Europe Through 3D Semantic Modelling. In: Marinos, Ioannides/Magnenat-Thalmann, Nadia/Papagiannakis, George (Eds.), Mixed Reality and Gamification for Cultural Heritage. Cham: Springer, pp. 225–244.
Marinos, Ioannides/Magnenat-Thalmann, Nadia/Papagiannakis, George (Eds.) (2017), Mixed Reality and Gamification for Cultural Heritage. Cham: Springer.
Martinez, Matias/Scheffel, Michael (2016). Einführung in die Erzähltheorie. 10. überarb. u. akt. Aufl. München: C.H. Beck.
Neuburger, Larissa C./Egger, Roman (2018). Providing a Different Dimension for Museums Visitors. In: Jung, Timothy/tom Dieck, M.Claudia (Eds.), Augmented Reality and Virtual Reality: Empowering Human, Place and Business. Cham: Springer, pp. 65–77.
Papaefthymiou, Margarita/Kateros, Steve/Georgiou, Stylianos/Lydatakis, Nikos/Zikas, Paul/Bachlitzanakis, Vasileios/Papagiannakis, George (2017). Gamified AR/VR Character Rendering and Animation-Enabling Technologies. In: Marinos, Ioannides/Magnennat-Thalmann, Nadia/Papagiannakis, George (Eds.), Mixed Reality and Gamification for Cultural Heritage. Cham: Springer, pp. 333–357.
Peterson, Kay/Kolb, David A. (2017). How You Learn Is How You Live: Using Nine Ways of Learning to Transform Your Life. Oakland (CA): Berrett-Koehler Publishers.
Raconteur 2019: www.raconteur.net/infographics/what-is-xr ; http://res.cloudinary.com/yumyoshojin/image/upload/v1/pdf/xr-business-2018.pdf [Zugriff:07.05.2019]
Scribani, Jenny (2019). What is Extended Reality (XR)? www.visualcapitalist.com/extended-reality-xr/ [Zugriff: 07.05.2019]
Wolff, Daniel (2017). Virtuelle Realität & Schulisches Lernen: Potentiale, Grenzen und Gefahren. www.mebis.bayern.de/infoportal/welten/internet/virtuelle-realitaet-schulisches-lernen-potentiale-grenzen-und-gefahren/ [Zugriff: 07.05.2019]
Zembala, Anna (1999). Raumdarstellungen in Städte- und Architekturfilmen. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Anna Zembala
Beitrag als PDFEinzelansichtAnna Zembala: Erweiterte Realität(en) im pädagogischen Kontext - erweiterte Version
Die Begriffe rund um erweiterte Realitäten – etwa Mixed und Augmented Reality – werden oft nicht korrekt auseinandergehalten. Dieser Beitrag arbeitet eine Differenzierung dieser Begriffe heraus und verdeutlicht diese anhand aktueller pädagogischer Bildungsprojekte.
Zurzeit kann man auf unterschiedliche Definitionen von virtuellen, digitalen Welten hinweisen. Sie stammen aus der Wissenschaft, Wirtschaft und der Kunstgeschichte. So stellt Christiane Paul
(2015) – die als Kuratorin und Wissenschaftlerin die Geschichte der digitalen Kunst begleitet – explizit fest, dass die Medienkunstwerke sich sowohl aus der Kunstgeschichte als auch dem Forschungs- und Technikstand speisen. Zudem sind sie stark mit den Entwicklungen in den Bereichen Militär, Industrie, Forschungszentren und Verbrauchermärkten verflochten (Paul 2015, S. 8). Schon die Entstehungsgeschichte des Computers und Internets weist darauf hin: Beide entstanden in wissenschaftlichem und/oder militärnahem Umfeld.Abb. 1: Viele Quellen weisen darauf hin, dass in absehbarer Zukunft eine Expansion unterschiedlicher Anwendungen von erweiterter Realität zu erwarten ist
Augmented Reality (AR)
Oft wird von einer erweiterten Realität (Augmented Reality/AR) gesprochen. Hier handelt es sich um digitale Informationen, die einer vorhandenen realen Gegebenheit hinzugefügt werden, wenn realen Objekten digitale Daten zugeordnet werden. Dies kann mithilfe unterschiedlicher Medien wie unter anderem Smartphones, Tablets oder Beamerprojektionen geschehen. Die Agierenden befinden sich an einer Schnittstelle des Realen und Digitalen und können diese Situation sowohl für reale als auch virtuelle Ausführungen nutzen. Von einer AR wird demnach gesprochen, wenn zum Beispiel eine Projektion eines geschichtlichen Status Quo auf eine reale, gegenwärtig vorhandene Situation bezogen wird. Das Museum of London hat 2011 die kostenlose App Streetmuseum: Londinium angeboten, die die Museumsbesucherinnen bzw. -besucher während ihrer Stadterkundungen nutzen konnten, um sich über die römische Geschichte der Stadt zu informieren. Dank der App haben sie erfahren, wie der alte römische Stadtplan ausgesehen hat und konnten geschichtsträchtige Orte finden, ihre Geräte auf die aktuellen Hausfassaden ausrichten und passende digitale Daten abrufen (Allsop 2011). Im Gegensatz zu AR meint die virtuelle Realität (Virtual Reality/VR) eine Erfahrungssituation, die keine direkte Verbindung zu Realität festlegt. Hier wird eine 3D-Umgebung vollständig digital entworfen und die Agierenden in ihr eingeschlossen.
Abb. 2: App Streetmuseum: Londinium
Das Eintauchen in die VR kann dadurch geschehen, dass ein der Realität entsprechender Raum bzw. Kubus betreten wird oder dieser direkt über Bildanimationen eines Displays, einer digitalen Brille bzw. ein vor den Augen angebrachtes Smartphones möglich gemacht wird. Schon seit den Neunzigerjahren experimentieren Medienkünstlerinnen bzw. -künstler mit unterschiedlichen virtuellen Realitäten. 1995 präsentiere Jeffrey Shaw im ZKM (Karlsruhe) ein Extended Virtual Environment (EVE) unter dem Titel The Telepresent Onlookers. In dieser Installation konnten die Museumsbesucherinnen und -besucher in einer Halbkugel eigeschlossen auf deren Innenwänden Videoaufnahmen der Außenwelt beobachten und sich der Frage nach Innen/Außen und dem Wesen einer „Weltblase“ stellen (Paul 2015, S. 127 f.). Zur gleichen Zeit verwendete die kanadische Medienkünstlerin Charlotte Davies in ihrem Kunstwerk Osmose 1995 ein head-mounted display, um die Betrachterinnen und Betrachter in eine immersive, poetische Welt zu entführen. In dieser Welt konnten die Nutzenden durch Atemund Körperbewegungen durch flüchtige Landschaften und Wälder navigieren (Paul 2015, S. 125 ff.; Wands 2006, S. 29). Zwanzig Jahre später findet die VR Einzug in die Programme der museumspädagogischen Angebote. Exemplarisch dafür steht das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt, wo 2016 und dann 2018 mit der VR experimentiert wurde, um Museumsbesucherinnen bzw. -besuchern die Möglichkeit zu geben, die Bewegungen eines Dinosauriers virtuell zu verfolgen. Zwei Jahre später tauchten sie schon in eine komplexere virtuelle Welt ein, in der sie innerhalb einer dreiminütigen 3D-Animation einen musealen (Dino-)Saal mit einer zum Greifen nah erscheinenden Unterwasserwelt beobachten durften (Seliger 2018; Scholtysik 2016).
Abb. 3: Der Sauriersaal des Senckenberg Naturmuseums, wie ihn die Besucherinnen und Besucher kennen
Mixed Reality (MR)
Der Komplexität einiger medialer Projekte geschuldet, schlagen viele Autorinnen bzw. Autoren vor, nicht zwischen einer VR und AR zu unterscheiden, sondern den Begriff der Mixed Reality heranzuziehen. In diesem Sinne wird der Begriff der gemischten Realität (Mixed Reality/MR) sowohl für einzelne Anwendungen von AR oder VR, als auch den Gebrauch beider Formen verwendet. Beispielsweise verschmelzen im Projekt des Ara-Pacis-Museum (Museo dell’Ara Pacis) (vgl. Musei in Comune 2017) AR und VR zu einer MR und die Grenzen zwischen einer künstlichen Realität in die andere verlaufen fließend. In einem grundlegenden Text für die Diskussionen über die Charakterzüge einer MR legten 1994 Paul Milgram, Haruo Takemura, Akira Utsumi und Fumio Kishino ein Klassifikationsschema mit drei Taxonomiegruppen fest. Demnach ist entscheidend:
1. wie der Bezug zur realen Welt gestaltet wird und ob es sich um virtuelle, symbolische oder reale Objekte handelt;
2. ob ein immersives Eintauchen stattfindet oder die Nutzenden und/oder Beobachtenden nur zum Teil involviert sind bzw. ganz auf Distanz bleiben;
3. ob die Objekte direkt gesehen/erfahren werden oder besondere, unterschiedliche Displays genutzt werden (Milgram et al. 1994, S. 287).Die MR wird demnach nicht durch den Grad der Immersion definiert, sondern ihre Beschaffenheit wird aufgrund der Ausprägung durch diese drei Kategorien beschrieben. Demnach kann eine MR unterschiedliche Qualitäten besitzen. Diese Definition nach Milgram et al. eignet sich insbesondere gut für Beschreibungen heterogener Projekte.
Tab. 1: Kontinuum der Realitäten nach Farshid/Paschen/Eriksson/Kietzmann 2018
Kontinuum der Realitäten
Überdies melden sich aus der Perspektive der Wirtschaft weitere Stimmen zu Wort, die eine pragmatische Begriffsauffassung postulieren. Um die wirtschaftliche Nutzung neuester Technologien darzustellen, schlagen die die Autorinnen und der Autoren Farshid, Paschen, Eriksson und Kietzmann (2018) ein real-virtuelles Kontinuum vor. Basierend auf theoretischen Überlegungen von Gilles Deleuze (1925–1995), die er in seiner Schrift Bergson zur Einführung (orig. 1966, deutsch 1989) verfasst hat, zeichnen sie einen gefächerten Bogen möglicher Zustände:
Farshid et al. (2018) folgen Deleuze und konzipieren ihre Aufteilung zwischen den festen Begriffen ‚real‘ und ‚möglich‘, als auch ‚virtuell‘ und ‚digital‘, wobei diese nicht als Gegenpole der Unterscheidung zu verstehen sind. Eine wirkliche Gegebenheit kann sowohl physisch, virtuell als auch digital vorhanden sein. Dagegen ist eine mögliche Gegebenheit ein Resultat des Imaginären und kann ebenfalls sowohl realvirtuell als auch digital-graphisch vorliegen:
„Virtual and real are not opposites, and neither are actual and possible. On the contrary, when combined properly, we arrive at a number of realties that either belong to the actual reality continuum – where users are keenly aware that they find themselves in the concrete and tangible world – or in the virtual reality continuum, where users can find themselves immersed, forgetting where in the actual world they are and behaving as if they were looking or moving in a real reality that is different from their actual reality“ (Farshid et al. 2018, S. 661 f.).
Extended Reality (XR)
Dank der Zugänge zu wachsenden digitalen Daten, kreativer Konzepte ihrer Nutzung und des Austausches erarbeiteter Ergebnisse werden die virtuellen Welten selbst, ihre Interaktivität und Multimodalität immer umfangreicher. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, wurde Anfang 2019 ein neuer Begriff der Extended Reality (XR) vorgeschlagen (Scribani 2019; Raconteur 2019). Hiermit werden alle weiteren Ausprägungen von VR eingeschlossen und es wird den neuen Dimensionen einer realitäts- und alltagsnahen Umgebung, die zum Beispiel in der Wirtschaft, Bildung oder Medizin eingesetzt werden kann, Rechnung getragen getragen.
Eine korrekte deutsche Übersetzung des englischen Augmented Reality (AR) müsste eigentlich nicht „erweiterte Realität“, sondern eher „vergrößerte“, „vermehrte“ oder „verstärkte Realität“ heißen. Im allgemeinen Gebrauch der in der Alltagssprache eingeführten idiomatischen Wendung „erweiterte Realität“ verbirgt sich also der Wunsch nach einer in die Tiefe greifenden Unterstützung durch das Digitale im realen Leben. Mit dem Begriff Extended Reality (XR), der in der Tat eine in der Übersetzung „erweiterte Realität“ mit sich bringt, könnte dem entsprochen werden. In diesem Sinne ist die erweiterte Realität als ein Kontinuum möglicher und gemischter Realität zu verstehen, die nicht nur multiple, vielschichtige Darstellungen einer Umgebung, mit diversen Modi des Realen und/oder des Virtuellen, als auch unterschiedliche Schattierungen einer möglichen Immersion bietet, sondern darüber hinaus eine digitale Umgebung komplexer Erzählungen mit multimodalen Perspektiven und Wegen der Interaktion und sich daraus ergebenden Zielen und Aufgaben.
In unterschiedlichen Medienprojekten erleichtert die weiche Unterteilung im Sinne eines Kontinuums die Analyse, im Gegensatz zu einer strikten Aufteilung zwischen MR oder XR.
Im Rahmen einer Spielstation des Kindermuseums in Boston lädt beispielsweise eine interaktive großflächige Videoprojektion Kinder in Gruppen, Paaren oder auch alleine dazu ein, mit projizierten Seifenblasen zu spielen. Was die Bewegung, Geschicklichkeit und das soziale Miteinander anbelangt, unterscheidet sich das Spiel nicht von einem realen Spiel mit Luftballons oder Seifenblasen. Mit ihren Schatten können Kinder die imaginären Objekte in Bewegung setzen und so miteinander Spaß haben oder aber bis zum Erlangen einer kleinen Meisterschaft im Umgang mit fragilen Gegenständen alleine spielen. Die Idee dieser Spielstation ähnelt einem der ersten Medienkunstwerke. 1999 ließen die Künstlerinnen Romy Achituv und Camille Utterback in ihrem Werk Text Rain ganze Textzeilen wie Regentropfen herunterfallen, während die Betrachtenden mit ihren Schatten mit den Textbuchstaben spielten und neue Wortstrukturen bauen konnten. Mit Begriffen der multimodalen Perspektiven, Wegen der Interaktion und den Modi des Realen und/oder des Virtuellen lässt sich diese Spielstation besser zusammenfassen, als mit den Begriffen der Dichotomie zwischen Realem und Virtuellem.
Abb. 4: Spielstation des Children’s Museum in Boston
Ebenfalls erscheint die Beschreibung für die neuesten Entwicklungen im Spiel Minecraft Earth (WWDC 2019) mit den Begriffen Immersion, Komplexität der Erzählung, Interaktion oder Multimedialität zielführend. Mit komplexen technischen Anwendungen für Smartphones – in denen Erfassung von Ganzkörperbewegungen, fotorealistische Live-Abbildungen, Gesichtserkennung und virtuelle Realitäten zum Einsatz kommen – ist es möglich, sich in Echtzeit in virtueller/realistischer Welt zu bewegen. Eine virtuelle, digitale Spielumgebung von Minecraft Earth kann in Lebensgröße in einen Raum projiziert werden in dem zugleich die Kamera von iPads oder Smartphones die Bewegungen von Spielerinnen und Spieler erfasst und sie in diese digitale Spielumgebung hineinprojiziert (mixed.de).
Hier finden Sie den Beitrag als PDF.
Literatur
Farshid, Mana/Paschen, Jeannette/Eriksson, Theresa/Kietzmann, Jan (2018), „Go boldly! explore augmented reality (AR), virtual reality (VR), and mixed reality (MR) for business“. In: Business horizons 61 (5) (Oktober 2018). DOI: 10.1016/j.bushor.2018.05.009 [Zugriff: 07.05.2019]
Goldman Sachs (2016). Virtual & Augmented Reality: Understanding the Race for the Next Computing Platform. www.goldmansachs.com/insights/pages/technologydriving-innovation-folder/virtual-and-augmented-reality/report.pdf [Zugriff: 07.05.2019]
mixed.de. https://mixed.de/wwdc-2019-apple-zeigt-irreminecraft-mischrealitaet [Zugriff: 17.06.2019]
Musei in Comune (2017). The Ara as it was. www.arapacis.it/en/mostre_ed_eventi/eventi/l_ara_com_era [Zugriff: 28.10.2019]
Museo dell’Ara Pacis. www.arapacis.it/en [Zugriff: 07.05.2019]
Paul, Christine (2015). Digital Art. Thames & Hudson Ltd. London Raconteur (2019). http://res.cloudinary.com/yumyoshojin/image/upload/v1/pdf/xr-business-2018.pdf [Zugriff: 07.05.2019]
Raconteur (2019). www.raconteur.net/infographics/whatis-xr [Zugriff: 07.05.2019]
Scholtysik, Moritz (2016). Dem Dino in die Augen blicken, FAZ.NET, 12.11.2016, www.faz.net/aktuell/rheinmain/senckenberg-naturmuseum-setzt-auf-virtual-reality-14522435.html [Zugriff: 07.05.2019]
Scribani, Jenny (2019). What is Extended Reality (XR)? https://www.visualcapitalist.com/extended-reality-xr [Zugriff: 07.05.2019]
Seliger, Nicole Nadine (2018). Mit Senckenberg in virtuelle Welten eintauchen. www.journal-frankfurt.de/journal_news/Kultur-9/Virtual-Reality-Brillen-Mit-Senckenberg-in-virtuelle-Welten-eintauchen-31659.html [Zugriff: 07.05.2019]
Senckenberg Naturmuseum Frankfurt (2018). https://museumfrankfurt.senckenberg.de/de/ausstellung/virtualreality/eintauchen-ins-jurameer [Zugriff: 07.05.2019]
Senckenberg Naturmuseum Frankfurt (2019). www.senckenberg.de/root/index.php?page_id=5247&PHPSESSID-=p7a67grejfmafekjseb0cllud3&PHPSESSID=p7a67grejfmafekjseb0cllud3 [Zugriff: 07.05.2019]
Senckenberg (2016). Der Sauriersaal. https://museumfrankfurt.senckenberg.de/de/ausstellung/virtual-reality/diplodocus-lebt.jpg
Wands, Bruce (2006). Art of the digital Age. Thames & Hudson Ltd.
WWDC (2019). www.youtube.com/watch?v=GNo38kNy_EU [Zugriff: 17.06.2019]
WWDC (2019). www.youtube.com/watch?v=psL_5RIBqnY [Zugriff: 17.06.2019]
Dr. Anna Zembala ist Kultur- und Medienpädagogin sowie Professorin an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Köln. Sie widmet sich den Themen der Medienkompetenz, Medienerziehung und Medienbildung im Kontext des außerschulischen Lernens.
medienreport
Nicole Lohfink, Eric Müller: Exkursion in die EU: Digitale Jugendarbeit in Finnland und Estland
Unter dem Stichwort Digital Youth Work findet sich im europäischen Vergleich eine große Bandbreite von Strategien, wie digitale Medien in der Jugendarbeit nutzbar gemacht werden. Daher entwickelt die EU-Expertengruppe für Chancen, Risiken und Auswirkungen der Digitalisierung auf Jugendliche, Jugendarbeit und Jugendpolitik eine gemeinsame offene Definition für digitale Jugendarbeit in Europa (vgl. European Commission 2018).
Diese Bandbreite der Ansätze digitaler Jugendarbeit zu erkunden und Ideen mit den europäischen Partnerinnen und Partnern auszutauschen war Ziel eines durch den Bayerischen Jugendring initiierten Fachkräfteaustauschs im Mai 2019. Der Weg der 19 Teilnehmenden, die sich haupt- und ehrenamtlich in der Jugendarbeit engagieren, führte zunächst nach Helsinki und infolge nach Tallinn.
Jugendarbeit in Finnland: Digitale Kommunikation und europäischer Vergleich
In der Jugendarbeit in Finnland haben sich schon früh online Jugendaktivitäten etabliert. In den 1980er-Jahren wurden Computerspiele und Videotex, eine frühe Version eines Messenger- und Informationssystems, angeboten, um Kindern und Jugendlichen einen Zugang zu digitalen Technologien zu eröffnen. Die digitale Kommunikation ist in Finnland bis heute ein Werkzeug in der Jugendarbeit, wie eine aktuelle Studie von Verke zeigt. Die Organisation untersucht und entwickelt im Auftrag der finnischen Regierung Strategien für die Digitalisierung der Jugendarbeit und ist unterstützender Ansprechpartner für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verke waren es auch, die der Delegation die verschiedenen Zusammenhänge von gewachsenen Strukturen und aktuellen Vorgängen in Finnland erläuterten. In der Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen und Verbänden ist Verke bemüht, diese Strukturen zu pflegen und die vergleichsweise noch relativ junge aktive Medienarbeit zu fördern. So wird beispielsweise die ehrenamtliche Jugendarbeit im Pfadfinderverband im dünn besiedelten Finnland durch eine digitale Kommunikations- und Organisationsplattform koordiniert, während die mitgliederstärkste Kirche in Finnland in ihrer Jugendarbeit jährlich Konfirmations- und Freizeitcamps organisiert, in denen die digitalen Themen der Jugendlichen aktiv aufgegriffen und begleitet werden.
Ein finnisches Projekt stellt der Ausbau der Bibliotheken als kommunalen Ort dar, der gleichermaßen Gemeinde-Dienstleistungen und Jugendlichen einen Freizeitort bietet. Mit Iso Omena existiert bereits ein funktionierendes Beispiel der Kooperation von Bücherei, öffentlicher Elternberatung, Amt für Soziales, Maker-Space, Jugendraum und Musikstudio.
Finnland hat mit 16,7 Prozent eine relativ hohe Jugendarbeitslosigkeit. Das Projekt Digitalents eröffnet deshalb im Auftrag der finnischen Regierung Jugendlichen einen Zugang zur digitalen Arbeitswelt. Für durchschnittlich etwa acht Monate werden Jugendliche hier individuell betreut und arbeiten an Projekten zu Augmented Reality, Open-Source-Spaces und Social-Robotics. Ziel ist es, eine starke und sichere Umgebung zu kreieren und Orientierung für die berufliche Zukunft zu bieten. Daneben veranstaltet Digitalents E-Sports-Tourniere und Hacker-Workshops, in denen Jugendliche eigene Spiele programmieren, eine sichere Umgebung in der Spiele-Kultur vermittelt bekommen und regelmäßig an der Global Game Jam-Session teilnehmen, die jährlich im Januar veranstaltet wird.
In Helsinki ist deutlich geworden, dass digitale Jugendarbeit in der Europäischen Union unterschiedliche Ansätze verfolgt. Neben der Ausrichtung auf digitale Kommunikation profitiert die Jugendarbeit in Finnland von der Orientierung an der britischen Maker-Bewegung und der eher deutschen Perspektive der aktiven Medienarbeit. Auch in Finnland sind die Herausforderungen von Einrichtungen wie Verke und Digitalents dabei gekennzeichnet durch bürokratische Hürden und die Sicherung der Finanzierung für eine kontinuierliche Arbeit.
Jugendarbeit in Estland: Digitalisierung der Verwaltung
Eine weitere Perspektive auf digitale Jugendarbeit in der EU erhielt die Delegation anschließend in Tallinn, wo das estnische Zentrum für Jugendarbeit die Verwaltung weitgehend digitalisiert hat. Digitale
Jugendarbeit in Estland bedeutet die Bündelung von allen mit der Jugendarbeit verbundenen Verwaltungsvorgängen in einer landesweit vernetzten Onlineumgebung. Auf der Plattform stellen Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter Förderanträge für Aktivitäten in ihren Einrichtungen, geben Sachberichte ein und kommunizieren mit dem Zentrum für Jugendarbeit. Gleichzeitig werden auf der Plattform Anträge begutachtet und evaluiert, sodass auch hier die Kommunikation zur Jugendarbeit auf dem Portal zentralisiert ist. Über das digitale Verwaltungstool werden alle Teilnehmenden an den Aktivitäten erfasst und laufen im estnischen Zentrum für Jugendarbeit zusammen, um die Qualitätskontrolle über die landesweit verteilten Jugendeinrichtungen sicherzustellen.Hieran zeigt sich, dass digitale Jugendarbeit für die Kolleginnen und Kollegen in Finnland wie in Estland nur der erste Schritt ist, um danach in die ‚smart youth work‘ überzugehen. Es geht dort also um die Frage, wie Technologie in der Entwicklung genutzt werden und Big Data dazu verhelfen kann, die Bedingungen in der Jugendarbeit zu verbessern. Es geht weniger um reine Praxis, als vielmehr um politische Betrachtungen, um im Gesamtbild lösungsorientiert zu arbeiten. Diese umfassende Vernetzung und Organisation der Aktivitäten der Jugendarbeit ist in Estland im Kontext einer umfassenden Digitalisierung nahezu aller Verwaltungsaktivitäten zu sehen.
Im e-Estonian Show-Room führt ein aus Hamburg nach Tallinn emmigrierter Mitarbeiter das estnische Bürgerportal vor. Um Zugang zu erhalten, führt er seinen elektronischen Personalausweis in seinen Laptop ein und bestätigt seine Identität mit einem persönlichen Passwort. Im Bürgerportal sieht man die digitalen Äquivalente zum Einwohnermeldeamt, dem Wahlamt, der KFZ-Zulassungsstelle und dem Finanzamt. Der hohe Verschlüsselungsstandard und das dezentral organisierte Datenbanksystem sollen vor unberechtigten Zugriffen schützen. Jeder Zugriff der estnischen Behörden auf den eigenen Datensatz wird zudem protokolliert und die Architektur der Open-Access-Software ist für die Nutzenden einsehbar. Um den Bürgerinnen und Bürgern in dem Flächenland den Zugang zum estnischen Bürgerportal zu eröffnen, waren landesweit Busse unterwegs, die digitale Aufklärung zum Bürgerportal betrieben haben.
Mitglieder des estonischen Jugendrings erklären der deutschen Delegation, dass in der Arbeit mit der russischen Minderheit sprachliche Herausforderungen bei der Bildung und Teilhabe von Heranwachsenden liegen. Durch die Übersetzung der Plattform ins Russische und Englische konnten auch Minderheiten im Land an den Plattformdiensten teilhaben. Die kulturelle Spaltung der estnischen Bevölkerung können sie dennoch nicht überbrücken.
Aktive Medienarbeit als Entwicklungspfad digitaler Jugendarbeit in Deutschland
In der kontrastierenden Betrachtung digitaler Jugendarbeit in Finnland und Estland zeichnen sich nationale Entwicklungspfade ab, die in die geografischen und historischen Bedingungen verankert sind. Im dünn besiedelten Finnland wurden die ersten Online-Technologien schon in den 1980er-Jahren in der Jugendarbeit eingesetzt, um landesweit Informationen zu Aktivitäten der Jugendarbeit zu bekommen. Diese Entwicklung zeigt sich noch heute, wo Jugendarbeiterinnen und -arbeiter unter anderem über Messenger-Dienste Beratungsangebote zur Verfügung stellen. Die Entwicklung der digitalen Jugendarbeit in Estland ist wesentlich durch die weitgehende Digitalisierung der Staatsverwaltung gekennzeichnet, die seit den späten 1990er-Jahren vorangetrieben wird. Diese Bemühungen wurden durch landesweite Medienbildungsprogramme orchestriert, um den Menschen die Teilhabe an diesen Verwaltungssystemen zu eröffnen.
Digitale Jugendarbeit in Deutschland scheint im Vergleich zu Finnland und Estland häufig rückständig und im Kontext der kommunalen Organisation der Jugendarbeit keine übergreifenden Ziele zu verfolgen. Um die Entwicklung der digitalen Jugendarbeit hierzulande besser zu verstehen, hilft auch hier der Blick auf die nationalen Pfade: Digitale Jugendarbeit entwickelte sich in Deutschland im Kontext der aktiven Medienarbeit, in der Jugendliche medienvermittelte Inhalte selbst erstellen. Diese ist in der Entwicklung der Medienpädagogik der 1970er- und 1980er-Jahre mit einem bildnerisch-emanzipatorischen Anspruch verortet, die im Bürgerfunk über die Herstellung von Radio- und Fernsehbeiträgen eine Gegenöffentlichkeit zum politischen Mainstream herstellt und in der Gegenwart in digitalen Artikulationskanälen eine Fortsetzung dieser Tradition erlebt. Damit einher geht eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen von Medientechnologien für das gesellschaftliche Leben, die in der digitalen Jugendarbeit über eine Sensibilität für Themen wie Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre transportiert werden. Die Zukunft digitaler Jugendarbeit kann in Deutschland angesichts dieser Tradition darin liegen, sich über die Produktion von Algorithmen das emanzipatorische und partizipative Potenzial der aktiven Medienarbeit anzueignen. Zusätzlich können die Erfahrungen aus Finnland und Estland eine Orientierung bieten, um Jugendarbeit aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Hier können insbesondere die über mehrere Jahre entwickelten Digitalisierungsstrategien eine Ressource sein, von der die digitale Jugendarbeit in Deutschland profitieren kann.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Nicole Lohfink, Eric Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtMonika Himmelsbach: Love, Death & Robots. Es war einmal die Zukunft
Blur Studio (2019). Love, Death & Robots. Produktion. 18 Folgen in 1+ Staffeln, jeweils zwischen fünf und 20 Minuten. FSK 18. Erstauststrahlung auf Netflix.
Wie sähe die Welt aus, wenn ein Joghurt die Herrschaft übernommen hätte? Wonach sehnt sich ein Putzroboter, der zum Leben erwacht ist? Und was haben Katzen mit der Rettung der Menschheit zu tun? In 18 teils rasanten Folgen führt Love, Death & Robots das Publikum durch Kurzgeschichten in andere mögliche Parallelen unserer Welt.
Zwischen fünf und 20 Minuten lang sind die einzelnen sogenannten ‚Shorts' –, die Produzenten David Fincher (u. a. Gone Girl) und Tim Miller (u. a. Regie bei Deadpool) lehnen den Begriff Episode ab. Sie wollen mit dem Konzept der herkömmlichen Serien brechen und lieber mit kurzen, animierten Erzählungen einen Einblick in denkwürdige Schicksale geben – statt in 40 Minuten eine komplette Geschichte schildern zu müssen. Vorbild ist der Zeichentrickfilm Heavy Metal, welcher sich schon in den 1980er-Jahren mit Science-Fiction und Fantasy-Abenteuer an Erwachsene richtete. Love, Death & Robots reflektiert Themen wie Gewalt, Nacktheit und Fragen der eigenen Existenz. Die Shorts erhielten bei Netflix insgesamt vier verschiedene mögliche Reihungen, es gibt somit keine allgemeine ‚erste‘ oder ‚letzte‘ Folge. Nach eigener Aussage wollen die Betreiber der Streaming-Plattform ausprobieren, wie verschiedene Reihenfolgen ankommen. Bisher gibt es jedoch keine Auskunft darüber, inwieweit dies die Rezeption der Serie verändert oder ob die Reihung der Shorts anderen Kriterien folgt. Alle Folgen der Serie sind animiert, nur in Eiszeit wurden echte Schauspielerinnen und Schauspieler außerhalb des Motion Capturings eingesetzt. An der Produktion waren insgesamt 15 verschiedene Animationsstudios beteiligt, was jeder Folge Einzigartigkeit verleiht. Gleichzeitig erschwert es jedoch die Bedingungen, eine allgemeingültige Aussage über unter anderem Handlung, Dramaturgie, Schnitt oder Montage zu treffen.
Jeder Short kennzeichnet sich durch einen raschen Einstieg in die Welt bzw. Geschichte, Exposition ist kaum vorhanden. Die Erzählung nimmt ihren Lauf und wirft mit ihrem Cliffhänger meist mehr Fragen auf als sie beantwortet. Hierin zeigt sich die Stärke der Serie: Sie erzählt vieles mit dem, was sie nicht explizit macht.
Im Short Zima Blue zum Beispiel erzählt der Künstler Zima von seinem Leben. Statt zu erzählen, dass er von Kindesbeinen an Kunst interessiert war, beschreibt er sein einzigartiges Schicksal. Er begann als einfacher Saugroboter in einem Pool. Seine handwerklich versierte Besitzerin hatte es sich allerdings zur Aufgabe gemacht, ihm immer spezifischere Fähigkeiten zu verleihen. Zum Putzen kommen das Ausmalen des Pools und danach das Verrichten der meisten Arbeiten rund um das Haus. Künstliche Intelligenz gibt ihm später die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wann etwas repariert, gestrichen oder geputzt werden muss. Zima beginnt, sich eine menschliche Form zuzulegen und seine Herkunft zu verschleiern. Während seiner Karriere bemalt er immer wieder Objekte und sogar Planeten mit Zima Blue, jenes Blau, das den Pool seiner ehemaligen Besitzerin ziert. Er sehnt sich danach und beschließt, vom Künstlerdasein zurückzutreten und wieder ein einfacher Putzroboter zu sein. Am Ende stellt sich die Frage: War Zima nun ein Mensch? Wo beginnt das Menschsein, wo endet es? Wenn diese Zukunft real werden würde, wären Androiden dann Menschen? Diese und andere existentielle und Was-wäre-wenn-Fragen zeichnen die Serie aus und fordern die Zuschauenden gleichzeitig darin, sich auf derartige Gedankenspiele einzulassen bzw. einlassen zu können.
Doch auch ohne den Willen zur Kontemplation ist Love, Death & Robots gute Unterhaltung, allein das handwerkliche Geschick hinter den Animationen ist beachtenswert und gewinnt durch Reflexion über aufgeworfene existenzielle Fragen weiter an Tiefe.
Trotz zahlreicher Kontraste und erzählerischer Unterschiedlichkeit verweisen die Shorts mit dystopischer Erzählmanier immer wieder auf gesellschaftliche und politische Probleme. So wandern die Androiden in Drei Roboter in einem verlassenen Gebiet umher und fragen sich, was so katastrophal gewesen war, dass Menschheit ausgestorben ist. Gegen Ende dieser Folge wird klar: Es ist der Klimawandel. Gute Jagdgründe erzählt hingegen die Geschichte von japanischen Sagengestalten, die durch die Industrialisierung immer weiter zurückgedrängt werden. Wie so oft wird in dieser Legende Wachstum, Gier und Fortschritt kritisch betrachtet. Alternative Zeitachsen stellt dazu eine moralische Frage: Was wäre, wenn Hitler gestorben wäre? Die ‚Lehre‘ ist trotz nicht allzu ernsthafter Präsentation ernüchternd: Irgendetwas oder irgendjemand hätte etwas ähnlich Schreckliches getan. Der Verweis auf moralisch relevante Fragen erfolgt bei solchen Beispielen direkter als bei manch anderen. Dennoch – und das ist auch dem Format geschuldet – wird nicht immer ganz deutlich, ob überhaupt eine bestimmte Schlussfolgerung bzw. Interpretationsweise forciert werden sollte.
Love, Death & Robots richtet sich an all diejenigen, die sich in Zukunftsvisionen hineindenken möchten und dem Format filmischer Kurzgeschichten mit kreativen Animationsumsetzungen einiges abgewinnen können. Dass die Serie in ihrer Gesamtheit nichts für sensible Gemüter darstellt, verrät bereits die Altersfreigabe ab 18 Jahren. Gewalt wird in den comicähnlichen Animationen explizit
dargestellt, an digitalem Blut wird nicht gespart!Dank der Unabhängigkeit der einzelnen Shorts besteht allerdings auch die Möglichkeit, Folgen wie Zima Blue zu wählen, die ohne Gewalt auskommen. Diese Shorts könnten in den entsprechend geeigneten Altersstufen eingesetzt werden, um im Unterricht oder Seminar Denkansätze zu bestimmten Themen wie Transhumanismus bereitzustellen. Zugleich können sie als Vorlage für den Entstehungsprozess und die Machart von Filmen herangezogen werden: Sei es zur filmerischen oder erzählerischen Umsetzung von Kurzgeschichten, als Vorlage für mögliche Darstellungsformen von Animation oder Funktionsprinzipien dystopischer Visionen.
Love, Death & Robots erfüllt die Vision der Produzenten, die Konventionen herkömmlicher Serien zu brechen, hervorragend. Auch wenn sich nicht jede bzw. jeder in allen Kurzgeschichten wiederfinden wird, punktet die Serie mit ihrer einzigartigen Kombination von Kurzgeschichte und Animationsstilen, was sie als Alleinstellungsmerkmal für sich beanspruchen kann. Love, Death & Robots eignet sich insbesondere für pädagogische und wissenschaftliche Fachkräfte mit Schwerpunkt Film, Animation und Narration, aber auch für Studierende und Interessierte im Bereich Digitalisierung, die aus erzählerischen Impulsen und kritischen Denkanstößen in Form von Bewegtbild schöpfen wollen.
Monika Himmelsbach war Praktikantin bei merz I medien + erziehung. Sie studiert Theater- und Medienwissenschaft sowie Pädagogik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Monika Himmelsbach
Beitrag als PDFEinzelansichtMarvin Fendt: Von Videospielen und Cloud-Gaming. gamescom 2019
Jede Menge Spiel und Spaß für die Massen bietet die gamescom seit mehreren Jahren. Bereits zum elften Mal konnten sich Interessierte auf den Weg nach Köln zur weltweit größten Spielemesse machen, um Neuigkeiten rund um Videospiele, Nerdkultur und Hardware zu erhalten. Die Messe zeigte erneut, dass Spiele und Spielekultur längst in der breiten Masse angekommen sowie akzeptiert sind, was bereits auf der Eröffnungsveranstaltung deutlich wurde: Mehrere Politikerinnen und Politiker waren präsent – unter anderem Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, der die Innovationskraft der Branche betonte.
Spieleankündigungen
Eine vielfältige Mischung aktueller Spiele konnte ausprobiert werden – aufgrund des Ausbleibens größerer Neuankündigungen wurde allerdings auch Kritik laut. Gezockt werden konnte natürlich dennoch, beispielsweise das kommende Remake des Rollenspiel-Klassikers Final Fantasy VII. Beim nächsten Teil der Autorennspielserie Need for Speed: Heat konnten Straßen im Geschwindigkeitsrausch unsicher gemacht werden. Das Rollenspiel Watch Dogs: Legion, in dem die Rolle eines Hackers übernommen wird, zeigt sich ungewohnt politisch und spielt in einer diktatorisch regierten Post-Brexit-Stadt. In Planet Zoo kann eine grafisch beeindruckende Landschaft aufgebaut und verwaltet werden. Ebenso wurde das in Entwicklung befindliche Action-Adventure Death Stranding von Entwickler Hideo Kojima, der unter anderem für die Metal Gear Solid-Reihe verantwortlich ist, vorgezeigt. Minecraft hat sich mit einem neuen Update präsentiert, welches mit der neuen Raytracing-Technologie für Nividia-Grafikkarten eine akkuratere Lichtberechnung in dem bereits in die Jahre gekommenen Spiel ermöglicht. Auch unter den bereits erwarteten und allgemein bekannten Spielen waren einige Highlights zu finden: Im textbasierten Role-Playing Game-Adventure (RPG) Through the Darkest of Times können Spielende die dunkle Vergangenheit Deutschlands von 1933 bis 1945 – beginnend mit der Machtergreifung Hitlers – nachspielen und versuchen, eine Untergrundbewegung gegen das aufstrebende Nazi-Regime zu mobilisieren.
Wie schon im vergangenen Jahr bot die gamescom genügend Raum für einige Indie-Projekte in unterschiedlichsten Entwicklungsstadien. Einige dieser Entwicklerinnen und Entwickler waren mitunter so klein, dass sich mehrere Studios, gruppiert nach ihrem Herkunftsland, Entwürfe und Ideen vorzeigten, um mehr Reichweite zu erlangen. Die Bandbreite erstreckte sich von teils stark von anderen Spielen inspirierten Konzepten bis hin zu sehr vielversprechenden neuen Ideen, wie in dem Spiel VR Giants. Hierin kontrolliert eine Person mithilfe einer VR-Brille einen Riesen, welcher einem Mitspielenden in Gestalt eines Zwerges durch die Level hilft. Da erst kommendes Jahr eine neue Konsolengeneration erwartet wird mit mehr Ressourcen und Möglichkeiten für neue und aufwändigere Spiele, waren insgesamt weniger große Ankündigungen vertreten als üblich. Die angespielten Titel machten aber dennoch Lust auf mehr!
Cloud-Gaming im Trend
Der große Technik-Trend der Messe zeichnete sich im Cloud-Gaming ab. Hier wird ein Spiel nicht mehr am lokalen Endgerät, sondern von einem Server berechnet, der nur noch einen Videostream an das Gerät sendet. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die vor kurzem vorgestellte Spiele-Streaming-Plattform Stadia von Google, die sich durch eine besonders niedrige Latenz auszeichnen soll. Da die Spiele auf speziellen Servern berechnet werden, fällt beim Streaming die Leistungsgrenze herkömmlicher PCs weg, wodurch es möglich sein soll, ein Spiel mit nahezu fotorealistischer Grafik auf einem Smartphone zu spielen. Hiervon soll unter anderem der kommende, zeitlich für Stadia exklusiv verfügbare Titel Orcs Must Die! 3 stark profitieren, in dem hunderte Gegnerinnen und Gegner gleichzeitig dargestellt werden.
Retro-Gaming, CosPlay, Kontroversen
Seit mehreren Jahren gibt es auf der Spielemesse eine Dauerausstellung rund um Retro-Games zu bewundern. Dort konnten alle Interessierten wieder an alten Konsolen wie dem Atari 2600 in Nostalgie schwelgen, an Arcade-Automaten die Finger wund spielen oder Erinnerungen an eine der ersten VR-Spielekonsolen, den VirtualBoy von Nintendo, auffrischen. Da diese VR-Konsole keinerlei Bewegungserkennung integriert hatte, war das Spielen daran allerdings – dank schnell auftretender Übelkeit – häufig ein eher kurzes Vergnügen.
Ebenfalls seit mehreren Jahren können im CosPlay Village Cosplayerinnen und -player bewundert werden, wie sie ihre Lieblingscharaktere aus Spielen, Mangas, Filmen oder ähnlichen in kunstvollen Kostümen und mitunter mit bemerkenswertem schauspielerischem Talent nachstellen.
Wie bereits die Bundeswehr auf der letztjährigen re:publica, hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz einen durchaus umstrittenen Auftritt zu verzeichnen, dessen Messeplatz durchzogen war mit standfüllenden Deutschlandfahnen, in die sich Salafistinnen und Salafisten, Neo-Nazis und Antifa einbrannten. Trotz Kontroverse im Vorfeld blieb der Stand eher zurückhaltend besucht. Besuchende, die aufgrund des Standdesigns mit spielerischen Highlights doch neugierig geworden waren, wurden allerdings enttäuscht: In der VR-Demo konnte – auf grafischer wie inhaltlicher Ebene unelegant gelöst – lediglich die Wohnung eines Salafisten anhand einfacher Kommandos durchsucht und Indizien für dessen Radikalisierung gefunden werden.
Deutlich beliebter war der Stand der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), bei dem die Besucherinnen und Besucher ihr Wissen rund um Spiele oder mediale Aufklärung testen konnten.
gamescom – bekannt und gut
Die Messe ist seit über einem Jahrzehnt fester Bestandteil der Spieleszene. Das verdeutlichen auch die stetig neuen Besucherrekorde und die stetig neuartigen Angebote – auch abseits des Gamings. Wer im kommenden Jahr mit in diese Welt eintauchen möchte, kann sich den 26. bis 29. August 2020 bereits vormerken.
Marvin Fendt ist Werkstudent im Medienzentrum München des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Er studiert Soziale Arbeit an der Hochschule München.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Marvin Fendt
Beitrag als PDFEinzelansichtKira Thiel: von Neumann-Cosel, Maxie/Yxalag (2019). Miloš und die verzauberte Klarinette. Hörspiel, Yxalag/German- Pops Media. 58 Min., 12,00 €.
Als der neunjährige Elias an diesem Tag von der Schule nach Hause kommt, hat er richtig schlechte Laune. Grußlos stapft er an Opa Miloš vorbei und verbarrikadiert sich in seinem Kinderzimmer. Es ist aber auch wirklich zu blöd! Sein bester Freund und dessen Familie sollen zurück in ihr Heimatdorf im Kosovo – und das obwohl Luca doch schon seit Ewigkeiten in Deutschland lebt. Um seinen Enkel aufzuheitern, überreicht Opa Miloš ihm ein schwarzes Instrument mit vielen kleinen, silbernen Knöpfen: eine Klarinette. Die gehörte vor langer Zeit einem jungen Prinzen namens Miloš – das behauptet zumindest der gleichnamige Großvater. Und nicht nur das. Neben seiner royalen Herkunft zeichne sich das Holzblasinstrument auch noch durch seine magischen Kräfte aus. So habe die Zauber-Klarinette Prinz Miloš auf der Flucht vor einem bösen König nicht nur vor gefährlichen Tieren und einer Horde wilder Räuber beschützt, sondern ihn schließlich sogar zu seiner großen Liebe geführt. Dass das Märchen von Prinz Miloš auffällige Parallelen zum Leben seines Lieblingsopas aufweist, wird Elias erst klar, als sein Vater ihn über dessen Vergangenheit aufklärt: Opa Miloš ist vor vielen Jahren aus einem kleinen Dorf im ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland geflohen – seine geliebte Klarinette im Gepäck.
Die märchenhafte Parabel vom Prinzen und seiner verzauberten Klarinette dürfte vor allem junge Hörspiel-Fans im Alter von sechs bis zehn Jahren begeistern. Kindgerecht illustriert sie, was Menschen dazu bewegt, ihre Heimat zu verlassen und wie es sich anfühlt, in der Fremde ein neues Leben zu beginnen. Dabei porträtiert das Musik-Hörspiel zwei entgegengesetzte migrantische Schicksale. So sind Luca und seine Familie gezwungen, ihre Wahlheimat zu verlassen und an einen Ort zurückzukehren, der für sie schon lange kein Zuhause mehr ist. Opa Miloš hingegen ist nach der Flucht nie wirklich angekommen und vermisst seine osteuropäische Heimat auch Jahrzehnte später noch schmerzlich. Diese beiden konträren Perspektiven verdeutlichen, dass Heimat subjektiv sehr unterschiedlich erlebt werden kann. Während der Begriff für die einen vor allem territoriale Aspekte wie das Herkunftsland, die Nationalität und kulturelle Eigenheiten umfasst, bedeutet er für die anderen ein ortsungebundenes Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit.
Neben der Frage, was Heimat eigentlich ausmacht, stellt das Abschiednehmen ein zentrales Motiv innerhalb der Geschichte dar. Einfühlsam behandelt das Hörspiel damit einen in Kindermedien vernachlässigten Themenbereich. So sieht sich Elias nicht nur mit dem nahenden Abschied seines besten Freundes konfrontiert. Auch sein alter, kranker Opa, das ahnt er, wird nicht für immer bei ihm bleiben. Umso schöner ist es, dass er mit der Klarinette nun ein Andenken an seine wichtigste Bezugsperson besitzt.
Generell wirkt das Hörspiel trotz der nicht ganz leichten Kost nie bedrückend oder beängstigend. Sein positiv-hoffnungsvoller Charakter ist nicht zuletzt auf die unaufgeregte, eher implizite Sprache zurückzuführen, in welcher der Text gehalten ist. Zudem ist Autorin Maxie von Neumann-Cosel offenkundig darum bemüht, den jungen Zuhörerinnen und Zuhörern in der Kürze der Handlung ein zufriedenstellendes Happy End zu bieten. Was gut gemeint ist, will angesichts der Komplexität der behandelten Thematik allerdings nicht so recht gelingen. Die Vorstellung, dass er seinen Freund in den nächsten Ferien im Kosovo besuchen wird, der Abschied also nicht für immer ist, mag aus Sicht von Elias tröstlich sein. Lucas Perspektive – was die Abschiebung für die Familie bedeutet und wie es fernab der Heimat für sie weitergeht – wird durch diese einseitige Fokussierung allerdings gänzlich außer Acht gelassen. Hierdurch wirkt das Ende der Geschichte bedauerlicherweise etwas unvermittelt und eindimensional.
Nichtsdestotrotz ermöglicht das Hörspiel Kindern im Grundschulalter eine altersgerechte Annäherung an die Themen Heimat, Zuwanderung und Flucht. Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftspolitischer Entwicklungen kann die Geschichte Eltern und Großeltern Anknüpfungspunkte für weiterführende Gespräche zur Flüchtlingsthematik bieten. Auch in der (medien-)pädagogischen Arbeit ist der Einsatz des Hörspiels denkbar. Vor allem in multikulturellen Kontexten kann es einen wertvollen Perspektivwechsel ermöglichen und auf diese Weise das Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Lebenssituation von Menschen aus anderen Kulturkreisen fördern.
Musikalisch untermalt wird die Geschichte von abwechslungsreichen Klängen im Klezmer-Stil. Die jüdische Volksmusiktradition kombiniert melancholische Moll- mit fröhlichen, tanzbaren Dur-Melodien und erschafft auf diese Weise einen einzigartig stimmungsvollen Sound. Die deutsche Klezmer-Band Yxalag, die in ihren Stücken passenderweise Einflüsse aus verschiedenen Kulturkreisen zusammenführt, unterstreicht durch den Wechsel von schwermütigen und beschwingten Klängen die innere Zerrissenheit vieler Migrantinnen und Migranten: Ihrer Hoffnung auf eine bessere Zukunft in der Ferne stehen Ungewissheit und Abschiedsschmerz gegenüber. Unabhängig von der beschriebenen Metaphorik und Symbolik, die die junge Zielgruppe ohne eine elterliche bzw. (medien-)pädagogische Begleitung ohnehin kaum durchschauen dürfte, ist Miloš und die verzauberte Klarinette vor allem eines: die rührende Geschichte einer ganz besonderen Opa-Enkel-Beziehung mit einer schwungvollen musikalischen Begleitung.
Miloš und die verzauberte Klarinette wurde vom Verband deutscher Musikschulen für den Medienpreis LEOPOLD – Gute Musik fürKinder 2019/2020 nominiert und steht dementsprechend auf der Hörmedien-Empfehlungsliste des Verbandes. Preisgekrönt ist zudem Synchronsprecher Jonas Nay, der 2016 bereits mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Die Geschichte ist auf CD erhältlich und hat eine Gesamtlaufzeit von 58 Minuten. Alternativ kann sie über die Streamingplattformen Spotify, Deezer und Google Play Music abgerufen werden. Einen Anreiz für den Kauf der CD stellt das beiliegende illustrierte Booklet dar, welches die serbische Künstlerin Andja Stanković fantasievoll gestaltet hat.
Kira Thiel war Volontärin bei merz | medien + erziehung und kopaed. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI).
publikationen
Simone Hickmann: Bosse, Ingo/Schluchter, Jan-René/Zorn, Isabel (Hrsg.) (2019). Handbuch Inklusion und Medienbildung. Weinheim: Beltz Juventa. 386 S., 39,95 €.
Mit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit sogenannter Behinderung im Mai 2008 ist das Thema Inklusion stärker in das Blickfeld der Öffentlichkeit und der Wissenschaft gerückt. Kaum eine Autorin bzw. Autor aus dem von Ingo Bosse, Jan-René Schluchter und Isabel Zorn herausgegebenen Sammelwerk geht nicht auf die Veränderungen ein, die mit dem Verständnis von Teilhabe in Bezug auf Menschenrechte einhergehen. „Menschen mit Behinderung gehören von Anfang an mitten in die Gesellschaft“ (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung 2019).
Dem Handbuch liegt ein weites Inklusionsverständnis zugrunde, das alle Personengruppen mit einbezieht, die Erfahrungen mit Ausgrenzung haben. Medien sind Teil nahezu aller gesellschaftlichen Bereiche. Der Band beschäftigt sich anhand von drei Grundfragen mit den Zusammenhängen von Inklusion, Bildung und Medien: Welche Potenziale hat Medienbildung für eine gelingende Inklusion? Welche Rahmenbedingungen braucht inklusive Medienbildung? Wie lässt sich inklusive Medienbildung gestalten?
Das interdisziplinäre Team der Herausgebenden aus den Bereichen Sonderpädagogik, Medienpädagogik und Soziale Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, „einen möglichst umfassenden Überblick über dieses noch junge Forschungs- und Praxisfeld zu geben“ (S. 12). Das Handbuch ist für dieses Querschnittsthema somit ein erstes umfassendes Werk. Mit E-Book und Open-Access-Zugang sowie einem barrierefreien PDF geht es einen wichtigen Schritt in Richtung Barrierefreiheit (vgl. Technische Universität Dortmund 2019).
In fünf Kapiteln setzt es sich eingehend mit den Zusammenhängen von Inklusion und Medienbildung sowie Forschungsergebnissen und Diskurslinien auseinander: Nach Klärung der Grundlagen gibt der Band einen Überblick über Berufsfelder, in denen Inklusion und Medienbildung besonders relevant sind. Anschließend werden Methoden und übergreifende Themen inklusiver Medienbildung dargestellt und ein Einblick in die Professionalisierung, der zum Teil schon vorgestellten Berufsfelder, gegeben. Am Ende des Handbuchs steht die Forschung im Bereich inklusiver Medienbildung im Fokus.
- Grundlagen: Expertinnen und Experten verschiedener pädagogischer Schwerpunkte setzen sich mit den Grundlagen inklusiver Medienbildung auseinander. Inklusive Medienbildung wird hierbei als Teilhabe in Medien, Teilhabe an Medien und Teilhabe durch Medien verstanden. In der Auseinandersetzung mit den Grundlagen zur Medienbildung, Mediensozialisation und sozialer Ungleichheit sowie Medienkompetenz wird folglich der Frage nachgegangen, wie eine gleichberechtigte Teilhabe am Erwerb von Medienkompetenz in Bezug zu Inklusion erzeugt werden kann. Außerdem geben Anne Haage und Ingo Bosse Einblicke in die Basisdaten der größten deutschen Studie zur Mediennutzung von Menschen mit sogenannter Behinderung.
- Berufsfelder im Überblick: Zwölf zielgruppenspezifische Berufsfelder werden vorgestellt, die sich vom Einsatzfeld in der Familie über die frühkindliche Bildung bis zur Erwachsenen und Seniorenbildung erstrecken. Im Berufsfeld Schule wird, in Artikeln zur Grundschule, Sekundarstufe I und Förderschule, der Frage nachgegangen, wie eine Teilhabe aller am Lernprozess möglich ist und welche Rolle digitale Medien dabei spielen. Auch im Berufsfeld Jugendstrafvollzug und Tagesförderung/Wohneinrichtungen wird der Einsatz von digitalen Medien in den Blick genommen. Abgerundet wird der Themenbereich durch ein Praxisbeispiel aus der Projektreihe mobil+stark – Wege zu einer inklusiven Medienbildung.
- Methoden und übergreifende Themen inklusiver Medienbildung: Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis setzen sich in neun Artikeln mit Methoden und übergreifenden Themen inklusiver Medienbildung auseinander. Es werden Wege aufgezeigt, Barrierefreiheit zu fördern und diese zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Von diversitätssensibler Kommunikation in den Medien am Beispiel des Projekts leidmedien.de über assistive Technologien bis hin zu leichter Sprache und der Aufklärungsarbeit von Aktion Mensch e. V. wird ein detaillierter Einblick gegeben, was bei der barrierefreien Gestaltung von Veranstaltungen der Medienbildung zu beachten ist.
- Professionalisierung: Das Kapitel wendet sich mit acht Artikeln der Frage der Professionalisierung zu. Es wird deutlich, dass in den Berufsfeldern die Bedeutung der Themen Inklusion und Medienbildung gewachsen ist, sich jedoch noch kein systematisches Vorgehen zur Qualifizierung von Fachkräften etablieren konnte. Neben mangelnden Bezügen zwischen den beiden Fachrichtungen kommt erschwerend ein fehlendes einheitliches Verständnis von Professionalisierung hinzu. Darüber hinaus bestehen Unschärfen in einzelnen Berufsfeldern.
- Forschung: Schließlich werden Forschungsfelder im Bereich inklusiver Medienbildung dargestellt und Kriterien inklusiver Forschung herausgearbeitet, die in einen Appell an eine kritische Reflexion der eigenen Handlungspraxis münden. Des Weiteren befasst sich das Kapitel mit der Gestaltung von Technologien für alle und dem Bedarf an Forschung und Innovation.
Zusammenfassend hält Handbuch Inklusion und Medienbildung einige Antworten auf die drei eingangs gestellten Fragen bereit. So konnte abgeleitet werden, dass inklusive Medienbildung zu einer besseren Selbstbestimmung, höheren Selbstwirksamkeit und Barrierefreiheit führen kann. In Hinblick auf Rahmenbedingungen bedarf es außerdem der Entwicklung von Angebotsstrukturen, Orten der Interaktion, einer Verzahnung von Inklusion und Medienbildung, einer Qualifizierung von Fachkräften sowie der Unterstützung und Anregungen durch das familiäre und professionelle Umfeld. Eine zielgruppensensible medienpädagogische Ausgestaltung der Angebote und aktiven Medienarbeit muss zudem an vorhandenen Medienkompetenzen anknüpfen. Die Herausgebenden haben ihr selbst gesetztes Ziel – einen umfassenden Einblick in der Forschungs- und Praxisfeld der inklusiven Medienbildung zu geben – erreicht. Sie ermöglichen mit diesem Band ihren Leserinnen und Lesern einen guten Gesamtüberblick über die aktuellen Diskurse zu Inklusion, Bildung und Medien in den verschiedenen Disziplinen und bieten somit eine gelungene Ausgangsbasis für Studierende, Forschende und Praktikerinnen bzw. Praktiker. Die durch die Autorinnen und Autoren gesetzten Schlaglichter, formulierten Desiderate und Literaturangaben ermöglichen den Leserinnen und Lesern sich mit eigenen Schwerpunkten tiefer auseinander zu setzen und dieses noch junge Forschungs- und Praxisfeldes weiterzuentwickeln.
Literatur
Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung (2019).Die UN-Behindertenrechtskonvention. www.behindertenbeauftragter.de/DE/Koordinierungsstelle/UNKonvention/UNKonvention_node.html [Zugriff: 05.08.2019]
Technische Universität Dortmund (2019). Sehkon – Sehgeschädigtengerechter Katalog Online. www.ub.uni-dortmund.de/sehkon [Zugriff: 05.08.2019]
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Simone Hickmann
Beitrag als PDFEinzelansichtDana Neuleitner: Beißwenger, Achim (Hrsg.) (2019). YouTube und seine Kinder. Wie Onlinevideo, Web TV und Social Media die Kommunikation von Marken, Medien und Menschen revolutionieren. 2., durchgesehene Aufl. Baden-Baden: Nomos. 290 S., 34 €.
Mit diesem Band möchte Herausgeber Beißwenger praxisnahe Einblicke zu Bewegtbildern im Internet geben. Hierzu kommen Unternehmen wie BMW, Daimler, Microsoft und die Deutsche Telekom zu Herausforderungen, Einsatzgebieten und Management zu Wort.
Auf eine einführende Vermittlung von Grundlagen aufbauend werden verschiedene Einsatzgebiete und Fallstudien erläutert, bevor Gestaltungsmerkmale und Technologien besprochen werden. Abschließend werden Rechtsfragen geklärt und ein Ausblick zu möglichen Trends gegeben. Mit einem übersichtlichen Aufbau überzeugt YouTube und seine Kinder dank der Breite an Sichtweisen, die ebenso Perspektiven aus der Praxis einschließen. Die Beiträge befassen sich etwa mit Sound Branding, Serious Games oder Aufmerksamkeitsökonomie. Einige Beispiele in dieser zweiten Auflage sind jedoch veraltet. So wurde etwa das deutsche Portal für professionell produzierte Webserien 3min ein Jahr nach Erscheinen der Erstauflage eingestellt, da der erwartete Erfolg ausblieb. Ebenso die auf MySpace ausgestrahlten seriellen Formate Kavka vs. the Web und die Webserie Candygirls. Demnach zeigt der Band zwar ausführlich, welche Hoffnungen und Visionen vor knapp zehn Jahren mit Bewegtbildern im Internet und verschiedenen Netzwerken verbunden waren. Offen bleibt allerdings eine Reflexion der Beispiele vor heutigen Entwicklungen und deren womöglich vollzogene Ablösung durch neuere ‚Hoffnungsträger‘ – wie Formate auf unter anderem Instagram oder Facebook.
Der Band bietet Interessierten aus Kommunikationswissenschaft und Medienpädagogik allerdings die Möglichkeit, Sichtweisen von Unternehmen nachzuvollziehen und damalige Praktiken mit heutigen zu vergleichen. Interessant sind zudem die Visionen der Autorinnen und Autoren zu „Autorenfragen“ am Ende einiger Kapitel – darunter etwa, wie Bewegtbilder im Internet in zehn Jahren, also heute, aussehen könnten. dn
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Dana Neuleitner
Beitrag als PDFEinzelansichtMonika Himmelsbach: Dievernich, Frank E.P./Döben-Heinisch, Gerd-Dietrich/Frey, Reiner (2019). Bildung 5.0: Wissenschaft, Hochschulen und Meditation. Das Selbstprojekt. Weinheim: Beltz Juventa. 114 S., 16,95 €
Online-Angebote, digitale Verwaltung, KI – auch im Hochschulkontext gewinnt das Digitale immer mehr an Bedeutung. Bildung 5.0: Wissenschaft, Hochschulen und Meditation hinterfragt diese rasante Entwicklung. Er versteht sich als Bildungsexperiment, mit Hilfe dessen sich der in einer hektischen, digitalen Welt lebende Mensch neu erfinden soll. Dies sei nötig, um zu verhindern, dass der Mensch zu einem „Anhängsel der Datenströme“ transferiert und die Bildungslandschaft durchdigitalisiert wird. Der Band möchte vor diesem Schicksal bewahren und eine Welt voller selbstbestimmter Individuen hervorbringen. In diesem Sinne wurde ein Projekt an der Frankfurt University of Science durchgeführt. Mittels theoretischer Überlegungen sowie praktischer Mittel und Instrumente wurde Studierenden hierin Meditation, Reflexion und Selbstverortung nähergebracht. Die in den Studienalltag integrierten Angebote hatten zum Ziel, die humane und ethische Seite der Teilnehmenden zu festigen. Die Durchführung des Projekts ist in seiner Grundstruktur beschrieben, an manchen Stellen fehlen jedoch genauere Informationen zur Methodik der Durchführung und zur Auswertung. So sind durch Selbstreflexion der Studierenden erhobene Ergebnisse in Kategorien wiedergegeben, deren Auswahlkriterien nur schwer nachvollziehbar sind.
Der Großteil des Bandes beschäftigt sich mit den Dimensionen der Mediation als kulturelle Praxis, deren (mögliche) Zusammenhänge mit der Hochschule sowie der Übertragbarkeit auf den universitären Kontext. Insgesamt gibt er dabei einen Einblick in ein Hochschulprojekt, das in dieser Form neuartig ist und bietet Anregungen, die sich auch auf andere pädagogische Zusammenhänge übertragen lassen. Geboten wird somit ein besonders interessantes Werk für Forschende in Lehr- und Lernkontexten sowie Praktizierende an Hochschulen. mh
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Monika Himmelsbach
Beitrag als PDFEinzelansichtMonika Himmelsbach: Landwehr, Dominik (Hrsg.) (2019). Virtual Reality. Edition Digital Culture. Christoph Merian und Migros- Kulturprozent. 324 S., 18 €.
Die Geschichte der Medien zeugt immer wieder vom Traum der Erschaffung eines Mediums, das kaum mehr von der Realität zu unterscheiden ist. Das Streben nach vollständiger Immersion, dem Eintauchen in eine simulierte Wirklichkeit. Virtual Reality (VR) soll diese Vorstellung Wirklichkeit werden lassen. Der sechste Band der Reihe Edition Digital Culture widmet sich den Möglichkeiten, Anforderungen sowie Gefahren des VR.
Die Autorinnen und Autoren beschreiben die Geschichte virtueller Welten im Wesentlichen auf zwei Arten: kulturpessimistisch und -optimistisch. Gemäß des Kultur- und Medienwissenschaftlers Landwehr beispielsweise stellt die Entwicklung dieser Technik die logische Schlussfolgerung der Bestrebungen künstlerischer Bereiche wie Malerei, Fotografie und Film dar, um eine Illusion der Wirklichkeit zu erzeugen. Der Kunstwissenschaftler Ullrich hingegen sieht in der Geschichte der Immersion eine Aneinanderkettung von Fehlschlägen, die der fälschlichen Annahme folgen, durch das Kombinieren der Sinne eine intensivere Wahrnehmung herzustellen zu können. In den weiteren Beiträgen wird anhand von Beispielen gezeigt,wie VR richtig genutzt werden kann. Dabei sollen die Möglichkeiten dieser Technik über dessen Einsatz zur reinen Effekterzeugung hinaus ausgeschöpft werden, um sich in seiner Wirkmächtigkeit auch in anderen Medialitäten abzuheben. Für eine Umsetzung fehlt es allerdings an konkreten Konzepten und Methoden. Die Publikation eignet sich aber als Einführungsband für interessierte Kultur- und Medienpädagoginnen und -pädagogen sowie Studierende. Auch Lesende aus den Kunst- und Theaterwissenschaften können die Erkenntnisse für sich nutzen. mh
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Monika Himmelsbach
Beitrag als PDFEinzelansichtHeinrike Paulus: Weinert, Frederik (2019). Hilfe, mein Kind ist ein Smombie. Unsere Kids im digitalen Rausch. Baden-Baden: Tectum. 215 S., 20,00 €.
Eines ist klar: Nur weil Kinder mit digitalen Medien aufwachsen, heißt es noch lange nicht, dass sie dafür Expertinnen und Experten sind. Selbst wenn sie alle technischen Feinheiten ihres Smartphones beherrschen, müssen sie nicht unbedingt verantwortungsbewusst damit umgehen. Mobile Endgeräte verändern, wie wir kommunizieren, aber auch unser menschliches Zusammenleben. Smombies („Smartphone“ und „Zombie“) werden Mediennutzende genannt, die sich so stark ablenken lassen, dass sie ihre Umgebung kaum noch wahrnehmen. Ein realistisches oder eher überzeichnetes Bild?
In Hilfe, mein Kind ist ein Smombie sucht Weinert Erklärungen für das Medienverhalten Heranwachsender. Dazu verknüpft er Medienpädagogik, Medien- und Kommunikationswissenschaftensowie Medienlinguistik, analysiert Soziale Netzwerke, Messenger-Dienste inklusive Streaming- Portale und interviewt Expertinnen und Experten, Influencerinnen und Influencer sowie Eltern. Dabei bedient er sich Methoden der Sprachwissenschaft und erklärt unter anderem die Gamersprache. Auch unternimmt er Selbstversuche, indem er etwa selbst in die Spielewelt eintaucht. Der Band beschreibt die Medienkindheit ebenso wie das von digitalen Medien geprägte Gefühlsleben Jugendlicher – vom Flirtverhalten bis zum Ghosting. Am Beispiel eines Bloggers und einer Influencerin arbeitet er heraus, wie heute digitale Karrieren entstehen können. Daneben nimmt er Gefahren von Spielsucht und Gewalt in den Blick.
Seine Erkenntnisse vermittelt Weinert auf eine Weise, wie man sie aus dem Boulevardjournalismus kennt, um die digitale Welt allgemeinverständlich zu erläutern. Zugleich sind humorvolle und provozierende Seitenhiebe spürbar, die der Selbstreflexion dienen sollen. Die Publikation ist Eltern und pädagogischen Fachkräften zu empfehlen, die leicht zu lesende, medienerzieherische Impulse erhalten möchten. So erfahren sie, welchen potenziellen Herausforderungen Kinder ausgesetzt sind, die von ihnen häufig unterschätzt oder sogar nicht erkannt werden. hp
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Heinrike Paulus
Beitrag als PDFEinzelansicht
kolumne
Sophia Mellitzer: Always-On-L(e)ine
Ein Tag in den Sommerferien. Auf dem Weg nach Hause möchte ich auf meiner Lieblingsparkbank rasten. Doch die ist besetzt: zwei zottelige Hunde sitzen darauf und wackeln unruhig mit ihren Schwänzchen. Ihre Kopfhaare sind mit niedlichen Spängchen und bunten Zopfgummis geschmückt. Vor der Bank steht ein junges Mädchen mit ganz ähnlicher Frisur. Sie hält ihr Smartphone auf die
beiden Vierbeiner gerichtet und gibt Anweisungen: „Sitz! Rosa, schau zu mir! Bleib!“ Ich muss lachen, trete näher an die Szene heran und frage neugierig: „Sind die Fotos für Instagram?“ Schüchtern bejaht die Teenagerin meine Frage. Als ich erzähle, dass ich ab und zu Fotos unserer Hündin Kira im WhatsApp-Status teile, taut sie auf. Sie habe sich extra den Terrier ihrer Freundin ausgeliehen, damit sie das Paar auf ihrem Instagram-Profil posten kann. Hundebilder ergäben viele Likes!Hirtenhunde hüten, Jagdhunde jagen, Suchhunde schnüffeln – und Instagram-Hunde posten? Unsere Kira könnte wirklich etwas von ihren Hundefreundschaften lernen. Ihr Kumpel Pan zum Beispiel, ein wunderschöner Australian Shepherd, schaut für Leckerlis in die Kamera und erzielt als @engergy.on4paws täglich mehr Likes mit seinen bernsteinfarbenen Augen. Er startet gerade seine Social-Media-Karriere – und das nicht ohne Ambitionen. Würde eine „Kooperations“-Anfrage kommen, meinte das Frauchen, wäre sie nicht abgeneigt. Ab 1.000 Followerinnen und Followern wären Hundeprofile für Firmen bereits interessant. Oder sehen wir uns die Labradorhündin @mysofiesworld an. Auf Sofies hübsche Leine angesprochen, bekam ich prompt eine Visitenkarte ihres Facebook-Profils ausgehändigt, wo ich mir auch gleich die empfohlene, handgefertigte Leine bestellen könne. Sehr geschäftstüchtig!
So weit sind Kira und ich noch nicht. Vor einem Jahr verwirklichte mein Mann seinen Lebenstraum ‚Hund'. Kaum war Kira adoptiert, stellte sie nicht nur unseren gesamten Familienalltag, sondern auch mein digitales Leben auf den Kopf. Gassi-geh-Gruppenchats im Messenger, Hundeerziehungs-Tutorials auf YouTube und hunderte knuffiger Hundebilder in der Galerie – so sieht es nach einem zugegebenermaßen holprigen Start als Hundebesitzerin auf meinem Smartphone aus. Das erste Mal alleine Gassi gehen endete schon an der nächsten Straßenecke. Kira hatte sich wild entschlossen in der Leine festgebissen, zog mit all ihrer Kraft daran und wollte partout nicht mehr weiterlaufen. Entsetzt sendete ich schnell ein verwackeltes Foto an unsere Hundetrainerin mit der Bitte um Soforthilfe. Augenblicke später erhielt ich schon die rettenden Tipps per WhatsApp: Ruhig bleiben, auf die Leine stellen und Kira unbedingt geistig mehr beschäftigen – denn: sie wolle nur spielen! War Kira frühabends besonders unruhig, erzielte meine hoffende Gruppenchat-Eröffnung zum ‚Play Date‘ – dank Always On – gleich zwei erleichterte Hundebesitzerinnen am Zaun, die froh waren, dass ihre jungen Vierbeiner endlich ihre überschüssige Kraft loswerden konnten.
Diese Energie könnten wir doch noch besser einsetzen, oder nicht?! Werbung auf vier Beinen – wäre das nicht auch was für Kira? Bisher erfreue ich mich nur daran, unsere hübsche Hündin ganz unzensiert, jedoch ziemlich inszeniert im WhatsApp-Status zu posten. Ich muss zugeben, der Gedanke an ein eigenes Hunde-Profil reizt mich sehr. Bis Kira (gegen Leckerli) ansprechende Posen einnimmt und sich für Social Media von ihrer besten Seite zeigt, bedarf es jedoch noch einigen Trainings.
Beitrag aus Heft »2019/05 Digitale Bildung inklusiv«
Autor: Sophia Mellitzer
Beitrag als PDFEinzelansicht
Ansprechperson
Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
kati.struckmeyer@jff.de
+49 89 68 989 120
Swenja Wütscher
Verantwortliche Redakteurin
swenja.wuetscher@jff.de
+49 89 68 989 120
Ausgabe bei kopaed bestellen
Zurück